Mit dem Flughafen kommt der große Ärger

Die Bevölkerung ist ungehalten über das Schweigen der Landesregierung. Landwirte verlieren ihre Existenz. Alle fragen: Wie stark wird die Belästigung durch Lärm? Albersloh / Sendenhorst (Eig. Ber.). Bis zum „schwarzen Freitag“, dem 13., war für sie die Welt noch in Ordnung. Wie ein Schlag ins Gesicht traf die Bauersleute in den Bauerschaften Alst, Ahrenhorst und Storp zwischen Albersloh (Kreis Münster) und Sendenhorst (Kreis Beckum) die Nachricht zum endgültigen Standort des neuen Großflughafens.

In Sorge: Bauer Anton Storm auf seinem Hof in Alst. Rechts: Verbittert: Dr. Lohmann vor dem St. Josef-Stift in Sendenhorst / Fotos: Revermann

 Völlig unvorbereitet kam der Tag der bitteren Erkenntnis: Haus und Hof, seit Jahrhunderten im Familienbesitz, werden verschwinden. Und die Bewohner der Orte um Alst, von Rinkerode über Alverskirchen bis Everswinkel im Kreis Warendorf haben Angst – Angst vor dem Lärm der Supervögel, die in wenigen Jahren hier, auf einem der größten Flughäfen der Welt, Tag und Nacht starten und landen werden. Die Stimmungsskala reicht von Unbehagen bis Empörung und Wut.
Die beiden Teenager, noch schulpflichtig und als Anhalterinnen von Albersloh nach Sendenhorst mitgenommen, können den Diskussionen um den Flugplatz noch eine amüsante Seite abgewinnen: „Wir sehen die Flugzeuge später von unserer Klasse aus – wenn wir sitzenbleiben… „ Aber damit hört der Humor auch schon auf, wenn man von der bitterernst gemeinten Ereiferung eines Bauern im Albersloher Gasthof Fels absieht: „Der Flughafen muß Albersloh heißen, darauf lass ich nix kommen.“ Ansonsten Resignation. Am Stammtisch kaum ein anderes Thema. Man rechnet: In Alst müssen 21 Höfe verschwinden, in Ahrenhorst 8, in Storp 2 – fast alles sehr gesunde Unternehmen und überdurchschnittlich produktiv, 122 Einwohner, so hat der Wolbecker Amtsdirektor Dr. Bernhard Löwenberg ermittelt, sind direkt betroffen. Zwischen 15 und 20 Gehöfte im Bereich Sendenhorst kommen hinzu.Aloys Homann-Niehoff (60), Bauer in Alst mit 190 Morgen Land und 70 Kühen und Kälbern, spricht auf dem 400 Jahre alten Familienbesitz schlicht von Lumperei. „Hätte man uns das nicht früher sagen können?“ fragt er verbittert und zeigt seinen erst kürzlich erbauten Maschinentrakt mit einer der modernsten Trocknungsanlagen. „Die 20.000 Mark und noch viel mehr sind weggeworfen.“ Vor drei Jahren hat er die Stallungen und Wohnhaus völlig umgebaut, bzw. modernisiert. „Und jetzt aus einmal weg? Nie kann man das ersetzen. Ich weiß nicht, ob ich Bauer bleiben werde….“Nachbar Anton Storm (69) reagiert nicht anders. Auh für ihn ist ein harter Schlag. Abschied von Hof mit 185 Morgen nehmen zu müssen. Er gehört wie alle anderen Bauern in Alst, Ahrenhorst und Storp zu denen, die sich nur schwer „verpflanzen“ lassen. „Voraussichtlich bleibe ich Landwirt.“
 
Sägewerksbesitzer Hermann-Josef Brinkschulte (54), einziger Gewerbetreibender in Alst, resigniert auf ganzer Ebene. 600 Jahre haben seine Vorfahren, Zimmerleute, keine Leibeigene, hier geschafft. Und in vergilbten Urkunden weist er stolz auf Unterschriften seiner Ahnen „freien Standes“. Die wirtschaftliche Seite  seines Unternehmens: Er hat neue Hallen gebaut, den Bau einer eigenen Trafo-Station beantragt, ist im Gespräch mit einem Industriekonzern im Ruhrgebiet über Ausbau und engere Zusammenarbeit. „Geschuftet und abgerackert – und wofür…?“ Die erste Auswirkung nach Bekanntwerden des Flugplatzstandortes betrifft seine Mitarbeiter. „Die Leute laufen uns weg, sie merken, dass hier nicht mehr viel los ist.“ Nur mühsam kann Frau Brinkschulte ihren Mann beruhigen. Zusammenschluß ist geplantIn den Bauerschaften  ist man sich noch unschlüssig. In den Randzonen weiß man noch nicht genau, welche Grundstücke benötigt werden. Man wartet auf den kommenden Montag, wenn in Düsseldorf nähere Einzelheiten im Rahmen des Generalverkehrsplans veröffentlicht werden. Wenn man näheres weiß, will man sich zu lnteressengemeinschaften zusammenschließen.
 
Unterstützt werden sie von landwirtschaftlichen Institutionen. Gestern abend haben die Geschäftsführer der drei betreffenden landwirtschaftlichen Kreisverbände die erste Zusammenkunft mit den Beteiligten unvermittelt nach Ostern beschlossen. Der Geschäftsführer der Kreisstelle Münster der Landwirtschaftskammer, Dr. Schulte, dazu: „Im Augenblick können wir noch wenig machen, weil wir noch nicht wissen, mit wem wir es als Grundstücksaufkäufer zu tun haben werden. Wir stellen zunächst sozialökonomische Untersuchungen an. Bei der Umsiedlung von Landwirten werden wir es sehr schwer haben. Und wir müssen vor allem an diejenigen denken, die am Rande liegen, die nicht aufgekauft werden, aber später vom Lärm betroffen sind. Das sind die Ärmsten der Armen."
 
Der Direktor der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe, Dr. Günter Müller, bestätigt das. "Wir haben zwar noch keine Erfahrungswerte sammeln können, weil landwirtschaftliche Betriebe an Großflughäfen in Deutschland selten sind. Aber man muß davon ausgehen, daß die Bauern an der Peripherie stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie kann man sich noch eine Hühnerhaltung beispielsweise vorstellen, wenn die Tiere sich bei jedem Lärm zusammendrängen?" Dr. Müller hat inzwischen einen Ausschuß bilden lassen, . der sich mit diesen Fragen näher befassen wird. Nach dem derzeitigen Stand der Planung wird der 3.100 zählende Ort Albersloh ganz im Schallwellenbereich des Flughafens liegen. Die Reaktion gleicht zwar nicht ganz der Panikstimmung in den drei Bauerschaften, aber erste negative Auswirkungen zeigen sich hier bereits wie anderswo:Ein Interessent für das erst kürzlich ausgewiesene neue Bebauungsgebiet Albersloh Süd - zum projektierten Flughafen hin gelegen – erklärt klipp und klar, er überlege, ob er jetzt überhaupt noch bauen soll. 
 
Bürgermeister Ernst Terlit von Alverskirchen ist Anrufen „bombardiert“ worden. Ein Bauwilliger voller Entrüstung zum Bürgermeister: „Da hab ich mir das idyllische Alverskirchen ausgesucht, den Baulatz bezahlt, meine Planung ist fertig, und dann kommt diese Geschichte!“Die Frau eines Beamten aus Münster bittet unsere Redaktion um eine genaue Zeichnung, „weil wir ursprünglich vorhatten, dort ein Schwedenhäuschen zu bauen“. Jetzt will sie sehen, ob das Gelände im Schallwellenbereich liegt.
 
Bürgermeister Ewald Rüschenschmidt (Bild), Albersloh, und sein Amtskollege Tertilt sind ebenso wie die Bevölkerung „überfahren“ worden. Sie sind über die mangelnde Information aus Düsseldorf geradezu empört. Sie unterstützen die Vorhaben der Bevölkerung, sich zu Interessengemeinschaften zusammenzuschließen, um gegeüber der Landesregierung eine stärkere Position zu haben.
 
Für die umliegenden Gemeinden gibt es Probleme über Probleme. Kann in den Schulen an der Peripherie des Flugplatzes noch unterrichtet werden? Ist es sinnvoll, weitere Bebauungspläne auszuweisen? Der Drensteinfurter Stadtdirektor Schwering beispielsweise rät den Bürgern, abzuwarten, bis endlich geklärt wird, welches Ausmaß die Lärmbelästigung erreicht. Der Beckumer Oberkreisdirektor Dr. Schulte gibt den Bewohnern im Raum Sendenhorst / Drensteinfurt einen geringen Hoffnungsschimmer: Auf seine Initiative hin soll überlegt werden, ob durch ein Zusammenrücken der Start- und Landebahnen eine Verlagerung der Hauptlärmzonen möglich ist. Was aber wird aus dem so bedeutungsvollen Erweiterungsbau des St.-Josef-Stiftes in Sendenhorst? Der neue Trakt der orthopädischen Klinik ist im Rohbau fertig. Kosten: Etwa sieben Millionen Mark. Direktor Dr. Lohmann: „Für Kranke ist überhaupt kein Lärm zumutbar!“ Dr. Lohmann ist äußerst verbittert über die Tatsache, daß man ihn seitens des Ministeriums in Düsseldorf regelrecht hingehalten und so gut wie nicht informiert hat. Dabei weist Dr. Lohmann nach, daß er schon vor Jahren als erste Informationen über einen Flughafen in diesem Raum bekannt wurden, um ausreichende Unterrichtung gebeten hat. Nicht einmal seiner Bitte, sich an Ort und Stelle am St. Josef-Stift in Sendenhorst zu informieren,  ist man nachgekommen. Wenn das St.-Josef-Stift, nur wenige Autominuten vom Flughafengelände entfernt, tatsächlich verlegt werden müsste, so würden mindestens sechs Jahre benötigt. Und: Das Sonderkrankenhaus ist eine Stiftung mit der Auflage, für die Bürger Sendenhorsts zur Verfügung zu stehen. Wie lassen sich solche Dinge vereinbaren? Noch sind, verschuldet durch die zu Recht kritisierte Geheimnistuerei des Verkehrsministeriums, zu viele Fragen offen. Abgesehen von den direkt betroffenen Bewohnern im und am Flugplatzgelände verkennen Bürger und Kommunalpolitiker nicht die enorm strukturpolitische Bedeutung des Großflughafens für das Münsterland. Und so lange bleibt ein großes Unbehagen, bis die Karten mit allen Details auf den Tisch gelegt werden. Zwischen Albersloh und Sendenhorst, zwischen Rinkerode und Everswinkel, hofft man auf bald… 
 
 

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