Die Vermarktung des Sendenhorster Korns

Unter dem Datum 30. Dezember 1847 gab der Bürgermeister Kreuzhage im Öffentlichen Anzeiger bekannt, der Colon Werring in der Elmenhorster Bauerschaft beabsichtige, in seinem Nebengebäude Nr. 1c eine Branntweinbrennerei anzulegen. Die “Concession“ zum Betrieb und damit die offizielle Gründung der Brennerei Werring erfolgte wenige Monate später.

Von diesem Zeitpunkt an führte der Colon Werring ein „Branntweinbuch“, in dem penibel Lieferdatum, Kundennamen, Berufsbezeichnung, Adresse, Liefermenge, Preis pro Liter und Gesamtpreis verzeichnet wurden.Auch in den Familienarchiven anderer Sendenhorster Brennereien finden sich noch solche Vertriebsbücher, von denen vier im Hinblick auf einige interessante Informationen exemplarisch ausgewertet wurden.

Abb.68: Josef Arens auf Kutschwagen mit Fass Münsterländer Korn

Abb.69: LKW zum Vertrieb der Produkte der Brennerei Werring

1. Der Vertrieb des Kornbranntweins

Im Archiv der Familie Schulze Rötering befindet sich ein großformatiges, prächtiges Kundenbuch, in dem für den Zeitraum 1822-1856 alle Branntweinlieferungen eingetragen sind. Eine Auswertung dieses Geschäftsbuches hinsichtlich der Vertriebsorte ergab Erstaunliches:

Theodor Schwarte, der 1807 in die Sendenhorster Brennerfamilie Fiehe eingeheiratet hatte und der den Betrieb bis 1857 führte, hatte bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur Kunden in Sendenhorst, Münster und zahlreichen kleineren Orten in der näheren Umgebung; er verschickte seinen Kornbranntwein über weite Strecken in alle Himmelsrichtungen – in das damals noch nicht so entwickelte Ruhrgebiet, an den Niederrhein nach Wesel, nach Ahaus, Greven, Bielefeld und in das Sauerland (vgl. dazu Grafik 1).

Wie kam ein Sendenhorster Betrieb an diese relativ weit entfernten Abnehmer? Was machte den Schwarte-Korn so begehrenswert? Wie schaffte man es überhaupt, mit der damals noch wenig entwickelten Brenntechnik größere Mengen zu produzieren und wie organisierte man den Transport angesichts der Tatsache, dass es weder Eisenbahn noch Autos gab, die Lieferungen also mit Pferd und Wagen erfolgen mussten? Fragen über Fragen, die aufgrund unzureichender Quellenlage leider im Moment nicht beantwortet werden können, die es aber wert wären, sie zu einem späteren Zeitpunkt näher zu untersuchen.

Wie die Grafik 2 zu den Vertriebswegen der Brennerei Werring im Zeitraum 1848-1867 zeigt, war die Mehrzahl der Kunden dieses damals neu gegründeten Betriebes in der direkten Umgebung ansässig - der eigenen Bauerschaft Elmenhorst, der Stadt Sendenhorst sowie in Albersloh, Alverskirchen, Drensteinfurt und Wolbeck. Der Abnehmerkreis für den Werringschen Korn war aber bereits in den ersten Betriebsjahren keinesfalls nur darauf beschränkt.53

So hatte man eine ganze Reihe von privaten und geschäftlichen Kunden aus Münster und Hiltrup, aus Ahlen, Amelsbüren, Everswinkel, Harsewinkel, Herbern, Hoetmar, Füchtorf, Lippstadt, Sassenberg, Telgte, Warendorf und Vreden. Und wie die oben erwähnte Brennerei Schwarte lieferte man in das damals im Aufbau begriffene Ruhrgebiet nach Dortmund und Duisburg,wo der Sendenhorster Korn vor allem den Bergarbeitern in den zahlreichen Zechen die Arbeit erleichtern sollte.

Lieferorte Brennerei Rötering
1822 - 1856

Grafik 1: Lieferorte Brennerei Theodor Schwarte 1822-1856 (s. oben)

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Lieferorte Brennerei Werring

Grafik 2: Branntwein-Vertrieb Brennerei Werring (1848-1867)

Lieferorte Brennerei Werring
1848 - 1867 Vreden

Grafik 3: Branntwein-Vertrieb Brennerei Werring (1900-1918)

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Die zweite Grafik zum Vertrieb der Brennerei Werring stellt den Branntweinverkauf

im Zeitraum 1900-1918, also 40 Jahre später, dar. Sie zeigt ein erweitertes Vertriebsnetz, sowohl was die Anzahl und Größe als auch die Entfernung der Orte vom Herstellungsbetrieb Werring angeht.

Wie früher gab man den hauseigenen Korn regelmäßig und zum Teil in erheblichen Mengen an Privatleute in der Nachbarschaft und in Sendenhorst sowie bestimmte ortsansässige Gastwirtschaften ab (u.a. Werring, Suermann, Kogge, Flechtker Herbergswirth, Schulte Kaufmann/später Angelkort, Spiegel/Bahnhofsrestaurant, Selige/Peiler).Auch Handwerks- und Handelsbetriebe waren treue Kunden (erwähnt werden die Bezeichnungen Maler, Schmiede, Sägewerk, Böttcher, Sattler, Schneider, Stuhlmacher, Holzschuhmacher, Tischler Baugewerbe, Kaufleute, Bäcker). Die Lieferungen an Orte im Ruhrgebiet wurden beibehalten bzw. ausgeweitet.

Nun aber hatte man auch vermehrt Abnehmer jenseits des bisherigen Vertriebsgebietes, die den Werringschen Korn in weit größeren Mengen orderten. Dazu gehörten neben anderen Brennereien bzw. Betrieben, die den Rohbrand zur

Lieferorte Brennerei Horstmann


Grafik 4: Branntwein-Vertrieb Brennerei Horstmann (1930-1940)

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Weiterverarbeitung benötigten (u.a. Friedrich Schwarze/Oelde; Gebr. Meyer in Hille) zahlreiche Schankwirtschaften, Restaurants und Hotelbetriebe in Münster und den umliegenden Orten, die teilweise dem Kreis der Verwandtschaft angehörten (u.a. Gastwirtschaften Anton/Theodor Werring in Coesfeld; Hub.Werring in Datteln; Th. Werring/Restaurant zum Prinzen Heinrich in Gronau). Ein besonders wertvoller Kunde dürfte die Westfälische Landesbahn und ihre zahlreichen Bahnhofsrestaurants gewesen sein. So lieferte man z.B. in den Jahren 1911-1915 an den Bahnhofswirt Borgmann in Münster mehr als 11.000 Liter Korn pro Jahr!

Nach der Einführung des Branntweinmonopols im Jahre 1919 gaben die Sendenhorster Brennereien entsprechend ihres Brennrechts bzw. Brennkontingentes und gegen feste Übernahmepreise einen Großteil des sog. Rohbrandes an die Monopolverwaltung ab. Nun verarbeitete man nur noch die Mengen zu trinkfähigem Korn, die man auch vermarkten konnte.

Grafik 4 beschäftigt sich mit dem Kornvertrieb der Brennerei Horstmann in den Jahren

1930-1940. Man besaß zur damaligen Zeit ein Brennrecht von 260 Hektolitern, von denen ca. 80 % selbst vermarktet wurden. Auch für diesen Betrieb war das direkte Umfeld – das Kirchspiel und der Ort Sendenhorst – ein wichtiges Absatzgebiet. So versorgte man regelmäßig zahlreiche ortsansässige Gaststätten (B.Werring, Siekmann, Angelkort, Kogge, Peiler, Suermann, Haskie/Bahnhofswirt), Handwerksbetriebe und Privatkunden mit dem hauseigenen Korn und Doppelkorn, der in verhältnismässig kleinen Mengen in Flaschen,Korbflaschen (5-25 Liter), „Fässchen“ (16 Liter) oder auch größere Fässer abgefüllt wurde.

In Münster hatte man mit der Gaststätte Meier einen treuen Kunden, der in den 10 Jahren insgesamt 67 Lieferungen Korn, Doppelkorn,Wacholder (insgesamt .ca. 10.000 Liter) und auch zwei Mal große Mengen von Eiern bezog. Daneben aber lieferte man auch an weiter entfernt liegende Orte im Ruhrgebiet, sowie nach Bonn, Köln, Erfurt und sogar Friedersdorf in Brandenburg! Offenbar gehörten zum Kundenkreis auch Gaststätten und Betriebe in Brakel, Gladbeck, Lünen, Sechlem und Wesseling, die zum weiteren Kreis der Familie Horstmann gehörten.

Abhängig von der Größe des Betriebes und des Brennrechtes, aber auch dem Kreis der Kunden war die Art und Weise des Kornbranntweinvertriebes bei den Sendenhorster Brennereien sehr unterschiedlich. Es gab Brenner, die, wie der Bauer Telges Homann oder die städtischen Betriebe Rötering und Everke, ihren Korn im concessionierten Kleinhandel in einem Raum des Hauses direkt vertrieben. Abb.64: Wohnhaus Telges-Homann (um 1946)

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Abb.65: Im Namen des Volkes! Urteil zugunsten Telges-Homann i.S. Kleinhandel (1934)

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Abb.66: Plan zum Concessionsbescheid 1931 für Kleinhandel in der Diele des Hauses Rötering an der Weststraße

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Wie in den o.g. Grafiken dargestellt wurde, vermarkteten die Sendenhorster Kornbrenner ihre Produkte auch an auswärtige Kunden, entweder in Eigenregie oder mit Hilfe von angestellten Vertretern oder Großhändlern.Teilweise lieferte man weit über die Grenzen Westfalens hinaus, wobei die Kontakte nicht selten durch verwandtschaftliche Beziehungen hergestellt wurden.Abb. 68 zeigt Josef Arens-Sommersell, der mit seinem Kutschwagen ein Fass Münsterländer Korn zur Bahn bringt, das nach Schlesien verschickt werden sollte, Abb. 69 den LKW der Brauerei Werring zum Vertrieb der Produkte.

Abb.67: Legitimationskarte für inländische Kaufleute, Handlungsreisende und Handlungsagenten für Josef Arens (1931) 60

Abb.68
(siehe oben): Josef Arens auf Kutschwagen mit Fass Münsterländer Korn

Abb.69: LKW zum Vertrieb der Produkte der Brennerei Werring

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Die relativ kleinen Brennereien Jönsthövel und Silling in der Oststraße betrieben eine Gaststätte, in der der hauseigene Korn direkt ausgeschänkt wurde. Wie dieser Ausschank funktionierte und welche Bedeutung diese Häuser innerhalb des kommunalen Lebens hatten, wird aus den folgenden Erinnerungen zweier Sendenhorster Bürger deutli

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H. Petzmeyer
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Quellen