Johann Loißingh: »Den Hals zerbrochen und ins Bette geworfen«

 

Der zweite Fall von Besessenheit ereignete sich in der Stadt Sendenhorst mitten während des 30jährigen Krieges. Ein Hexenprozeß blieb dem Beschuldigten erspart, weil seine Verbindung mit dem Teufel erst nach seinem Tode offenbar wurde. Anfang 1631 wurde der Sendenhorster Johann Loißingh (Leußingk) wegen verschiedener Missetaten und Diebereien gefangen gesetzt und in den Amtsturm zu Wolbeck eingeliefert. 

Nach sechs Wochen Haft wurde er am 7. April dem Richter vorgeführt und nach kurzer Verhandlung zum Pranger verurteilt. Er wurde mit Ruten ausgestrichen und anschließend des Landes verwiesen. Seit einem Menschenalter wandte die münstersche Regierung die Landesverweisung an gegen herrenlose Knechte, Müßiggänger, starke Bettler und marodierende Soldaten. Sie wurde besonders in unruhigen Kriegszeiten praktiziert, um gefährliches oder auch nur verdächtiges Gesindel von der Bevölkerung fernzuhalten32.

Johann Loißingh ging also ins Ausland, vielleicht ins benachbarte Märkische, jenseits der Lippe. Fünf Jahre später kehrte er als todkranker Mann heimlich in seine Heimatstadt zurück. Er starb in seinem Haus. Der Pastor weigerte sich, ihm ein christliches Begräbnis zukommen zu lassen, denn Johann Loißingh hatte zeitlebens wenig mit der Kirche im Sinn gehabt. Er hatte seit zehn, elf Jahren nicht mehr gebeichtet und kommuniziert und sich auch sonst durchaus nicht mit der Kirche arrangieren wollen. Pastor Engelberting gab Anweisung, den Verstorbenen in seinem eigenen Garten zu verscharren.

Und nun geschah nach dem Bericht des Richters Huge Unglaubliches: Kaum war der Leichnam unter der Erde, als ein solches unnatürliches Ungewitter ausbrach, daß man befürchtete, alle Kornfrüchte würden verderben. Das Unwetter war deshalb entstanden, weil die Leiche dieses Verbrechers, der zum Galgen hätte verurteilt werden müssen, der heiligen Erde nicht würdig war. Das Ungewitter hielt so lange an, bis man den Körper wieder aus der Erde holte. Sobald die Ausgräber jedoch damit anfingen und den Spaten ansetzten, legte sich das böse Wetter augenblicklich. Die Nachbarn berichteten, als sie Johann Loißingh auf dem Sterbebett zur Beichte und Kommunion überreden wollten, hätte er mit beiden Händen abgewehrt und sei angefangen, wie ein Hund zu kläffen, so kurz in sich hineingezogen, endlich lang ausgestoßen, sich hochgereckt, habe dann den Hals gebrochen und sei ins Bett zurückgeworfen worden (... mit beeden Händen von sich gewiesen und angefangen zu bleffen wie ein Hundt, und so kurtz in eingezogen, wie ein Kluwen, eindtlich langh ausgezogen, auffgehebet, der Haltz zerbrochen und ins Bette geworfen worden). Als er nun ausgegraben wurde, ward befunden, daß ihm dem Hals gebrochen. Meister Neuhaus (der Balbierer und Wundarzt) besichtigte die Leiche und bemerkte, daß der Hals entzwei und so dick angeschwollen wie sein Kopf (wie auch andere, die es gesehen haben, bezeugen können). »Es ist nicht anders zu mutmaßen, als daß Johann Loißingh, ein offenbar sündiger Mensch, vom Teufel umgebracht worden ist.«

So sollte es sich zugetragen haben, und so berichtete Richter Huge am 1. August 1636 dem Archidiakon Rembert Kettler nach Münster. Er findet starke Worte für den verstorbenen Missetäter, wohl um von seinen Amtsversäumnissen abzulenken (immerhin war der Ausgewiesene ungehindert zurückgekehrt): 
»Loißingh ist sein Leben lang ein böser Mann gewesen, des Feindes Vieh-Hure [?] aus Gidse, vieler Bauern Verderb, in Summa ein Nichthaben, von keinen Leuten, ein Dieb und Verräter.«

Die Antwort des Archidiakons ließ vier Tage auf sich warten. Er habe sich zunächst mit seinen Mitbrüdern beraten müssen, so teilt er den Sendenhorstern mit, und sei zu der Meinung gekommen, nach geistlichem Recht sei er nicht berechtigt, den genannten Loißingh, wie der Richter vorgeschlagen, zum Scheiterhaufen zu verurteilen. Als dieser Loißingh durch fürstliches Mandat des Landes verwiesen und sich trotzdem danach wieder zu Sendenhorst aufgehalten, da sollte selbiger Richter sich seiner Aufgabe erinnert und besser beobachtet haben, überhaupt Zeugen abgehört und glaubwürdigen Bericht eingeschickt haben, bevor der Kadaver in der Erde vergraben wurde. Mit einer anschaulichen Redewendung bewertet Domherr Rembert Kettler treffend das bisherige Verfahren von Rat und Richter. Über einen exhumierten Kadaver das Urteil zu fällen, das sei genau so, wie man in Sendenhorst leider zu tun pflege: »Die Pferde hinter den Wagen spannen«. Als Geistlichem stände es ihm, Kettler, nicht zu, Ankläger, Richter oder Ratgeber zu sein, wenn Blut vergossen oder der Delinquent zum Scheiterhaufen oder Galgen verurteilt werde. Kein Wort über den bösen Teufel, der dem Loißingh den Hals gebrochen! Geschickt überhört Kettler die Anschuldigungen, der Verstorbene sei in der Gewalt des Satans gewesen. Statt dessen Kritik an der Nachlässigkeit des Richters und ein freundlicher Gruß: »und schließe dieserhalb hiermit, göttlichen Schutz getreulich empfehlend. Freundwillig, Rembert Kettler«. Ohne Zweifel, Rembert Kettler war ein aufgeklärter Mensch, der den horrenden Unsinn nicht glaubte, aber nicht wagen durfte, seine tatsächliche Meinung dem Sendenhorster Rat mitzuteilen.

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