Grundherrschaft und Siedlungsausbau 900-1100

»Seondonhurst, Gesandron, Elmhurst« - aus den Werdener Urbaren

Um das Jahr 880 veranlaßte der Abt des Klosters Werden an der unteren Ruhr, der Familienstiftung Bischof Liudgers die Aufzeichnung sämtlicher Besitzungen und Einkünfte. Nachforschungen und Notizen an Ort und Stelle waren notwendig, die dann im Kloster auf Pergamentblättern säuberlich festgehalten wurden >34)>. eine schreibkundige Kommission machte sich also auf den weiten Weg in den münsterländischen Dreingau, in das Kernmünsterland. Und so beginnen die Aufzeichnungen für unseren Raum: »In pago Dregini villa Ulidi…« (Im Dreingau, in der Siedlung Oelde …). So wie die einzelnen Siedlungen und Höfe aufgesucht worden waren, in derselben Reihenfolge wurden sie aufgeschrieben. Ohne Schwierigkeiten läßt sich der Reiseweg der Mönche nachvollziehen. Von Oelde, dem Anfangspunkt der Inspektionsreise, wandte sich die Kommission nach Südwesten. Über Beckum, Ahlen, Dolberg und Heessen - in diesen Siedlungen hatte die Abtei besonders viele Abgabepflichtige - erreichten die Mönche schließlich ihren abgabepflichtigen Hof in der späteren Heessener Bauerschaft Dasbeck (Thasbeki).
Nachdem Bauer Lethoc seine Verpflichtungen angegeben hatte, wandten sich die Mönche nach Nordosten, um die Besitzungen im heutigen Gemeindegebiet Sendenhorst aufzuschreiben. Irgendwo zwischen Bracht und Jönsthövel erreichten die Mönche den Sendenhorster Raum. Eine Gemeinde mit irgendwelchen Verwaltungsbefugnissen gab es zu dieser Zeit noch nicht, nicht einmal eine Pfarrei Sendenhorst. Deshalb zeichneten die Mönche die Namen der Siedlungen auf, gleichwertig und unterschiedslos nebeneinander, dazu die Vornamen der Pflichtigen und das, was sie abgeben sollten. Aus den Siedlungsnamen haben sich später oft Bauerschaftsbezeichnungen entwickelt. Sehen wir uns an, was die Werdener Urbare, die Abgaberegister, für Sendenhorst auflisten. Die Bauern werden nur mit ihrem altertümlichen sächsischen Vornamen genannt. Es wird nach Getreide, in der Regel Hafer oder Gerste, abgerechnet.
In »Gesandron« (Geilern) zahlte Focco 60 Scheffel Gerste und drei Scheffel Mehl. Mit 8 Pfennig, dem Heerschilling, kaufte sich Focco vom Wehrdienst frei, verlor dafür aber die Rechte eines freien Mannes. In der Nachbarschaft von Geilern verzeichneten die Mönche in der Siedlung »Hramashuvila« (Ramshövel; später Große und Lütke Kogge sowie Heinmann) die pflichtigen Bauern Hrodbracht und Eburger. Beide lieferten je 20 Scheffel Hafer und Gerste und ein Schwein. In »Braht« (Bracht) wohnte Arnold. Er lieferte 40 Scheffel Hafer und 8 Scheffel Gerste. Darauf ging es noch einmal nach Ramshövel zurück zum Hause des Eppo, der 3 Scheffel Mehl, 16 Pfennig und 8 Pfennig als Heerschilling zu leisten hatte. In Elmenhorst wohnten einige Leute, die statt Naturalabgaben einen geringen Geldbetrag zu zahlen hatten. Vielleicht waren es Knechte oder Handwerker, die für den Oberhof Elmenhorst arbeiteten. Vielleicht hatte das Kloster sie als »Wachszinsige« unter seinen besonderen Schutz gestellt. In »Elmhurst«, so vermerken die Register, zahlte Meinbern zwei Schilling (soweit er in der Lage war), Fastburn ebenfalls, Huno 6 Pfennig. Über Alverskirchen, Telgte, Greven und Münster erreichte die Kommission schließlich die Albersloher Bauerschaften Berl und Arenhorst. Daß man nicht von Sendenhorst direkt nach Albersloh ging, mag als weiterer Hinweis dafür gesehen werden, daß zwischen Sendenhorst und Albersloh noch keine Wegeverbindung bestand.
Rund 20 Jahre später, um das Jahr 900, ließ Werden ein weiteres Besitzverzeichnis anlegen. Dieses Mal war der Haupthof Werne an der Lippe Ausgangs- und Endpunkt der Bereisung. Die Aufzeichnungen halten sich nicht an die genaue Reihenfolge der Wegeroute. Die Namen der Besitzer haben gewechselt, die Abgabehöhe hat sich verändert. Neue Siedlungsnamen sind hinzugekommen. Das zweite Verzeichnis bringt die erste schriftliche Erwähnung des Ortes Sendenhorst: In »Seondonhurst« lieferte Blacheri 30 Scheffel Hafer, dazu Heerschilling und Heermalter. Zweifellos ist dieser Hof unter den Urhöfen der Eschsiedlung Sendenhorst (auf der Geist) zu suchen. Eine genauere Lokalisierung ist nicht möglich. In »Gesandron« (Geilern) hatte das Kloster auch dieses Mal abhängige Höfe. Aber Name und Abgabehöhe haben gewechselt: Wirinbold gab 10 Scheffel Gerste, Heerschilling und Heermalter. Ebenfalls aus Gesandron gibt Bauer Elfing 20 Scheffel Hafer, Heerschilling und Heermalter, dazu ein Tuch von 9 Ellen (4 m) Länge. In »Scurilinges miri« (Schierlingssumpf, Schörmel) wohnte Gerolf. Er lieferte dem Kloster 20 Scheffel Gerste, 36 Scheffel Hafer, für Heerschilling und Heermalter 12 Pfennig. Feidiko in Elmenhorst ist wiederum nur zur Zahlung eines kleinen Betrages von 2 Sickel verpflichtet.
Wir wissen nicht, auf welche Weise das Kloster Werden zu seinem umfangreichen Besitz im Dreingau gekommen ist. Die Höfe sind wohl nicht von Bischof Liudger dem Kloster Werden als Erstausstattung übergeben, könnten aber wohl von seinen Nachfolgern, den »Liudgeriden«, aus Familienbesitz überwiesen worden sein. Vielleicht wollte ein sächsischer Adliger durch die Schenkung der 

Der Hof Geilern lieferte Tuche nach Werden, die wahrscheinlich in solchen Grubenhütten gewebt wurden. Rekonstruktion eines Grubenhauses auf dem »Sachsenhof« bei Greven nach den Ausgrabungen des Museums für Archäologie (W. Finke) in Münster-Gittrup.
Sendenhorster Höfe sein Seelenheil sichern. Denn hundert Jahre nach den Sachsenkriegen war die christliche Lehre auf fruchtbaren Boden gefallen. Freie und Adlige wetteiferten in großzügigen Schenkungen an die Kirche. Hömberg hat berechnet, daß um das Jahr 1000 ungefähr ein Drittel allen Grundbesitzes in Westfalen in kirchliche Hände übergegangen war. Einschließlich des Zehnten beanspruchte die Kirche wenigstens 40% der Überschüsse aus bäuerlicher Arbeit35).
Die Abgabehöhe in den Werdener Urbaren zeigt: es muß sich durchweg um große Höfe gehandelt haben. Wer, wie Gerolf im Schörmel, 20 Scheffel Gerste und 36 Scheffel Hafer liefern konnte, der muß über Ackerflächen verfügen, die weit über das hinausgingen, was zum Lebensunterhalt einer bäuerlichen Familie notwendig war. Einige der Werdener Höfe, insbesondere Schörmel und Geilern, wird man sich wohl als regelrechte Gutshöfe, ähnlich den in Warendorf ausgegrabenen, vorstellen müssen. Neben einem stattlichen Haupthaus gab es hier Vorratsgebäude, Hütten und Grubenhäuser für Gesinde und Handwerker. Auf dem Hof Geilern wurden Tuche gewebt. Auf Geilern und auf dem Hof Arnolds (Bracht) gab es Mühlen, wahrscheinlich Handmühlen. Beide Höfe lieferten Mehl.
Der Besitz des Klosters Werden im Dreingau wurde vom Oberhof Werne aus verwaltet. Aber die Fernwege waren gefährlich und in einem schlechten Zustand. Selbst die regelmäßigen Lieferungen von Sendenhorst nach Werne waren mühevoll und kaum zu leisten. Erst recht war der weite Weg von Werne ins Ruhrtal nach Werden schlecht zu begehen und noch schlechter zu befahren. Eine regelmäßige Kontrolle der westfälischen Besitzungen war für das Kloster auf Dauer unmöglich. Werden mußte nach und nach den genauen Überblick über seine münsterländischen Besitzungen verlieren. Deshalb verkaufte oder tauschte das Kloster die weit entfernten, schwer erreichbaren Höfe mit dem Bischof von Münster oder mit anderen Klöstern des Münsterlandes.
Zur Zeit des Abtes Wilhelm, um 1050, war Werdener Besitz in Sendenhorst stark geschrumpft. Die Abgabelisten verzeichnen noch folgende Pflichtige: Von Elmhurst Ezzelin Geldabgaben von 3 Schilling, 11 Pfennig und 1 Obulus. In »Rinchove« (Rinkhöven) Lentfried 20 Scheffel Malz; für den Heerschilling 8 Pfennig; Hühner und Wein werden mit Geld abgelöst. Burchard auf der »Hare« (Hardt) 2 Scheffel Weizen, 12 Pfennig und 2 Schafböcke, ersatzweise 16 Pfennig, dazu den Heerschilling. Arbeitsleistungen, Wein und Hühner hatte er mit ein paar Pfennigen abzugelten. Folcmar auf der Hardt gibt 20 Scheffel Hafer, 10 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Weizen, im übrigen wie sein Nachbar Burchard. Zu dieser Zeit, in der Mitte des 12. Jahrhunderts, hatte Werden einige Ländereien gegen Lieferung von Hafer und Gerste verpachtet. Benno zum Hemme (frühere Bauerschaft im Südwesten der Bracht, auf der Grenze von Ahlen und Sendenhorst), Tiemo zu »Wis« (Wiesch, Wiese; Bracht), Gerburg zu »Sindenhurst«, der 8 Scheffel Hafer zu zahlen hatte. Damit enden die Nachrichten über Werdener Besitz in Sendenhorst. Zwar hatte das Kloster noch im 15./16. Jahrhundert Lehngüter in Albersloh, Alverskirchen, Drensteinfurt, Westkirchen, Freckenhorst und Warendorf, aber nicht mehr in unserer Gemeinde. Die zahlreichen Werdener Höfe des frühen Mittelalters waren entfremdet, getauscht oder verkauft worden.

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