Sendenhorst im 7-jährigen Krieg (1756-1763) (Teil I) - Im Spiegel der Stadtrechnungen

Sechs Jahre lang, von 1757 bis 1763, hatte Jobst Dufhues, Notar, Küster und Stadtsekretär zu Sendenhorst, die außerordentlichen Kriegslasten der Stadt aufgezeichnet, bewertet und berechnet. Nichts war ihm entgangen, nicht wurde vergessen. Mit peinlicher Genauigkeit vermerkte er jede Weißbrot, jede Kanne Branntwein, jedes Bund Stroh, von Sendenhorster Bürgern an die zahllos durchziehenden Truppen geliefert.

Europa zur Zeit des 7-jährigen Krieges

 

Jeder Krieg bedeutet Unrecht, Gewalt und Elend für die wehrlose Bevölkerung.  Das hatte auch dieser Krieg gezeigt. Aber gegenüber dem 30jährigen Krieg hatte die Kriegsführung ein paar Fortschritte gemacht, war die Kriegslast für die Zivilbevölkerung kalkulierbar geworden. Natürlich belasteten die vielen Einquartierungen und Durchmärsche die Stadt bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Aber nicht mehr der einzelne Bürger war der Willkür der Soldaten ausgesetzt, die Solidargemeinschaft aller zahlte. Was auch geliefert werden mußte, legal oder erpreßt, die Stadtrechnungen hielten es fest. Die Stadtkasse entschädigte.  Sekretär Dufhues' sorgfältige. genaue Rechnungsführung gibt eine plastische , eindringliche Vorstellung von der banalen aber deshalb nicht minder wichtigen Alltagsgeschichte eines Krieges, der oft nur unter den Namen von Schlachtorten, von Maria Theresia und Friedrich Il. (oder dem Großen) oder unter den geographischen Namen Schlesien, Kanada, Indien abgehandelt wird.

In einschlägigen Geschichtsbüchern ist nachzulesen: 1740 hatte Friedrich II. von Preußen widerrechtlich das Österreichische Schlesien erobert. Kaiserin Maria Theresia brachte 1756 eine große Koalition aus Österreich, Rußland, Frankreich und dem Deutschen Reich gegen Preußen zustande, das nur von England-Hannover. Braunschweig und Hessen-Kassel (sog. Alliierten) unterstützt wurde. Der Krieg endet 1763 mit der Bestätigung Preußens als europäischer Großmacht. England gewann in Indien und Nordamerika die koloniale Vormacht gegenüber Frankreich.

Nach den Sendenborster Stadtrechnungen begann der Krieg am 15. Juni 1757. Französisches Militär kontrollierte die Mobilmachung im Fürstbistum Münster.  Sendenhorst hatte einige Rekruten für die münsterschen Regimenter zu liefern. Damit die zukünftigen Soldaten nicht bereits vor ihrer Vereidigung desertierten, wurden sie von einem Kommando auf dem Weg nach Münster eskortiert. Bis in die zweite Jahreshälfte 1759 behaupten die Alliierten das Feld. Zunächst sind es nur kleine Truppen, Kommandos von drei bis fünf Soldaten auf dem Durchmarsch und für eine Nacht in Sendenhorst im Quartier.

Am 9. Oktober durchqueren vier hannoversche Regimenter die Stadt. Die Arrier-Garde lagert auf dem Kirchhof. Die Bürger müssen 30 Pfund Butter liefern. Drei Wochen später gehen die Regimenter Estorff und Block in Sendenhorst in Quartier.

Ende Januar 1760 muß die Stadt ein Regiment zu Fuß, eins zu Pferde aufnehmen.  Drei Kompanien Hessen nehmen in Sendenhorst ihr Winterquartier. Durch persönliche Vorstellungen in Münster, durch Suppliken (Bittschriften), versucht die Stadtvertretung, eine Moderation (Ermäßigung) der Steuern und Verpflegungsgelder zu erreichen. Das Ergebnis ist nicht bekannt.

Die beiden folgenden Jahre, 1761 und 1762, waren für Sendenhorst die schwersten  und aufregendsten des ganzen Krieges. Die ständigen Durchzüge und Einquartierungen waren für das kleine verschlafene Landstädtchen sicherlich Belastung, aber auch Abenteuer, Leben, Teilnahme am großen Weltgeschehen. Wenigstens die den Rat stellenden Führungsschichten mögen es so empfunden haben. Größere Truppenbewegungen wurden von einem Vorkommando angekündigt. Der Rat trat zusammen, und bei Branntwein, Bier und Wein wurden die Billets, die Quartierscheine, ausgestellt. Die Ratsmitglieder waren ehrenamtlich für die Stadt tätig. Umso willkommener waren ihnen daher Gelegenheiten zu kleinen Gelagen und Arbeitsessen auf Stadtkosten. In regelmäßigen Abständen vermerkt Stadtsekretär Dufhues in einen Rechnungen "vom versammelten Rat verzehrt''. Gegen Ende des Krieges lud der Rat auch wohl die Offiziere zu gemein amem Umtrunk ein, so November 1762 den Herrn Leutnant von Barthels Regiment und eine Woche später die Offiziere zweier englischer Regimenter.

Bild: Stadt Sendenhorst, Kirche und Markt am Ende des 7-jährigen Krieges: 1) Kirche,
2) Knabenschule, 3) Rathaus, 4) Pastorat, 5) Pastoratgarten. Man beachte die
Bebauung auf dem südlichen Kirchplatz. Sie wurde nach dem Brand von 1806 aufgegeben. Die Straße zwischen Pastorat und Kirchplatz wurde erst 1807 angelegt.

Im Frühjahr 1761 richteten die Hessen ein Artillerie-Lazarett ein. Für die Kranken war Schonkost - 86 Pfund Kalbfleisch - anzuliefern. Die Rekonvalisen wurden in Privatquartiere eingewiesen. Das hessische Lazarett bestand auch noch Anfang 1762. als Sendenhorst wieder von französischen Truppen kontrolliert wurde.

Immer wieder durchstreiften Kommandos von Husaren, Dragonern, Jägern oder Freikorps Stadt und Kirchspiel. Die Husaren kamen häufig des nachts. Hastig ließen sie sich Essen und Trinken sowie Heu und Hafer für ihre Pferde geben, und schon saßen sie wieder im Sattel und ritten weiter. Während der milden Sommerzeit nahmen die Soldaten nicht in den engen Häusern der Stadt Quartier, sondern lagerten vor den Toren der Stadt, im Freien. An der 0sten- und Nordenkapelle, vor der Nordpforte kampierten Sommer 1761 französische Truppen. In unangenehmer Erinnerung blieb das Trimbacher Korps, eine halbreguläre Truppe von Freischärlern, die vom 7. bis 18. Juli in der Bauerschaft Sandfort beim Hof Tüte lagerte und die Stadt mit überzogenen, unverschämten Forderungen erpreßte. Auf zwei Folioseiten listete der Stadtsekretär alles auf, was die Trimbacher verlangt, auch was sie an Hausgerät kurzerhand behalten hatten.
Die Offiziere forderten morgens, mittags und abends Kannen mit Wein. Den Gemeinen schickte die Stadt Kannen und Tonnen Bier, den Branntwein glasweise. Der Alkoholkonsum war enorm und trug sicherlich nicht dazu bei, die Trimbacher friedlicher oder gesitteter zu stimmen. Nicht genug, die Stadt mußte Kaffeebohnen, Tabak. ein neues Hemd, einen kupfernen Teekessel ins Lager schicken. Teekessel, eine Kaffeemühle, ein Kannenkrug, Kannen und Flaschen wurden anschließend als Verlust gebucht. Leider passierten die Trimbacher noch mehrere Male Stadt und Kirchspiel Sendenhorst. Und jedesmal waren große Lieferungen an Bier und Branntwein fällig. Unter normalen Umständen konnte ein Soldat an Verpflegung erwarten: Kaffee, Wein, Bier, Branntwein, Butter und Weißbrot. Fleisch blieb die Ausnahme. Gelegentlich mußte auch Tabak oder Schnupftabak ausgehändigt werden. So forderte ein Kommando von einem Offizier und zwölf Mann zehn Pakete mit sechs Tabakpfeifen. Daß Franzosen und Engländer eine unterschiedliche Küche führten, war schon im 7-jäihrigen Krieg der Fall. Wein, Butter und Weißwein forderten die Franzosen.

Die englische blaue Garde, die Ende 1762 in Sendenhorst einrückte, verlangte Handfesteres: Speck, Schmand, Weiß- und Schwarzbrot, Cabbes (Weißkohl) und „Kartuffelen". Diese Notiz ist besonders wichtig. Sie beweist nämlich den Anbau der Kartoffel in Sendenhorst vor Ende des Siebenjährigen Krieges. Auch die weiteren Lieferungen an die Engländer waren ähnlich nahrhaft: 36 Pfund Schwarzbrot, eine Kanne Schmand, ein weißer Kohl uop Pökelfleisch.

Am 15. November 1762 schlossen Engländer und Franzosen einen Waffenstillstand.  Von November 1762 bis Januar 1763 versorgte die Stadt abziehende, in die Heimatquartiere zurückkehrende Truppen, vor allem Engländer und Schotten.

Die letzte Notiz vom 26. Januar 1763 vermerkt die Ausgabe von Heu an abgedankte Dragoner von Hattorfs Bataillon. Endlich war, Gottlob, wieder Friede und Ruhe für die tausend Bürger des Städtchens Sendenhorst eingekehrt. 40 Jahre blieb die Stadt von Krieg und Einquartierung verschont, bis zu Beginn des neuen Jahrhunderts mit Preußen, Franzosen, Kosaken und wieder Preußen eine noch bewegtere Ära begann.

Bild links:
Sendenhorster Stadtsiegel aus dem 18.
Jahrhundert: Martin zu Pferde, seinen Mantel mit dem Schwert teilend.
Bild rechts: Notariatssiegel des Stadtsekretärs Taubenhaus (Dufhues), Unterschrift: Refugium innocentium (Zuflucht der Unschuldigen).

Geschichtliche Nachrichten im Protokollbuch des Sendenhorster Rates 1759-1780


Im Jahre 1756 erhielt der gebürtige Münsteraner Jodokus (Jobst) Hinrich Duffhues eine Bestallung Notar. Wenig später stellte ihn die Kirche zu Sendenhorst als Küster, die Stadt Sendenhorst als Stadtsekretär an. Bis zu seinem Tode 1780 führte er das „Stadtsbuch", das Protokollbuch von Rat und Verwaltung. Duffhues war nicht nur ein gewissenhafter, fähiger Verwaltungsbeamter. als aufmerksamer Chronist vermerkte er zwischen Rechnungen und Protokollen wichtige Ereignisse in seiner Stadt und im Fürstbistum Münster:

Anno 1759 den 25. Juli ist die Stadt Münster und Zitadelle von den französischen Truppen unter Kommando des Marquis Armenties eingenommen und sind die Hannoveraner unter Kommando des Herrn Generalleutnant von Zastrow zur Kriegsgefangenen gemacht und haben ihr Gewehr vor dem neuen Tor strecken müssen.

Anno 1759, den 20.November, ist die Stadt Münster und Zitadelle von den Hannoveranern unter Kommando des Grafen von Schaumburg, Lippe. Bückeburg vermittels eines abscheulichen Brands abgegangen und ist den französischen Truppen unter Commando des Rayon-Marechal de Camp der freie Abzug a. 22. Oktober.
 
Anno 1760 ist auf dem Rathalls öffentlich vom Bürgermeister und Rat folgende Schatzung eingewilligt (folgt Register der 1 1/2 fachen Monatsschatzung)

Anno 1760, den 20. Januar, haben drei Kompanien hessischer Truppen des Regiments von Toll da hier das Winterquartier genommen, welchen man frei Essen und Trinken geben müssen.

Anno 1761, den 10. Dezember. hat der Major von Oldenkop mit 90 Mann Hessen hier in der Stadt und drei Kompanien von Bartels Regiment das Winterquartier im Kirchspiel genommen, erstere sind am 14. April abmarschiert und den 24. April wieder kommen und in ihrem alten Quartier einige Tage geblieben.

Anno 1761, den 6. Februar, ist Clemens August, Kurfürst von Köln, Bischof von Münster, Paderborn, Hildesheim und Osnabrück im Herrn entschlafen.

Anno 1761, den 6. April, ist Maximilian Friedrich zum Kurfürsten zu Köln und im Jahr 1762. den 16. September, zum Bischof von Münster gewählet, so geboren den 13. Mai 1708.

Im Dezember 1762 ist Frieden geworden und hat der Krieg im Jahr 1757 sehren Anfang genommen.

Anno 1767, den 27. August haben lhro Kurfürstliche Gnaden Maximilian Friedrich zum neuen Schloß (Münster) den ersten Stein gelegt.

In diesem 1770ten Jahr sind die Feiertage abgesetzt.

den 26. Mai 1772 ist der Ostendamm über die Heide neu angelegt und ausgegraben worden.

Anno 1773 am St. Martin haben die Herren Jesuiten ihre Ordenskleider ablegen müssen und ist die ganze Gesellschaft zernichtet.

eodem Anno (1773) ist im Oktober der Südendamm neu angelegt und ausgegraben worden.

eodem Anno (1773). den 8. Juli, haben lhre Kurfürstlichen Gnaden Maximilian Friedrich den Einzug im neuerbauten Schloß gehalten.

Anno 1774, den 26. März, hat die Äbtissin von Brandenburg mit sämtlichen Fräulein das Golfeshaus Überwasser geräumt und den 30. März sind die Pferde und Kühe den Meistbietenden öffentlich versteigert.

In diesem Jahr 1775 sind die Trauerkleider abgeschafft.

Von dem 9. November 1775 bis dem 31. März 1776 sind in dieser Stadt an der leidigen Viehseuche 182 Stück Hornvieh  krepiert und 222 Stück kranke wieder gebessert.

Im März 1776 sind auf der Heide 700 Weide und Telgen in einer Kreuz-Allee gepflanzet

In diesem 1776. Jahr hat das Seminarium in dem hochadeligen Kloster Überwasser seinen Anfang genommen.

den 15. Januar 1777 ist das Kurfürstliche Schloß in Bonn abgebrannt

Anno 1778 ist der Wall von Süden bis Norden planiert

Anno 1779, sind die Straßen da hier Sendenhorst neu gemacht.

Anno 1780 ist der Nordenwall planiert.

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