11. August 1315 = offizieller Geburtstag der Stadt

Erste Erwähnung des »Opidum Sendenhorst«

Bild: Urkunde vom 11. August 1315. Erste Erwähnung der Stadt (in der 5. Zeile: infra opidum Sendenhorst, innerhalb der Stadt Sendenhorst).

Leider verwahrt das kleine, immer wieder durch Brände dezimierte Sendenhorster Stadtarchiv keine Gründungsurkunde. Wir kennen nicht das genaue Datum der Stadterhebung und sind deshalb auf den Zufall einer urkundlichen Nennung angewiesen. Erstmals 1965, dann 1990 feierte die Stadt das Jubiläum ihrer ersten Erwähnung als opidum = Stadt. Anlaß war eine Urkunde vom 11. August 1315. 

Der beurkundete Vorgang ist alltäglich, nichts Weltbewegendes: Ein gewisser Konrad Wolthardinc hatte Zeit seines Lebens von Überwasser, dem münsterschen Benediktinerinnenstift jenseits der Aa, einen Kamp, ein eingefriedigtes Landstück, zur Pacht gehabt. Die Nonnen erklären sich in der Urkunde bereit, den Pachtvertrag auf die Kinder des Verstorbenen, Konrad, Johann und Elburga, ebenfalls auf Lebenszeit, zu übertragen.
Zwei Tatsachen sind an dieser Urkunde bemerkenswert: die erste Erwähnung der Stadt Sendenhorst und die Zeugenreihe. Überwasser hatte hochkarätige Zeugen und Siegler für diesen Pachtvertrag aufgeboten. Domherr Gottfried von Hövel, der münstersche Offizial, stellt die Urkunden aus. Dietrich von Herringen, Probst am Alten Dom, Domkantor Gerhard von Angelmodde und zwei weitere Domherren besiegeln sie. Die aufwendige Form des Pachtvertrages steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gegenstand der Verpachtung, genauer gesagt, mit seiner Lage. Der Kamp liegt »infra opidum Sendenhorst« (innerhalb der Stadt Sendenhorst). Die Urkunde mag für Überwasser ein Versuch gewesen sein, den aufgewerteten, jetzt städtischen Besitz, eindeutiger abzusichern.

Für Bischof Ludwig bot sein Kirchdorf Sendenhorst außer der Lage am Fernweg nach Hessen noch weitere günstige Voraussetzungen zur Stadterhebung. Die Pfarrei war außerordentlich gut ausgestattet. Die Jahreseinkünfte eines Sendenhorster Pfarrers betrugen 1313 18 Mark Silber. Damit lag Sendenhorst im oberen Fünftel aller Pfarrkirchen des Bistums. Zum Vergleich sei ein Blick auf die Nachbargemeinden geworfen: Albersloh 7 Mark, Vorhelm 6 Mark, Enniger 4 Mark, Drensteinfurt 15 Mark, die beiden Pfarreien zu Ahlen 16 und 8 Mark. Die Bischöfe hatten das Recht, den Sendenhorster Pfarrer einzusetzen. Bereits um 1280 hatte der Ort ein bischöfliches Gogericht, das die Bischöfe aber immer wieder aus der Hand gaben36. Am westlichen Ortsrand, auf dem Wege nach Münster, der »Königstraße«, vor dem münsterschen Lehngut Tergeist, war der Freistuhl einer Freigrafschaft, über die die Bischöfe allerdings erst ab 1370 verfügen konnten. Sendenhorst lag im Kreuzungsbereich zweier Fernstraßen, der wichtigen Friesenstraße von der Nordsee über Münster, Wolbeck, Sendenhorst, Beckum zu den Salzstätten nach Soest und der nicht ganz so wichtigen Verbindung Dortmund-Drensteinfurt-Sendenhorst-Warendorf-Osnabrück37. Wie bedeutend und finanzstark die Pfarrei Sendenhorst bereits vor der Stadtgründung war, zeigt die leider 1854 abgerissene romanische Kirche im Mittelpunkt des Ortes. Mit ungefähr 400 m2 Innenraum übertraf die Sendenhorster Kirche die heimischen Dorfkirchen erheblich. Kein Zweifel, hier war für eine größere Bevölkerung gebaut worden38.

11. August 1315: Verpachtung eines Grundstücks in der Stadt Sendenhorst
(Übersetzung aus dem Lateinischen)39
Wir, Gottfried von Hövel, Offizial des Hofes und Domherr zu Münster, bekunden allen, denen dieser Brief bekannt wird, öffentlich, daß vor uns und den unten genannten Zeugen die verehrungswürdigen und in Christo geliebten Frau Christina von Rodorpe, Prioria, und der Konvent der Kirche St. Mariae in Münster, Orden des Hl. Benedikt, einerseits, den Brüdern Konrad und Johann Wolthardinc und ihrer Schwester Elburga andererseits den Kamp Woltherdinc, gelegen innerhalb der Stadt Sendenhorst, den früher Konrad Woltherdinc, Vater der genannten Brüder und ihrer Schwester, von ihnen für eine gewisse jährliche Rente besaß und der durch dessen Tod ihren Kloster frei zurückfiel, den genannten Brüdern und ihrer Schwester für eine jährliche Pacht von 8 Schilling münsterisch, innerhalb der Oktav St. Martini im Winter zahlbar, an die genannten Priorin und Konvent verpachtet und auf Lebenszeit den drei genannten Personen überlassen haben. Nach ihrem Tode soll er mit allem Recht an das Kloster zur freien Verfügung der Priorin und der Konvents ohne jede Einrede zurückfallen.

Zum Zeugnis werden das Siegel des Offizialats und die Siegel der ehrwürdigen Männer, der Herren Dietrich von Herringen, Propsts St. Pauli am Alten Dom, Gerhard von Angelmodde, Domkantors, Johann von Rhede und Wedekind, Domherren zu Münster, dem gegenwärtigen Brief angehängt.
Und wir, Dietrich von Herringen, Propst St. Pauli am Alten Dom, Gerhard von Angelmodde, Domkantor, Johann von Rhede und Wedekind, Domherren zu Münster, die wir den genannten Verhandlungen beiwohnten, sie sahen und hörten, haben unsere Siegel mit dem Siegel des Offizialats auf Bitten der Priorin und des Konvents diesem Brief anhängen lassen.
Gegeben und verhandelt im Jahre des Herrn 1315 am Tage nach St. Lorenz dem Märtyrer.


Die mittelalterliche Stadt

Von der mittelalterlichen Stadt des 14. Jahrhunderts hat sich kein einziges Gebäude, weder Stadttor, Rathaus noch Wohnhaus, erhalten. Aber unverändert seit beinahe 700 Jahren sind der Stadtgrundriß, die Hauptstraßenführung und die Lage der Pfarrkirche auf uns gekommen. Bis zum heutigen Tage läßt der Grundriß erkennen: die Stadt ist nicht im Laufe der Jahrhunderte planlos zusammengewachsen. Hier war keine Laune des Zufalls, sondern überlegte Planung am Werke. So wie die ersten amtlichen Vermessungen von 1830 die Stadt darstellen, so

Die hochmittelalterliche Pfarrkirche war im romanischen Stil erbaut. Die Pilaster mit Knospenkapitellen am West- und Südportal der jetzigen Kirche könnten von dem 1854 abgebrochenen Kirchbau stammen.

wird sie in wesentlichen Zügen bereits bei ihrer Gründung ausgesehen haben. Die Straßenfluchten mögen weniger geradlinig gewesen sein, die eine oder andere Erschließungsstraße fehlte noch. Aber folgendes Raster war schon im 14. Jahrhundert vorhanden: Im Mittelpunkt des umwallten, an den vier Ecken gerundeten, beinahe quadratischen Grundfläche stand die romanische Kirche mit wuchtigem Westturm und Querhaus, bei Stadtgründungen gerade 50 bis 100 Jahre alt. Von vier Seiten, von allen Himmelsrichtungen, konnte man in die Stadt eintreten. Die Nordstraße und Südstraße liegen nicht auf einer Achse, sondern sind planmäßig versetzt. Solch eine Straßenführung kennen auch andere Gründungsstädte, zum Beispiel Hamm. An der Ostseite des Kirchhofs, im Schatten des Chores der Pfarrkirche, befindet sich ein öffentlicher städtischer Platz, der Markt. Auch diese Art von Bebauung kennen wir von anderen Städten, von Beckum, Ahlen oder Werne. Die Bürger erhielten ihre Baugrundstücke an den Haupterschließungsstraßen zugewiesen. Dabei verfuhr man großzügig. Innerhalb der Wälle war reichlich Platz. Die Grundstücke waren tief, die Straßenfront breit, jedenfalls breiter und tiefer als in der Neuzeit. Seit jeher hatte der Pfarrer westlich der Kirche seinen Pfarrhof, der das gesamte Gebiet zwischen Schulstraße und Weststraße einnahm. Im Winkel zwischen Südstraße und Weststraße lag bischöfliches Sondereigentum, das Haus Sendenhorst, der Amtssitz des bischöflichen Gografen, vielleicht schon zu dieser Zeit, wahrscheinlich jedoch später, von der übrigen Stadt durch Graben und Zugbrücke getrennt. Sendenhorst hat niemals eine Stadtmauer besessen. Ein einfacher Graben mit innenliegendem Wall, darauf starke Holzbohlen oder Planken, schützten, genau wie in Ahlen zur Zeit der ersten Ausbauphase, das Stadtgebiet und seine Bürger40. Die Stadttore waren dagegen aus Bruchsteinen gemauert und entsprachen dem Bild, das man sich normalerweise von einer Stadtbefestigung macht. Weitere Befestigungen, Türme oder Torsicherungen, fehlten. Sie hätten die Leistungsfähigkeit der Sendenhorster Bürger überfordert, denn haltbare, witterungsfeste Bruchsteine gab es nicht vor Ort. Sie mußten mühsam von den Steinbrüchen des Sauerlandes oder der Baumberge herbeigeschafft werden.
Urkunde vom 11. August 1315. Erste Erwähnung der Stadt (in der 5. Zeile: infra opidum Sendenhorst, innerhalb der Stadt Sendenhorst).

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