Sendenhorsts Anschluß an die »große Welt« - Die Geschichte eines Bahnhofs

An der Ladestraße in Sendenhorst steht das Bahnhofsgebäude der Westfälischen Landeseisenbahn. Der verlassene Bahnsteig, Laderampen, Güterschuppen, Stationsräume und Fahrkartenschalter erinnern noch an die frühere Bedeutung des Bahnhofs zu einer Zeit, in der reger Personen- und Güterverkehr die WLE-Strecke belebte. Bahnhöfe haben ihre eigene Geschichte, auch der Bahnhof von Sendenhorst.

1903: Festag für Sendenhorst: Der erste Zug fährt ein!

Anno 1883 entstand die erste Strecke der Landesbahn von Warstein nach Lippstadt.  Dieser Strecke verdankt die Bahn auch ihre erste Bezeichnung »Warstein-Lippstädter Eisenbahn«. Im weiteren Ausbau folgten die Strecken Lippstadt- Beckum, Soest-Brilon Stadt, Borken-Burgsteinfurt, Stadtlohn Vreden, Wiedenbrück-Sennelager, Neubeckum-Warendorf. Als letzte Strecke kam 1903 die Strecke Neubeckum-Münster hinzu. In kurzer Zeit war das Schienennetz  der WLE von 30 km Länge auf 265 km ausgebaut worden. 1896 wurde die Bahn  in  »Westfälische Landeseisenbahn« umbenannt. Der Ausbau der Bahnstrecke Neubeckum-Münster war für Sendenhorst ein Lakaiereignis ersten Ranges. Die Tagespresse berichtete seinerzeit wie folgt:

21. April 1903
Ein Festtag. Heute nachmittag lief der erste Transportzug der Bahn Neubeckum-Münster, festlich bekränzt, in den hiesigen Bahnhof ein . Böllerschüsse  wurden abgegeben, und eine Kapelle aus Wolbeck musizierte.

14. Sept.
Polizeiliche  Abnahme der neuen Bahnstrecke Münster-Neubeckum.

18. Sept.
Die Abnahme der Bahn ist erfolgt. Die Einweihung der neuen Strecke erfolgt am 30. 9.1903

23. Sept.
Zwecks  Ausschmückung der Stadt zur Einweihung  der neuen Bahn fand eine Versammlung bei Klümper statt. -

25. Sept.
Fahrpreise der neuen Bahn nach Münster: 3. Klasse 0,90 M. hin und 1,30 M. zurück; 2. Klasse hin und zurück  1,90 M.-

30. Sept.
Sendenhorst im reichen  Flaggenschmuck. Feierliche Eröffnung  der neuen Bahn. Mit einem Sonderzug, der mit grünen Zweigen und bunten Fähnchen  geschmückt war, fuhren die Festteilnehmer  von Münsternach Neubeckum. Oberall wurden  die Festteilnehmer mit Böllerschüssen  begrüßt. Von Neubeckum ging es dann um  11 Uhr 40 zurück. Auf der Station Sendenhorst  sprach Bürgermeister Hetkamp. Die Festgäste blieben 40 Minuten lang zur Einnahme  des Frühstücks hierselbst. 500 Butterbrote  waren in fünf Minuten vergriffen. Nicht minder wurden die verschiedenen Fässer  Bier im Angesichte der sengenden Sonnenglut  leergetrunken. Auch der berühmte Sendenhorster Korn fehlte nicht. Um 12 Uhr langte der Zug wieder auf unserer Station  an, wo abermals ein festlicher Empfang stattfand. Vom Bahnhof aus wurde unter  Vorantritt einer eigens engagierten Kapelle  ein Fackelzug veranstaltet. Einen würdigen Abschluß fand die Feier im Saale des Herrn  B. Schramm durch einen Kommers, der die Teilnehmer bis zum frühen Morgen in der  fidelsten Stimmung beisammen hielt.

1.  Okt.
Die neue Eisenbahnstrecke wurde so  stark von Fahrgästen in Anspruch genommen, daß die Züge sich bedeutend verspäteten.

5. Okt.
Am ersten Tage wurden befördert nach Albersloh: 19 Personen, Alst 8, Angelmodde 167, Enniger 6, Neubeckum  89, Sendenhorst 28 und 2 Hunde, Tönnishäuschen  8, Wolbeck 138 und 10 Hunde,  Ennigerloh 11, Liesborn 2 und Wadersloh 1,  zusammen 477 Personen und 12 Hunde.

Sendenhorst hatte mit der Eröffnung der  Bahnstrecke Anschluß an die große Welt, an  das überregionale Schienennetz gefunden.  Die beschwerliche Zeit der Po tkutschenfahrt-  man fuhr bisher von Sendenhorstper  Postkutsche zur Haltestelle der Staatsbahn  in Drensteinfurt - war endgültig vorbei. Das Image des Ortes war durch den Bahnanschluß enorm aufgewertet worden. Dem Bahnhof von Sendenhorst als Ausgangspunkt für den Reise- und Güterverkehr war zentrale Bedeutung beizumessen.

Bild: Paul Haski (»Onkel Paul«), beliebter Sendenhorster
Bahnhofswirt von 1933 bis 1968

Über die Bauzeit und Baukosten des Bahnhofs Sendenhorst liegen keine Angaben mehr vor. In den Akten der WLE ist jedoch enthalten, daß die Gleisanlagen in  Sendenhorst bereits nach 10jähriger Betriebsdauer erheblich erweitert werden mußten. Für diese Erweiterung waren 326,3 cbm  Erdmassen abzutragen und 989,4 cbm aufzutragen. Das fehlende Erdreich ist damals von Münster angefahren worden und wurde der damaligen Baustelle Peterhafen entnommen. Die Baukosten für die Erweiterung  haben 31.200 RM betragen. Das am 18.9.1913 beschlossene und am 15.3.1914 genehmigte  Bauvorhaben konnte wegen Mangel an  Arbeitskräften durch den Ersten Weltkrieg erst Ende 1914 beendet werden. Der  Güterschuppen mußte 1919 erweitert werden.  Dieses Bauvorhaben kostete 13.480 RM  und ist vom Unternehmer Brandhove in Sendenhorst ausgeführt worden.  Dem Sendenhorster Bahnhof standen in den sieben Jahrzehnten seines Betriebes u.a. als  Bahnhofvorsteher vor: Heinrich (1903 bis 1912), Schulz (1912-1919), Wilhelm Knop (1919-1933), Hermann Kramer (1933-1945),  Theodor Fenke (1945-1948), Leonhard  Schuchardt (ab 1948), teilweise dem Bahnhofsvorstand  Ennigerloh unterstellt) und  Erich Ender (1967-1973). Zeitweilig befand sich im Bahnhof Sendenhorst die für die  Bahnstrecke Neubeckum-Münster zuständige  Bahnmeisterei. Der letzte Bahnmeister  in Sendenhorst war Adolf Kröger.

Einige Zahlenvergleiche geben einen Überblick über den Personen- und Güterverkehr:

 
Jahr         verkaufte Fahrkarten Tonnen Stückgut Wagenldg
1937 34.902 1.231 20.527
1947 96.585    790        34.081
1957 49.496    727            9.012
1967 30.942      341        17.450
1977 - -   11.032
1979 - -   11.937

Für die Zahlenangabe der den Bahnhof Sendenhorst durchlaufenden Personen- und Güterzüge ist das Jahr 1956 ausgewählt worden, weil zu der Zeit die besten Schienenverbindungen für Sendenhorst vorhanden. waren. 1956 verkehrten werktäglich 17 Triebwagenzüge, davon 2 Eiltriebwagen von Warstein nach Münster und 2 Triebwagen von Münster nach Sendenhorst und zurück, 3 Dampfzüge für den Personenverkehr und 4 Güterzüge. Der Personenverkehr mit Triebwagen ist am 31.5.1975 eingestellt worden. Der letzte Personenzug (mit Diesellok) verkehrte am 27.9.1975. Von diesem Zeitpunkt an war der Bahnhof Sendenhorst personell nicht mehr besetzt. Zu einem Bahnhof gehört die Bahnhofsgaststätte. Wenn auch seit fünf Jahren der Personenverkehr der WLE eingestellt ist und nur noch zwei oder drei Güterzüge am Tage den Sendenborster Bahnhof passieren, so hat sich die Bahnhofsgaststätte dennoch behaupten können . Sie wurde mit Vertrag vom 23.9.1903 an Anton Spiegel verpachtet. Ab 1.l.1933 war Paul Haski Bahnhofswirt von Sendenhorst. »Onkel Paul«, wie ihn seine Kundschaft scherzhaft nannte, stand bei alt und jung gleich hoch im Ansehen.
Seit dem 6.3.1968 ist Frau Änne Schmitz lnhaberin der bekannten Gaststätte. Das letzte große Ereignis für die WLE und damit auch für den Sendenborster Bahnhof war im Jahre 1949 die Einführung der Strecke Neubeckum-Münster in den Hauptbahnhof Münster. Genau wie bei der Einweihung 1903 empfing die Sendenhorster Bürgerschaft den Sonderzug aus Lippstadt mit großem Aufgebot. Die Stadt- und Feuerwehrkapelle musizierten. Die Ehrengäste des Zuges wurden von den Honoratioren der Stadt begrüßt. Damals dachte man noch nicht daran, daß bereits 27 Jahre später die zunehmende Verlagerung des Personenverkehrs von der Schiene auf die Straße dem Bahnhof Sendenhorst Bestimmung und Bedeutung nehmen würde.

Anmerkung der Red. 2014:

Seit 19XX ist die Gastwirtschaft Stammsitz des Sendenhorster Schalke-Fanclubs "Blaue Diamanten". Fr. Schmitz starb 2000?, die Gaststätte führt nun Fr. Steffi Pöttken.
Im alten Wartesaal des Bahnhofs entsand bereits 19XX eine über die Stadtgrenzen weit bekannte Gaststätte, die Titanic. Diese befand sich vorher am Ostgraben, musste von dort jedoch aufgrund von Schallemmissionen zur Ladestraße umziehen. Hr. Ulli Pöttken führt das Lokal.
Auch für die WLE gibt es Pläne, diese für den Personennahverkehr zu reaktivieren. Die Planung ging 2013 in die nächste Phase, sodass schon bald wieder Personenzüge nach Münster über Sendenhorst fahren könnten...]

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