Die ältesten Pfarreien des Münsterlandes

Bild: Karl der Große verleiht Liudger das brabantische Kloster Lothusa. Buchmalerei aus der Vita secunda Ludgeri, Berliner Nationalbibliothek ms. theol. lat fol. 233, fol. 8v. - Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Mit der Leitung der Mission im sächsischen Stever- und Dreingau, dem Kernmünsterland, beauftragte König Karl den Friesen Liudger. Nachdem endlich Frieden eingekehrt war, verstand es Liudger, erster Bischof in seinem Missionsbezirk, die Sachsen mit dem Glauben ihrer früheren Feinde zu versöhnen und ihre Herzen für die neue Lehre zu gewinnen. Von 793 bis zu seinem Tode am 29. März 809 arbeitete Liudger mit ganzer Kraft an dieser Aufgabe. Im Herzen seines Missionsbezirk, am rechten Ufer der Aa, wählte Liudger die Siedlung Mimigernaford, die man später Münster nennen sollte, zum Bischofssitz, zur gemeinschaftlichen Wohnung der Domkleriker und zum Ausbildungszentrum für den Priesternachwuchs. Noch vor dem Jahr 800 gründete Liudger einen Kranz selbständiger Pfarrkirchen, alle eine Tagesreise von seinem Bischofssitz entfernt: Ahlen, Werne, Dülmen und Billerbeck. Diese »Urpfarreien« hatten ein riesiges Gebiet, oft von der Größe der heutigen Kreise, zu betreuen. Die Arbeit war nicht zu leisten, und deshalb wurde das Netz engmaschiger geknüpft. Bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts entstanden weitere Pfarrkirchen.

Die landesgeschichtliche Forschung, insbesondere die Untersuchungen des münsterschen Domkapitulars Adolf Tibus und des ersten Lehrstuhlinhabers für Westfälische Landesgeschichte an der Universität Münster, Professor Albert K. Hömberg, haben viele scharfsinnige Beobachtungen darauf verwandt, eine lückenlose Stammgeschichte der heimischen Pfarreien zu entwerfen27. Schlüssig wiesen sie die zweite Generation der Pfarrgründungen rund um Münster nach, die Kirchen zu Greven, Telgte, Ascheberg, Lüdinghausen, Nottuln, Altenberge und Albersloh. Neuerdings sind Zweifel entstanden, ob die Entstehung von Pfarrbezirken so systematisch, so geradlinig, durch ständige Abpfarrungen und Verkleinerungen verlaufen ist. Mit Sicherheit gehört Albersloh nicht zu den ersten Pfarreien des Bistums, das steht seit 1965 fest. 1962-1964 ließ die Pfarrgemeinde Albersloh ihre Ludgeruskirche durch einen Anbau nach Osten hin erweitern. Im folgenden Jahr hatte das Landesamt für Denkmalpflege Gelegenheit, eine gründliche Flächengrabung im südlichen Seitenschiff und weitere Grabungen an verschiedenen Stellen der mittelalterlichen Kirche durchzuführen. Die Grabung erbrachte zwar bedeutende Funde (Münzen, Bronzeleuchter, Glasscherben, Grabanlagen), aber auch eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Alter der Pfarrei Albersloh. An der Stelle der heutigen Pfarrkirche Albersloh hat vor dem 11. Jahrhundert kein kirchliches Gebäude, weder aus Stein noch aus Holz, gestanden. Es hat also keine Großpfarrei Albersloh gegeben, zuständig für Drensteinfurt, Rinkerode, Amelsbüren, Venne, Wolbeck, Alverskirchen und Sendenhorst 28).

Es steht fest, die fränkischen Missionare haben Taufkirchen gegründet. Sicherlich hat Bischof Liudger die Grundlagen für weitere Kirchen gelegt. Ob aber damit ein geschlossenes, flächendeckendes Pfarrnetz ins Leben gerufen wurde, wird neuerdings mit einleuchtenden Gründen angezweifelt. Die Siedlungen des frühen Mittelalters lagen wie Inseln zwischen Wald und Ödland. Feste Abgrenzungen, Pfarrbezirke waren nicht möglich noch nötig. Erst als die Inseln sich durch Siedlungsausbau zu geschlossenen Siedlungsflächen verdichteten, waren der Zwang zu klaren Grenzen und die Notwendigkeit weiterer Kirchen gegeben 29). Solange Sendenhorst keine eigene Kirche hatte, mußten sich die Bewohner dieses Raumes nach einem Nachbarort, wahrscheinlich nach Ahlen, orientieren. Über die dunklen Jahrhunderte zwischen 800 und 1000 wissen wir kaum etwas. Auch die folgenden beiden Jahrhunderte sind schlecht dokumentiert. Neben der offiziellen christlichen Lehre hielten sich unglaublich lange heidnische Vorstellungen und Bräuche. Das Christentum war lange Zeit weit davon entfernt, das Leben der bäuerlichen Welt zu prägen. Das änderte sich sehr langsam, im Laufe von Jahrhunderten. Erst im 13. Jahrhundert kann man von einer zunehmenden Verchristlichung des Alltagslebens sprechen. Seit dieser Zeit bestand in der Bevölkerung ein wachsendes Bedürfnis nach geistlicher Betreuung, nach dem Empfang der Sakramente, nach Messe, Taufe, Segnung der Brautleute, Belehrung durch die Predigt.

Das Bedürfnis nach sonntäglicher Versammlung zum Gottesdienst an einem festen Kirchenort konnte auf zweierlei Weise erfüllt werden. An zentraler Stelle, dort, wo der Bischof einen Hof zur Ausstattung der Pfarrei beisteuern konnte, wurde eine neue Kirche begründet. Der häufiger eingeschlagene Weg war, einer bestehenden privaten Kapelle, eine Eigenkirche, die ein Grundherr nur für sich und seine Hörigen gebaut hatte, die Zuständigkeit für die gesamte Nachbarschaft, für alle Gläubigen in einem bestimmten Umkreis zu übertragen. Die Eigenkirche wurde in den Rang einer Pfarrkirche erhoben. Bei aufmerksamer Betrachtung lassen sich bischöfliche und eigenkirchliche Gründungen unschwer auseinanderhalten. Eigenkirchen haben geringe Pfarreinkünfte, einen kleineren Kirchbau, sind auf dem Hof weltlicher oder geistlicher Herren errichtet, die sich das Recht der Einsetzung des Pfarrers vorbehielten. So sicher wie die Pfarreien Alverskirchen, Hoetmar, Enniger, Vorhelm, Drensteinfurt und auch wohl Albersloh aus Eigenkirchen entstanden sind, so unzweifelhaft ist Sendenhorst eine bischöfliche Gründung. Dafür sprechen die stattlichen Ausmaße der romanischen Kirche des 13. Jahrhunderts, die überdurchschnittlich gute Ausstattung der Pfarrstelle, die planvolle Anlage auf einem zentralen Punkt, schließlich das bischöfliche Patronatsrecht. Folgende Punkte, am Rande angemerkt und als Indiz, nicht aber als Beweis ausreichend, sprechen für ein sehr hohes Alter der Pfarrkirche Sendenhorst: Die Sendenhorster Kirche ist dem hl. Martin geweiht, einem Lieblingsheiligen der fränkischen Eroberer. Martinskirchen haben meist ein hohes Alter. Als Sitz einer Freigrafschaft war Sendenhorst schon früh Verwaltungsmittelpunkt. Allerdings ist die Bezeichnung »Freigrafschaft Sendenhorst« erst im ausgehenden Mittelalter überliefert. Das Pfarrgebiet griff noch im 14. Jahrhundert auf die Nachbargemeinden aus, die Grenzen waren noch nicht parzellenscharf festgelegt. Zur Pfarre Sendenhorst gehörten im 13./14. Jahrhundert Wessenhorst (heute Enniger), Grevinghoff (heute Albersloh), Heringloh (heute Altahlen). Die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte zeigen, daß selbst unbedeutende Eigenkirchen bis in die Zeit um 1000 zurückgehen. Berücksichtigen wir die Dichte der Besiedlung um die Jahrtausendwende, die Größe und Ausstattung der Pfarrkirche, so können wir die Pfarrei Sendenhorst auf jeden Fall bis zum Jahr 1000 zurückdatieren. Weitergehende Aussagen sollte man sich solange versagen, bis Bodenfunde gesicherte Erkenntnisse ermöglichen.

Bis zur Gründung einer eigenen Pfarrei müssen sich die Sendenhorster nach Ahlen orientiert haben. Eine Verbindung nach Albersloh bestand weder siedlungs- noch wegemäßig. Zwischen die Bauerschaften West (Albersloh) und Elmenhorst (Sendenhorst) schob sich ein breiter Heidegürtel (Hinweis Flurname Grevingheide), nach Süden gefolgt von dem Waldgebiet Alst, daran anschließend von dem sumpfig - morastigen Brock. Die frühmittelalterliche Wegeverbindung von Sendenhorst nach Münster verlief bezeichnenderweise nicht über Albersloh. Die Fernstraße von Münster über Sendenhorst nach Soest zu den Salzstätten führte vielmehr über Wolbeck, überquerte bei dem bischöflichen Lehngut Brückhausen die Angel und lief westlich am Kirchort Sendenhorst vorbei durch die Bauerschaft Bracht und Hemme nach Süden 30). Westlich des Kirchdorfs Sendenhorst, dort wo der Hellweg einen kleinen Bach überquerte, war eine Brücke, die »Hellenbrügge«. (Aus der Bezeichnung »Hellenbrüggenbach« entstand der heutige Gewässername Helmbach.) Die zweite Verbindung von Münster nach Sendenhorst, über Albersloh führend, entstand erst lange nach Einrichtung des Pfarrsystems. Sie mußte auf die schon bestehenden Kulturflächen Rücksicht nehmen. Deshalb verläuft die heutige Landstraße Albersloh-Sendenhorst im weiten Bogen um die Ackerfläche »Geist«, der alten Eschflur, herum. Die Frage nach der Urkirche für unseren Raum kann eindeutig nicht beantwortet werden. Fassen wir zusammen: Für Sendenhorst und die übrigen gleichwertigen Siedlungen (Bauerschaften) des heutigen Gemeindegebiets können wir eine Orientierung nach Ahlen annehmen. Die Kirche St. Bartholomäus in Ahlen gilt als südöstlicher Pfeiler im Pfarrsystem des hl. Liudger. Beziehungen von Sendenhorst nach Ahlen waren zu jeder Zeit vorhanden, und bis in die Neuzeit stand der Süden Sendenhorsts, die Bauerschaft Jönsthövel, in engerer Beziehung zu Ahlen.


de.wikipedia.org/wiki/Liudger

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