Nr. 29 Das Königliche Gnadengeschenk an die Abgebrannten von Sendenhorst

Im Laufe der Jahrhunderte wurde Sendenhorst oft und schwer von Feuersbrünsten heimgesucht. Die enge Bauweise, die nicht feuerfesten Baustoffe, das unzulängliche Feuerlöschwesen begünstigten die Ausdehnung, besonders, wenn noch die Winde das Feuer peitschten und von Haus zu Haus weitertrieben. Menschliche Hilfe war dann machtlos im Kampfe mit den Elementen. So wurden mehrfach ganze Stadtteile in Schutt und Asche gelegt, und der Bürger wurde seiner sauer verdienten Habe beraubt.

Im Wolbecker Tiergarten

Das größte Brandunglück, das Sendenhorst getroffen hat, war wohl am 29. April 1806, als innerhalb drei Stunden von den 280 Häusern 170 ein Raub der Flammen und für etwa eine halbe Millionen Mark Werte vernichtet wurden. Unbeschreiblich waren Jammer, Elend und Not. Wenn auch die Verluste etwa zur Hälfte aus Versicherungsgeldern gedeckt wurden, wenn auch der große Opfergeist anzuerkennen ist, der von auswärts kam und für die Unglücklichen 3304 Rthlr. brachte, so gewährten ihnen diese Beihilfen Trost und Hoffnung, aber den meisten nicht die Möglichkeit, ohne drückende Schuldenlast ein bescheidenes Heim wieder aufbauen zu können. Wer sollte und konnte da helfen?

Drei Jahre vorher hatten die Münsterländer in dem Könige von Preußen einen neuen Landesvater bekommen. Er hatte die feierliche Versicherung gegeben, ihnen mit "Königlicher Huld und Gnade und landesväterlichem Wohlwollen jederzeit zugetan zu sein." Im Vertrauen auf dieses Versprechen wendeten sich sofort die Bürger durch ihre Vertrauten, den Pfarrer Darup und Bürgermeister Kocks am 2. Mai 1806 mit einem ausführlichen Bittgesuch auf dem Instanzenwege an den König. Alle Behörden, besonders der Minister von Angern befürworteten das Immediatgesuch dringend und machten gleich praktische Vorschläge zur Hilfeleistung. Der König, von Mitleid gerührt, willfuhr sofort dieser Bitte. Schon bald ging das folgende in Urschrift noch erhaltene, vom König eigenhändig unterzeichnete Schreiben ein:

„Sr. Königliche Majestät von Preußen machen dem Pfarrer Darup u. Bürgermeister Kocks auf ihr Gesuch vom 2. May d.J. um Unterstützung und Beihilfe zum Wiederaufbau des am 29. April d. J. grösstentheile eingeäscherten Städtchens Sendenhorst nach dem nunmehr darüber eingegangenen Berichte des Staats Ministers von Angern hierdurch nachrichtlich bekannt, daß dieselben

1. für die Hülfsbedürftigsten der Abgebrandten = 260 Stück Bauholz aus Höchstder Forsten und zwar 1/3 tel für die ärmste Klasse ganz frey und 2/3 tel für die übrigen für die Hälfte der bestehenden Holz Taxe, accodieren, außerdem aber

2. für die unbemittelten Eingesessenen eine Geldunterstützung von 10000 Thalern, woran der Contributions Receptor Lange und Kämmerei Rendant Suermann, welche ihres pflichtmässigen Benehmens bey Rettung der Cassen und der Gerichts-Registratur vornemlich Theil nehmen sollen, aus der Disposions Casse bewilligen wollen, und daher dem gemäss das Nöthige, an den genannten Staats Minister dato erlassen, und zugleich den Wiederaufbau der abgebrandten Gebäude nach einem zweckmässigen Plan, um die dabei einzuführenden besseren Einrichtungen, vorläufig, genehmigt haben.

Charlottenburg, den 26ten July 1806. Friedrich Wilhelm.

An den Pfarrer Darup und Bürgermeister Kocks zu Sendenhorst."

 Die Freude über die Huld des Königs war natürlich groß. Das Schreiben wurde wie eine kostbare Reliquie behandelt. Mehr als 100 Jahre später schrieb jemand über diesen Gnadenerweis: "Da machte sich der erste Segen der neuen Preußischen Regierung bemerkbar." Ja, es wär so schön gewesen, wenn der König mit der Absendung des Briefes auch sofort die Absendung der Gelder veranlasst hätte. So blieb das Gnadengeschenk zur bitteren Enttäuschung der Hoffnungsfrohen überhaupt aus. Das Bauholz aus dem Tiergarten zu Wolbeck und dem Schuterholz zu Everswinkel konnte sich die Gemeinde holen. Hiervon wurde das Vermögen des Königs nicht so sehr betroffen, da ihm diese Holzungen durch die Säkularisation zugefallen waren. Im Herbste des Jahres 1806 brach das Unglück über Preußen herein, und durch den Frieden von Tilsit kam unsere Heimat unter die Herrschaft der Franzosen, so daß infolgedessen die Übersendung des Geldes unterblieben ist.

Schweren Herzens musste man sich in das Schicksal fügen. Man hätte nun erwarten sollen, daß nach dem glücklichen Ausgange des Befreiungskrieges das gegebene Versprechen eingelöst wurde. Das geschah nicht. Die Brandgeschädigten wirkten daher auf den Bürgermeister Langen ein, in einem erneuten Gesuche an das Gnadengeschenk zu erinnern. Sein Eintreten für die Bürger brachte ihm eine schwere Rüge von dem Landesdirektor ein, der es "nicht bloß Unbescheidenheit, sondern eine Zudringlichkeit erster Größe" nannte, "wenn die Stadt jetzt schon das ihr von des Königs Majestät unter obwalteten früheren, den jetzigen ganz entgegengesetzten Umständen zugesicherte Unterstützungs-Geschenk in Anregung bringen wollte." Der "Untertänige" Bürgermeister durfte nun keine weiteren Schritte mehr unternehmen. Statt seiner wagte der frühere Kämmereirendant Adolf Suermann, der besonders sehr geschädigt war, weil er in Pflichttreue die Kasse in Sicherheit gebracht hatte und dabei seine Habe im Stiche lassen musste, mit einem Gesuche direkt an den Oberpräsidenten von Vincke. Dieser sagte dem Bittsteller Erwägung seines Gesuches zu, nur müsse er den Instanzenweg innehalten. Endlich hatten diese Bemühungen etwas Erfolg. Durch Kabinettsordre vom 15. Oktober 1817 wurden die ersten 5.000 Rthlr. überwiesen, aber in entwerteten Staatsschuldenscheinen mit einem Werte von 3.569 Rthlr.

Mit dieser Spende hoffte die Regierung, die Sendenhorster zufriedenzustellen und deren Gemüter zu beruhigen. Man ließ sich auch einige Jahre hinhalten und hoffte noch immer, der König würde sich der Geschädigten erinnern und ihnen die Restsumme zukommen lassen. So ein Landesvater hat aber so viele Landeskinder mit Wünschen und Nöten aller Art, daß er die soweit abwohnenden Kinder mal vergessen.

Die Kinder vergessen aber auch leicht ein Versprechen des Vaters und erinnern zur gegebenen Zeit daran. Wiederum wurde der Kämmereirendant Suermann aufgemuntert, eine Eingabe an des Königs Majestät zu machen. Nach langem, vergeblichem Warten reichte er im Jahre 1823 ein erneutes Gesuch ein. Dieses Mal erweiterte er die Bitte dahin, ihm und seinen Leidensgenossen auch noch die Zinsen von dem vorenthaltenen Gnadengeschenk zu überweisen. Er musste sich aber bald dahin belehren lassen, daß eine Gnade keinen Rechtsanspruch darstelle und erst recht nicht verzinslich sei. Auf halbem Wege trat der Brief diese Rückreise an, damit er noch vervollständigt und die Frage der Bedürftigkeit geprüft würde. Zur Verdauung dieser bittern Pillen waren auch wieder mehrere Jahre notwendig. Manche waren schon daran gestorben und hatten einen schwachen Trost für ihre Hinterbliebenen mit ins Grab genommen.

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