1813 - Die Kosaken in Sendenhorst

Die Stadt Sendenhorst hat in früheren Jahrhunderten nicht nur unter verheerenden Brandkatastrophen gelitten, sondern blieb auch in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen nicht verschont. Ein Kapitel davon konnte Bürgermeister Joseph Langen schreiben, der von 1810 bis 1820 Bürgermeister der seit 1315 mit Stadtrechten versehenen Kleinstadt Sendenhorst war.

Am Ahlener Damm, unweit des "Witten Poahls", soll 1813 ein Kosake beisetzt worden sein.

Ein kurzer Auszug seines Berichts spiegelt die Situation und das Ausmaß der Forderungen der russischen Quartierstruppen wieder. Er lautet: "Am 6. November 1813, des Nachmittags um 3 Uhr, rückten dahier 24 Cosacks, die Quartiermacher und ein Cosacks, der Schneider Commissarius, ganz unvermuthet ein. Diese machten Halt vor meiner Thür und drangen sich alle ohne Ausnahme in meiner Stube bei mir ein, umzingelten mich und verlangten augenblicklich und in der größten Geschwindigkeit
a) 50 Sack Hafer,
b) 15 Fuder Heu,
c) 15 Fuder Stroh,
d) 100 Pfähle von 5 Zoll stark und 3 Fuß lang,
e) 300 Wagenringsen oder Leitern,
f) 100 Fuder Holz,
g) 10 Fuder Bretter,
h) ein Generalquartier einschließlich Stallung für 40 Pferde,
k) 10 sechsspännige Wagen,
l) 25 Ordonanzen,
m) 25 Pferdeordonanzen,
n) einen gereinigten Platz zur Biwackierung und
o) für 1.500 Mann Bier, Branntwein und gutes Essen

Diese Forderung wurde in einer solchen Schnelligkeit verlangt, daß fast ein Jeder eine verschiedene Forderung machte und man dabey dergestalt zugesetzt wurde, daß man sein eigenes Worth nicht verstehen konnte; dabei hatten weder diese noch die Stadt Sendenhorst einen Dolmetscher, und man mußte sich daher so guth wie möglich verständlich machen." Bürgermeister Langen verfügte zum Glück über ein Lokalmagazin, dessen Haferbestand sofort den Kosaken übergeben wurde. Heu und Stroh beschafften sich die Soldaten mit Gewalt; selbst der Heuboden des Bürgermeisters wurde geplündert. Auf die gleiche Art besorgten die Kosaken Pfähle, Ringsen, Leitern, Bretter und anderes Holz. Den Quartiermachern des Kosakengenerals zeigte Bürgermeister Langen gemeinsam mit dem Beigeordneten Schwarze und den Munizipalräten Sulzer und Arnemann die besten Quartiere der Stadt, aber keines gefiel den Russen.

Bild: Das alte Pastoratsgebäude in Sendenhorst (Aufnahme: 2014), erbaut von Pastor Darup nach dem Großbrand des Jahres 1806. Vermutlich mussten 1813 in diesem Haus 30 Sendenhorster Schneider unter den Knuten der Kosaken Mäntel nähen.

Gegen Abend führten die Kosaken den Bürgermeister wie einen Arrestanten mit angelegten Pistolen zum Kosakengeneral, der sein Quartier bei den Truppen vor dem Tor genommen hatte. Nach einer Wartezeit von zehn Minuten stand der Bürger vor dem General, der angesichts des Bürgermeisters ein fürchterliches Geschrei erhob. Der anwesende Dolmetscher übersetzte, der General sei böse, weil er kein Quartier habe; seine Soldaten hätten sich beschwert, weil die verlangte Fourage nicht sofort geliefert worden wäre. Der Bürgermeister erwiderte, daß er vergeblich die drei besten Quartiere in der Stadt angeboten habe. Die Fourage sei unverzüglich angeliefert worden. Selbst die Bretter für eine neue Windmühle hätte man ins Lager geschafft. IWO Mann hätten im Lager gearbeitet und alles Verlangte in Ordnung gebracht.
Als der Dolmetscher dieses übersetzte, warf sich der General ungestüm auf einen Tisch und studierte eine große Landkarte. Der Dolmetscher bedeutete daraufhin dem Bürgermeister, daß diese seltsame und lautstarke Audienz beendet wäre.

Bürgermeister Langen ging. Der Dolmetscher folgte ihm auf dem Fuße und erklärte, der General wäre ungehalten, weil er als Bürgermeister keine Geschenke angeboten hatte. Den Soldaten fehle es an Mänteln; er möge doch den Stoff hierfür anbieten. Der Bürgermeister befolgte den Rat des Dolmetschers. Er suchte nochmals den General auf und nahm 120 Ellen Tuch für 12 Mäntel mit. Im Namen des Kaisers Alexander von Rußland begrüßte ihn nun der General mit Handschlag. Er bekam einen Stuhl angeboten und gleichzeitig den Auftrag, 30 Schneider zu beordern, ein Lokal anzumieten und 100 Lichter zu beschaffen. Die Mäntel müßten unverzüglich angefertigt werden.
So kam es, daß auf die Schnelle im größten Raum des Pastorats 30 Sendenhorster Schneider unter Prügel der Kosaken Soldatenmäntel nähen mußten.
Bürgermeister Langen hatte gerade das Problem mit den Mänteln gelöst, da überfiel ihn erneut der Dolmetscher in Begleitung mehrerer Kosaken und verlangte den baren Kassenbestand des Cantons Sendenhorst, eine Gratifikation in Bargeld und feines schwarzes Tuch zur Anfertigung von Kleid und Hose. Der Bürgermeister ließ notgedrungen schwarzes Tuch verabreichen, zahlte aus eigener Tasche 20 Kronthaler und gab dem Canton-Empfänger Devens Anweisung, gegen Quittung den baren Kassenbestand auszuzahlen. Noch mehr war Langen erstaunt, als  der Dolmetscher mit 6 Mann Begleitung zurück kam und eine Bescheinigung verlangte, daß er alles aus Stücken angeboten hätte.

Der Generalstab der Kosaken nahm in der Stadt Quartier, die übrigen Soldaten kampierten auf dem Kirchhof und teils vor der Stadt. Von den requirierten Brettern wurden Hütten gezimmert; die beschlagnahmten Leitern und Ringsen zu Krippen zusammengestellt. Am anderen Morgen warfen die Kosaken kurzerhand alles ins Feuer. Gerade diese Feuer der Soldaten hatten die Bürgerschaft die ganze Nacht hindurch Wache halten lassen, denn die auf dem Kirchhof und vor den Toren der Stadt angelegten großen Feuer drohten jeden Augenblick durch Funkenflug die strohgedeckten Häuser in Brand zu stecken.

Aus Angst vor einer neuen Brandkatastrophe (noch 1806 waren 154 Wohnhäuser in Schutt und Asche gesunken) wurden sämtliche Brandlöschgeräte in Bereitschaft gehalten. Nicht nur der Bürgermeister war froh, als die Kosaken um 6 Uhr morgens am 7. November 1813 über Warendorf in Richtung Halle weiterzogen. Ein einheimischer Bürger, J. D. Winkelmann, hat den Weg bis Halle gezeigt.

Aber nicht alle Kosaken hinterließen diesen Eindruck. So trafen am 17. Dezember1813, mittags 1 Uhr, 17 Kosaken mit 18 Pferden von Münster kommend in Sendenhorst ein. Auch sie erhielten Quartier und Fourage. Am anderen Morgen gerieten einige Kosaken wegen Trunkenheit mit ihnen Quartiersleuten in Streit. Die Bürgersleute hatten die Trommel ergriffen und durch Trommelklang in Windeseile über 100 Bürger nach Landsturmart mobilisiert. Sie waren mit Heugabeln, Sensen und anderen Geräten bewaffnet und hatten bereits zwei Kosaken zu Boden geschlagen, als Bürgermeister Langen eintraf. Er beschwichtigte beide Seiten. Sein Namensvetter Vikarius Langen bot sich als Ordonnanz an, den Russen den Weg nach Ahlen zu zeigen. Der Bürgermeister beschaffte einen Vorspannswagen, auf dem die zwei "blessierten " Kosaken nach Ahlen transportiert werden konnten. Ob auf diesem Wege ein Soldat verstorben und am „Witten Paohl“ an der Gemeindegrenze Ahlen-Sendenhorst bestattet worden ist, bleibt wohl ungewiß. Bürgermeister Langen hat diesen Vorfall in seinem Bericht nicht festgehalten, er ist ab er in einem anderen Beitrag zur Stadtgeschichte von Sendenhorst vermerkt.

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