2.4 Tagesablauf auf dem Hof Brüser um 1930

Das Leben und die Arbeit auf den Bauernhöfen um Sendenhorst spielte sich um 1930 in einer seit Jahrhunderten vorgegebenen Tradition fast immer auf die gleiche Weise ab. Nur mit harter körperlicher Arbeit, Pferdekraft und mit einfachen technischen Hilfsmitteln war die Arbeit zu bewältigen. Der elektrische Strom und die Anfänge der Mechanisierung brachten in den 30er-Jahren die erste Arbeitserleichterung.

Geweckt wurde im Sommer schon um 4.00 Uhr, im Winter eine halbe Stunde später. Während die Bäuerin zunächst das Herdfeuer anfachte, um dort in einem Kupferkessel Wasser für den Kaffee zu kochen, gingen der Bauer, der Knecht und die Magd in den Stall. Die Magd begann mit dem Füttern und Melken der Kühe und Schweine. Bauer Brüser und sein Knecht putzten und fütterten die Pferde und misteten die Ställe. Auf dem Hof Brüser gab es 4 Pferde, 20 Kühe und Rinder, 70 Hühner, einige Katzen und einen Hofhund.

Zwei Stunden nach dem Wecken gab es das erste Frühstück, meist Knabbeln mit Roggenkaffee, Milch, Schwarzbrot und Butter. Danach wurden die Pferde angespannt und es ging hinaus aufs Feld. Für das zweite Frühstück wurden Brote mit Schinken, Speck und Roggenkaffee mitgenommen. Um 2500 m² Land umzupflügen brauchte ein Pferdegespann mit Bauer oder Knecht damals den ganzen Vormittag - also einen Morgen. Um die Größe eines Hofes anzugeben nutzt man heute noch dieses Maß, wobei 4 Morgen einem Hektar gleich 10.000 m² entsprechen. Bauer Brüser besaß damals 160 Morgen Land. (9 ha Ackerland, 10 ha Wiesen, 13 ha Weiden, 6 ha Wald und 2 ha Unland)



Beim Pflügen: Bernhard und Heinrich Ringhoff mit Kind Hubert im Jahre 1937

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Pünktlich um 12:00 Uhr gab es Mittagessen und alle waren wieder auf dem Hof. Vorher hatte die Magd nochmals die Kühe gemolken und die Pferde hatten zu fressen und zu saufen bekommen. Nach einer zweistündigen Mittagsruhe, der sogenannten "Unterstunde", denn Pferde wie auch Menschen mussten neue Kraft schöpfen, ging es erneut aufs Feld. Zwischen Mittag- und Abendessen lag die Vesper, zu der Brote mit Marmelade und Roggenkaffee aufs Feld hinausgebracht wurden. Zum Abendessen gab es dann oft "Aufgewärmtes" vom Mittag, dazu Schwarzbrot, Speck und ab und zu Mehlpfannkuchen. Zu den abendlichen Stallarbeiten gehörte neben dem Versorgen der Pferde und der Kühe auch das Kochen des Schweinetopfes mit Buschen für den nächsten Tag, sofern es nicht die Kinder schon nach der Schuleerledigt hatten.

Je nach Jahreszeit gab es die unterschiedlichsten Arbeiten zu verrichten. Von Frühjahr bis Herbst: Mistfahren, Pflügen, Eggen, Säen, Hacken, Heuen und Ernten. Wegen der großen Fläche an Grünland brachte die Heuernte wohl die meiste Arbeit. Bauer Brüser hatte schwere Lehmböden und oft Probleme durch stauende Nässe. (Das Regenwasser lief von Feld und Wiese nicht ab.) Um die 40 Fuder Heu (ein Fuder ist ein großer Leiterwagen voll) mussten als Vorrat für den Winter eingefahren werden.

[Bild: Kecht Anton Suntrup beim Losschneidendes Getreidesfeldes im Jahre 1936]

Die Getreideernte schloss sich unmittelbar an die Heuernte an. Um mit der Mähmaschine das Getreide zu mähen, musste zunächst einmal das Feld rundherum mit der Sense "losgeschnitten" werden. Alle, auch die großen Kinder, halfen, das geschnittene Getreide zu Garben zu binden und zu "Richten" aufzustellen. Wenn dann der letzte vollgeladene Leiterwagen heimgefahren wurde, war dies ein Ereignis besonderer Art. Es war "Harkemai". Jubelnd und singend fuhren dann alle mit bis in die bis unters Dach volle Scheune. Der Erntekranz wurde gebunden und an das Scheunentorgehängt. Ausgiebig und ausgelassen feiert man das Erntedankfest.
Auch im Winter gab es für Bauer Brüser harte Arbeit. Das Holz wurde aus den Wallhecken geschlagen und zu Brennholz und Buschen (zusammen gebundenes Reisig) verarbeitet. Eintausend Buschen brauchte der Hof jährlich zum Heizen des Herdfeuers, Backofens und Schweinetopfes.
Für Bäuerin Brüser und ihre Magd begann nach dem Frühstück die Arbeit in Haus und Garten. Fünf Kinder waren zu versorgen. Das Mittagessen vorzubereiten brachte viel Arbeit. In der Woche gab es oft Eintopf. Das Gemüse für das "Durchgemüse" wurde im Bauerngarten geerntet. Besonders dicke Bohnen mit Speck, auch Sauerkraut waren sehr beliebt.

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Der gepflegte Garten mit Gemüse, Blumen und Heilkräuter für Mensch und Tier war Bäuerin Brüsers größter Stolz.

Einmal in der Woche wurde im großen Steinbackofen Brot gebacken und Knabbeln, im Herbst auch Pflaumen und Birnen als Vorrat für den Winter, getrocknet. Wäsche wurde alle 2-3 Wochen gewaschen.

Selbstgemachte Butter und die Eier holten kleine Händler vom Hof ab, um sie in Ahlen auf dem Markt zu verkaufen, weil in Sendenhorst selbst mit seinen vielen Ackerbürgern kaum Bedarf bestand.

Für den Eigenbedarf wurden jährlich vier Schweine mit einem Gewicht von fünf Zentnern geschlachtet. Das aufgefangene Blut wurde von Bäuerin und Magd mit Roggenschrot, Schrieven, Bauchspeck und dem Schweinekopf zu Wurstebrot verarbeitet. Nach jedem Schlachten freuten sich alle auf das Wurstebrot, das schon morgens in einer großen Pfanne mit einem langen Stiel über der Glut des Herdfeuers zubereitet wurde.

Bauer und Knecht auf dem Feld bei der Getreideernte. Mit dem, vom Pferdegespann gezogenen, Mähwerk wird das Getreide abgeschnitten. Die Halme legen sich an die hölzerne Handablage. Mit dem Hebel drückt der Bauer (mit Hut) den Lattenrost herunter und die Halme legen sich schön parallel auf dem Boden ab. Die Magd wird sie nun zu Garben binden und aufstellen. 25

Die Sonntagsruhe wurde bis auf das Versorgen des Viehs strikt eingehalten. Mit dem Kutschwagen, davor das beste Pferd in Sonntagsgeschirr, fuhr man in bester Kleidung, dem Sonntagsstaat, zur Kirche. Nach der Messe trafen sich die Männer an ihrem Stammtisch in einer Gaststätte, tranken "Klaren" und aßen Töttchen, denn sie waren ja nüchtern zur Kirche gefahren. Die Frauen waren in vielen Läden willkommen. Hier konnten sie ihren Kaffeeklatsch halten und gleichzeitignötige Haushaltsmittel und Textilien einkaufen. Erntearbeiten am Sonntag waren nur ausnahmsweise erlaubt. Nur wenn schlechtes Wetter drohte und der Pastor es von der Kanzel ausdrücklich gestattete, konnten die Bauern aufs Feld. Am Abend, wenn ein harter Arbeitstag zu Ende ging, verbrachte Familie Brüser, Knecht und Magd die Zeit bis zum Schlafengehen gerne im Sommer auf der Bank vorm Haus und im Winter am Herdfeuer. Dort handarbeiteten oder flickten die Frauen. Die Männer rauchten eine Pfeife und erledigten kleine handwerkliche Tätigkeiten. Es wurden Geschichtenerzählt und gesungen. Spätestens gegen 21:00 Uhr abends erlosch auch das letzte Licht auf dem Hof.

Aufgaben:

Wie viel m² hat ein Morgen Land.

Warum machte man nach dem Mittagessen eine längere Pause.

Was verstehst du unter "Harkemai".

Aus welchen Zutaten wird das bekannte Wurstebrot hergestellt.

Wann erlosch auf dem Hof das letzte Licht.

Bauer Heinrich Brüser beim Dengeln seiner Sense im Jahre1935


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