Vom „Brennofen zur Kolonne"
Bereits im Jahre 1817 hatte der Landwirt und Brenner Johann Heinrich Leberecht Pistorius (1777-1858) ein Destilliergerät mit indirekter Dampffeuerung erfunden, mit dem man in einem Arbeitsgang aus Kartoffeln 60-80%igen Alkohol herstellen konnte. Der Kessel mit der dickflüssigen Kartoffelmaische wurde nun nicht mehr mit direkter Unterfeuerung sondern mit Wasserdampf erhitzt, was eine Ersparnis beim Brennmaterial bedeutete, wodurch aber auch das Ansetzen verhindert wurde.
Die Folge war eine rasche Ausdehnung der Kartoffel- und Getreidebrennereien, wobei die letzteren durch die Einführung einer höheren Maischraumsteuer stark benachteiligt waren.
In den Jahren 1824 und 1825 wendete sich das Blatt. Um die miserable Lage der Landwirtschaft zu verbessern, führte Preußen den Begriff der landwirtschaftlichen
1831 gab es in Westfalen 1209 Kornbrennereien, wobei in Sendenhorst nur 4 Betriebe sicher nachgewiesen werden können. Die neue Technik der indirekten Dampffeuerung hielt hier allerdings erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einzug. Noch im Jahre 1854 stellte der Sendenhorster Ackerwirth Theodor Wieler ein Concessionsgesuch, in dem ihm „eigentümlich gehörigen Wohnhause Nr. 189 an der Weststraße hiesiger Stadt eine Branntweinbrennerei zu errichten", in der „das Brennen [...]mit direkter Heizung und nicht mittels Wasserdämpfe geschehen [soll]" .
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ist in Sendenhorst ein deutlicher zahlenmäßiger Anstieg der Brennereibetriebe zu verzeichnen. Im Öffentlichen Anzeiger des Amtsblattes wurde die beabsichtigte oder bereits erfolgte NeueM- richtung etlicher Brennereien in Sendenhorst Stadt und Kirchspiel angekündigt (u.a. Colon Werring/Elmenhorst (1847), Gastwirth Wilhelm Böcker (1849), Hermann Böcker/Oststraße (1854), Theodor Wieler/Weststraße (1854); Panning (1857), Kaufrnann Heinrich Everke (1859), Ackerwirth Johann Vrede/Kirchspiel Rinkhöven (1860)).
Gleichzeitig oder nur wenige Jahre später wurden viele der bereits bestehenden Anlagen umgestellt auf Destilliergeräte mit indirekter Dampffeuerung, auf sog. Niederdruckkessel. Aus dem Öffentlichen
Anzeiger geht hervor, dass u.a. die Brennereien H. Brüning (1853), Hermann Werring/Südstraße (1856), Theodor Wieler/Weststraße (1857); Gast- wirth Anton Neuhaus/später Suermann (1858), Gastwirth Christian Silling/Oststraße (1859), Abb.4: Sicherheitsventil der Kesselanlage des
Theodor Böcker/Oststraße (1860) und Tergeist
Heinrich Beumer (1856)
(1869) dazu gehörten.
Mit der Einführung der Dampfkessel, die unter Druck standen, wurden die Brennereien den Aufsichtsbehörden unterstellt. Vor allem das sog. Sicherheitsventil des Kessels musste regelmäßig gewartet und auf seine Funktionsfähigkeit geprüft werden. In jedem Concessionsgesuch zur Errichtung einer Dampfkesselanlage ist deshalb auch eine Zeichnung dieses Geräteteils zu finden.Durch die Aufsichtsbehörden wurden sog. Spezialakten oder auch Amtsakten angelegt, in denen alle Concessionsgesuche mit den zugehörigen Plänen, Bau- und — Betriebsgenehmigungen, Prüfungs- und Abnahmeergebnissen sowie der amtliche Schriftverkehr gesammelt wurden. So ist es uns heute möglich, zumindest ab dem Zeitpunkt der Einrichtung einer Dampfkesselanlage die Entwicklung aller Sendenhorster Brennereien im Stadtgebiet und im Kirchspiel nach zu verfolgen.
Das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts wurde bestimmt durch den Aufschwung des Bergbaus und der Eisenindustrie im Ruhrgebiet. Damit verbunden war eine stetig stei- gende Nachfrage nach Kornbranntwein, die bis zum Ersten Weltkrieg anhalten sollte.
Am 26.1.1884 schlossen sich die westdeutschen Kornbrenner zum Verein westdeut- scher Brennereien zusammen und einen Monat später fand die erste Generalversammlung des Kornbrennerverbandes statt. Ein erster Versuch des Reichskanzlers Bismarck, ein Branntweinmonopol zu errichten, schlug fehl. Die nun in einem Verband zusammen agierenden Kornbrenner wehrten sich mit aller Macht dagegen, allen Rohbrand an das Monopol zur Weiterverarbeitung abzuliefern, da ihnen damit die Möglichkeit des Trinkbranntweinverkaufs genommen worden wäre.
Bereits zu Beginn des Jahrhunderts hatte man — wie oben bereits erwähnt - die land- wirtschaftlichen Brennereien durch niedrige Steuersätze gefördert. Mit dem Inkrafttreten des Reichsbrandweinsteuergesetzes im Jahre 1887 wurden noch einmal bis heute gültige Bedingungen für die landwirtschaftlichen Brennereien festgelegt, die weiterhin steuerlich begünstigt werden sollten:
• Die Brennerei muss mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden sein.
• Als Rohstoffe sind nur Kartoffeln und Getreide zugelassen.
• Die Schlempe und der anfallende Viehdung müssen auf hofeigenen Grund- stücken Verwendung finden oder aber es muss überwiegend Getreide aus eigener Produktion zum Brennen eingesetzt werden.
Die sog. Brennrechte wurden bei Kornbrennereien nach dem Düngebedarf des ange- schlossenen landwirtschaftlichen Betriebes festgelegt. Dabei gab es Höchstgrenzen, um angesichts der damals herrschenden Agrarkrise möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe durch die Einrichtung einer Brennerei besser zu stellen.
Die Einführung der Dampfkessel-Technik und die damit verbundene größere Brennkapazität, aber wohl auch diese besseren Rahmenbedingungen bewogen tatsäch- lich etliche Sendenhorster Landwirte bzw. Brenner, im letzten Viertel des 19. Jahrhun- derts, eine landwirtschaftliche Brennerei zu gründen bzw. die Kapazität der vorhande- nen Anlage zu vergrößern.
So errichtete z.B. der Landwirt und Posthalter Theodor Bonse 1876 ein großzügiges, unterkellertes Brennereigebäude, das mit einem Branntwein- und einem Maischkeller, einem sog. Kühlschiff zum Herunterkühlen der verzuckerten Maische und einem
beantragte der Brennereibesitzer und erste Rendant der Sendenhorster Sparkasse, Bernhard Rötering, die Concession zum Betrieb eines liegenden, „nicht explodie- renden Circlations-Wasserrohrkessels" nach dem System „Root".