Monsignore August Jakob Happe (1860-1951)

Pfarrer in den USA: Wohltäter und Ehrendomherr des Bistums Ventimiglia Mit freundlicher Genhemigung von Prof. Dr. Paul Leidinger aus Jahrbuch des Kreises Warendorf 2012, Seite 275 - 279

Wohnhaus und Geschäftshaus der Familie Happe an der 0ststraße gegenüber dem Rathaus und Kirchplatz

Zu den Sendenhorstern, die im Ausland ihren Lebensweg machten und zu Ehren kamen, gehört auch August Jakob Happe. Er erblickte am 9. Mai 1860 als ältestes Kind des Kupferschmiedes Franz Friedrich Happe im Hause Happe an der Oststraße im Schatten der Martins-Kirche das Licht der Welt. Der Vater stammte aus Beckum und war am 21. September 1828 als viertes von zehn Kindern des Kupferschlägers Jacob August Happe und seiner Frau Elisabeth Samson geboren worden. 

Als jüngerer Sohn der Familie war er nach Sendenhorst gezogen und hatte sich dort an einer der Hauptstraßen selbständig gemacht, wo ein Kupferschmied durch die zahlreichen Brennereien der kleinen Stadt ausreichende Arbeit erwarten konnte. Zwei jüngere Brüder von ihm waren seit 1860 in die USA ausgewandert und müssen dort ihr Lebensglück gefunden haben: Johan Hermann Happe, geboren am 13. März 1830 in Beckum, der mit 30 Jahren 1860 - wie zahlreiche Münsterländer zu dieser Zeit - als Schlossergeselle in die Neue Welt geht und am 24. Mai 1903 dort in Newport stirbt; Heinrich Bernard Happe, der bald nach ihm ausgewandert sein muss und am 18. Januar 1918 in Cincinnati stirbt, eine der deutschesten Städte der USA, in der auch eine Reihe Mitglieder der Warendorfer Familien Menge, Kappelhoff, Tovar und Leve u.a. damals lebten.1

Die elterliche Familie 



Von Sendenhorst über Rom in die USA und nach San Remo

August Jakob Happe machte nach dem Schulbesuch in Sendenhorst auf dem Gymnasium Laurentianum in Warendorf, damals noch für lange Zeit das einzige Gymnasium des Ostmünsterlandes, mit 18 Jahren im  Jahre 1878 das Abitur. Er begann danach das Theologiestudium in Münster, doch setzte er es wegen des Kulturkampfes in Preußen (1872-1878) am Collegium Germanicum in Rom fort, wo der Sendenhorster Joseph Spithöver damals lebte und zu Wohlstand kam. Die der katholischen Religion gegenüber restriktiven politischen Verhältnisse veranlassten August Jakob Happe, nicht wieder in seine münsterländische Heimat zurück zu kehren, sondern in die USA zu gehen, wo seine beiden dort weilenden Onkel ihm offensichtlich die Vorzüge der im Eiltempo sich entwickelnden Neuen Welt mit ihren neuen Städten, Industrie und weiten Landschaften sowie ihrer freiheitlichen Verfassung und liberalen Lebensart verdeutlicht und ihn nach dort gezogen haben. Er setzte jedenfalls hier sein Theologiestudium fort und empfing dort 1887 durch den Erzbischof von Milwaukee die Priesterweihe.

Danach war er 40 Jahre lang in verschiedenen Städten der USA bis 1927 als Pfarrer tätig. Dann kehrte er aber der Neuen Welt den Rücken und ging nach Deutschland zurück, wo ihm allerdings das feuchte Klima des Münsterlandes weniger behagte, aber auch nicht das politische Klima der aufkommenden NS-Diktatur seit Ende der 1920er Jahre. Über Süddeutschland, Wien und Meran fand er schließlich im oberitalienischen San Remo, nahe des italienisch-französischen Grenzortes Ventimiglia, seine neue Heimat. Darüber hinaus nutzte der 67-jährige rüstige Pensionär noch die guten Jahre seines Lebens zu Reisen nach Ägypten und zu den heiligen Stätten in Palästina.
2


Friedrich Müller, Westfälische Auswanderer im 19. Jahrhundert. Auswanderung aus dem Regierungsbezirk Münster, II. Teil: 1850-1900 (bearbeitet und fortgeführt von Norbert Henkelmann), in: Beiträge zur westfälischen Familienforschung 60, 2002, S. 42 Nr. 869; Paul Leidinger, Doris Day und Warendorf. Mitglieder einer Familien Kappelhoff, Menge und Topp in den USA im 19. Jahrhundert, in: Münsterland - Jahrbuch des Kreises Warendorf 59, 2010, S. 149-159.

2 Hans-Günther Fascies, Sendenhorster Priester auch in Amerika und Italien, in: ebd. 54, 2005, S. 120-125, hier S. 123 (Foto: S. 122).

Ehrendomherr des Bistums Ventimiglia
 

Die an der italienischen Reviera gelegene Stadt San Remo kam seinem klimatischen und kulturellen Lebensbedürfnis besonders entgegen. Sie wurzelt in römischer Zeit und lehnt sich an die gegen Nordwinde geschützten Berge an, so dass sie durch ihr mildes Klima den Wintermonaten ihre Kälte und Unwirtlichkeit nahm. Sie war ein beliebter Kurort mit internationalem Flair und lag nur 8 km von der Bistumsstadt Ventimiglia entfernt, die mit ihrer Kathedrale und ihrem Priesterseminar zu einem Zentrum der Wohltätigkeit August Jakobs Happe werden sollte. 

Die Grundlage dazu war sein Ruhegehalt als Pfarrer, das er in einer Lebensversicherung in den USA angelegt hatte. Sie überwies ihm dies an seinen Ruhestandort in San Remo in Dollar. Da die europäischen Währungen, insbesondere die italienische Lira, durch die Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg schwach waren, war August Jakob Happe durch seine in Dollar gezahlte Lebensrente im damaligen Nachkriegseuropa nach 1945 ein wohlhabender Mann, der selbst sich spartanische Sparsamkeit auferlegte, um nach dem Zweiten Weltkrieg zu helfen. Dies geht aus zwei Briefen im Familienarchiv Kleinhans, Sendenhorst, hervor.

Italienischer Totenzettel for Monsignore Augustino Happe

Am 18. August 1946 schreibt der inzwischen 86-Jährige seinem Großneffen Bernhard Kleinhans, Enkel seiner verstorbenen Schwester in Sendenhorst, aus San Remo, wo er in der Casa Sancta Marta, Sankt-Petrus-Straße, wohnte:

Lieber Bernhard! 3

Bei der Unmöglichkeit des Wiedersehens ist der Briefwechsel ein Hochgenuß, den ich allerdings mit Scham über meine unleserliche Schrift …… mit starken Augenschmerzen bezahlen muss. Du wirst also die (schlechte Schrift) entschuldigen 4 und es begreifen, dass ich gleich auf die praktische Seite übergehe. Mich freut’s nämlich, dass Du so mutig den Kampf mit der Lebensart (?) 5 aufnimmst. Sobald sich die Deutschen Tore für amerikanische Dollars öffnen, schreibe mir es, ich werde aus den USA einige herüberkommen lassen. Die Liebespakete kosten mir aber 1000 Lire das Stück, verschieden, hierher beordert, hier nicht übergekommen sind der Inhalt …. ….:Kaffee, Zucker sind ja schöne Sachen, aber bei heutigen Preisen entbehrbar. Ich habe in 6 Jahren keine Butter zu Gesicht bekommen, bin der einzige, der für etwa 5000 Lire im Jahr ein klein wenig Fleisch zum Mittagessen bekommt.6 Die Schwestern arbeiten mit einem großen Defizit, daß ich zum Glück decken kann. Sonst hätten wir kein heiles Dach über dem Kopf - und die Diözese hätte kein Seminar. Man will mich sogar aus Dankbarkeit zum Prälaten oder Monsignore oder Kanonikus (Ehrendomherr) machen, aber ich habe für jetzt wenigstens abgelehnt und der nächste Winter und die gefügte Zeit (?) werden mich wohl in die bessere obige Heimat befördern. Dort kommt man besser ohne Titel an.
Schreib also, ob von Amerika Geld geschickt werden kann. Ich werde sonst doch einige Pakete herüber kommen lassen. Was macht „Job“?
7

Mit herzlichen Grüßen an Mutter, Bruder und Bekannte


Dein A. J. Happe

 

3 Der Brief ist an seinen Großneffen, den Künstler Bernhard Kleinhans (1926-2004), gerichtet.
4 In der Tat ist die Schrift kaum zu entziffern und in manchen Wörtern und Passagen nicht aufzulösen. Daher die im Text enthaltenen Lücken.
5 Hier spricht der Briefschreiber wohl das schwere Schicksal der Kinderlähmung von Bernhard Kleinhans an.
6 Der Autor wohnt offenbar in einem Schwesternhaus, wo er auch beköstigt wird und in der Kapelle den Gottesdienst noch regelmäßig feiert. Der Brief verweist sodann auf die Verhältnisse der Ersten Nachkriegszeit, die auch in Italien von finanziellem Mangel und lebensmäßigen Einschränkungen bestimmt ist. Seine Dollar ausgezahlte Lebensrente wendet er - wie es scheint - überwiegend dem Schwesternhaus zu, in dem er wohnt, und dem Wiederaufbau des im Krieg offenbar zerstörten Priesterseminars des kleinen Bistums Ventimiglia, das ihm als Dank wohl ein Ehrenkanonikat angeboten sowie beim päpstlichen Stuhl in Rom die Verleihung eines Prälatentitels beantragt hat, die ihm beide kurz darauf zugekommen sein müssen.
7 Das Gemeinte bleibt unbekannt.
 

In einem zweiten erhaltenen Brief vom 10. März 1947 schreibt August Jakob Happe aus San Remo:

Meine Lieben!
Euer liebes Schreiben war eine herzerfreuende Unterbrechung einer fast tödlichen Einsamkeit. Zu dieser gesellt sich noch ungewohntes schlechtes Wetter, ständiger Regen und eine für mein Alter unangenehme Kälte und manche Entbehrung. Ich habe seit Jahren keine Butter, Käse, Schinken
 etc. auf dem Tisch gesehen, hatte auch niemals Feuer, weil diese Dinge einen schrecklichen Kaufpreis fanden, den ich in der letzten Zeit für ein kleines Ofenfeuer am Abend doch erlegt habe. Augen und Ohren versagen immer mehr den Dienst. Meine seelsorgliche Tätigkeit beschränkt sich daher auf das Messelesen. Der ungeheure Wert des Dollars und der ärmlich (?) niedrige der Lira ermöglichen aber eine sehr große Wohltätigkeit. Ich konnte eine Million Lire für die Wiederherstellung des zerstörten Seminars opfern. Leider ist der Weg dafür nach Deutschland nicht offen und die amerikanische Lebensversicherung, von der ich meine Einkünfte beziehe, will nur direkt an mich zahlen. Nach Friedensschluß werden sich hoffentlich die Sachen ändern. Ich kann dann Bernard vielleicht eine Studienreise nach Italien ermöglichen, die den rechten Abschluß seiner Kunststudien bilden würde. Leider bin ich fast 87 Jahre alt, und mit dem Tode hören auch meine Einkünfte auf. Sollte sich unter den hinterlassenen Büchern eines über Italien finden, kann Bernard ja vorher einige Studien machen.

Mein Beileid und Grüße der kranken Frau Happe

In Liebe! August J. Happe

 


Deutscher Totenzettel von August J. Happe

Der Brief weist auf die isolierte Situation des fern seiner Heimat weilenden alternden Autors hin, der den immer noch anhaltenden Mangel an Lebensmitteln und die unwirtliche Jahreszeit besonders erlebt, aber glücklich darüber ist, dass er seine in Dollar gezahlte Lebensrente wohltätig für das Schwesternhaus und den Wiederaufbau des Priesterseminars einsetzen kann, aber auch seinen Großneffen Bernhard noch in dessen künstlerischer Entfaltung durch eine Studienreise nach Italien helfen will, die dieser trotz seiner Erkrankung auch tatsächlich mit dem Motorrad durchgeführt hat. Die Hoffnung auf einen Friedensschluss 1947 zeigt, dass der inzwischen 87-jährige Briefautor die politische Situation der Nachkriegszeit in der Ära des Kalten Krieges kaum richtig verstanden hat. Aber er fühlt sich seiner Verwandtschaft in Sendenhorst weiter eng verbunden.

Noch wenige Jahre vor seinem Tod am 11. November 1951 im Alter von 91 Jahren erreichte August Jakob Happe die Ehrung als päpstlicher Hausprälat und Ehrendomherr der Kathedrale in Ventimiglia. Sie milderte die Einsamkeit seiner letzten Jahre in der selbst gewählten Fremde. Das Bistum Ventimiglia widmete ihrem Ehrenkanoniker einen würdigen Nachruf, der seiner Wohltätigkeit dankbar zum Ausdruck brachte. Die Heimatpfarrei St. Martin in Sendenhorst würdigte in ihrem Totenzettel den Verstorbenen damals als „ältesten Sohn“ der Stadt Sendenhorst, „der gleichzeitig zu ihren Verdienstvollsten gehörte“ und lobt an ihm, dass sich in seiner Person „größte Gottesgelehrsamkeit und mannhafter Bekennermut“ vereinigt haben.

In der Tat ist es ein bemerkenswerter Lebensweg gewesen, den August Jakob Happe entgegen manchem Zeitgeist mit stets klarer priesterlicher Zielorientierung, spartanischer Selbstbescheidung und zugleich großherziger Hilfsbereitschaft gegangen ist, der zugleich eine hohe geistige Fähigkeit voraussetzte, sich in unterschiedlichen Sprachen und Kulturen der Kontinente zu bewegen und zu bewähren.

Nach oben

Ahnenforschung
Blätterwald
Fakten
Geschichte(n)
Flughafen
Strontianitbergbau
Sammlung aus dem Archiv
In&Aus-aller Welt
Vereinigungen
Grundwissen
H. Petzmeyer
Kornbrenner
Quellen