Sendenhorst im ausgehenden Mittelalter - Zur Siedlungs- und Bevölkerungstruktur

Sendenhorst, seit 1315 als oppidum ( = Stadt) nachweisbar, umschloß mit Wall und Doppelgraben eine Fläche von 15 ha, Platz genug, um im 18./19. Jahrhundert 1200 Einwohner unterzubringen. Ganz anders sah es 300 Jahre früher aus. Nur 206 gewöhnliche Bürger über zwölf Jahren, dazu drei adlige Familien, Küster, vier Pförtner und elf Arme listet das erste Steuerregister von 1498 auf. Um 1500 betrug die Gesamteinwohnerzahl weniger als 300.

Landkarte von Ortelius 1580 (Ausschnitt, F. Bayer)

Auch wenn die Kinder nicht aufgeführt sind, können wir davon ausgehen, daß die Kleinfamilie überwog. Im Schnitt betrug die Größe der 75 Haushalte nur 2,7 Personen.16 Sendenborster waren alleinstehend, 18 lebten »cum uxore« (mit ihrer Ehefrau).

Siedlungstruktur im 15. Jahrhundert

Das 15. Jahrhundert war für das Münsterland eine unruhige, kriegerische Zeit. Um 1426 vergräbt ein Sendenborster Bürger sein Vermögen, einige Gold- und mehr als 1000 Silbermünzen, sicherlich aus Furcht vor Plünderern, auf einem Acker in der Bauerschaft Bracht, unweit der Straße nach Ahlen . Der Münzschatz wurde 1932 entdeckt und geriet in den Münzhandel. 1450 kam es zur Fehde wegen der Besetzung des münsterseben Bischofsstuhls. Die Städte des Münsterlandes, voran die Hauptstadt Münster, unterstützten den Grafen Johann von Hoya. Münster ließ Sendenhorsts Befestigung verstärken und ausbauen. Hier hielt es eine »koste«, eine Garnison. Wahrscheinlich wurde zu dieser Zeit auch der bischöfliche Hof, der spätere Drostenhof, befestigt. 1466 läßt das Domkapitel »mynes gnedigen Hern hues bynnen Sendenhorst« zimmern, decken und befestigen »dat dat nicht ume velle« (damit es nicht umfiele). Ein befestigter Stadtteil innerhalb der Stadtbefestigung entstand, grabengeschützt mit einer »nyen bruggen« (neuen Brücke). Eine weitere Befestigung lag vor dem Westtor an der heutigen Schulstraße. Die Familie von Retberg, als Stadtrichter und Grundbesitzer mit maßgeblichem Einfluß auf die Geschicke der Stadt, hatte dort ein Stein werk, ein massiv burgähnliches  Bauwerk, errichtet. Das Gebäude wird noch um 1700 als »Hohes Haus« in den Akten erwähnt. 
Bereits 1319, wenige Jahre nach der Ersterwähnung, werden Markt, Graben Oststraße und Osttor genannt. Wir können davon ausgehen, daß das nach den Himmelsrichtungen benannte Straßensystem von Anfang an vorhanden war. Andere Straßen und Wege wie Schleiten, Kühl, Placken, erst recht die Neustraße, entstanden wesentlich später. In der Nähe der Gräben, im 18. Jahrhundert von Leinewebern und Tagelöhnern bebaut, gab es um 1500 keine bebauten Grundstücke.

Seit 1542 wird die Stadt in nach Himmelsrichtungen bezeichnete Viertel eingeteilt. Die Besiedlungsdichte und Steuerkraft ist sehr unterschiedlich. Das Westerviertel (Südwest) hat nur 13 Häuser, ist aber besonders stark landwirtschaftlich bestimmt. Das Norderviertel hat 22, das Osterviertel 24 und das Süderviertel 31 Haushalte. Das Südviertel (Südost) erbringt die wenigsten Steuern. Die meisten Bewohner dieses Viertels werden nur mit sieben bis 21 Pfennig besteuert. Hier haben wir auch die größte Fluktuation: Zwei Drittel der Familien war 1498 noch nicht in Sendenhorst wohnhaft, war also aus Münster oder anderen Städten, ganz selten aus dem Kirchspiel, zugezogen. Kaufverträge, für die Zeit um 1500 zahlreich erhalten, haben vorzugsweise Häuser und Grundstücke an West-, Ost- und Nordstraße zum Inhalt. Soweit eindeutige Feststellungen möglich sind, machen wir eine bemerkenswerte Beobachtung. Die Grundstücke sind drei- bis viermal so groß wie im 18./19. Jahrhundert. Dort, wo sich heute drei, vier Häuser in geschlossener Bebauung aneinanderdrängen, stand um 1500 ein freistehendes Fachwerkwohnhaus, dazu Speicher, Hofraum und Garten. Bebaute Guncistücke wechselten mit unbebauten Gärten. Das Hinterland war tief, oft mehr als ein Morgen groß, und wurde meistens als Garten benutzt.
Innerhalb der Stadt gab es verschiedene steuerfreie Grundstücke im Eigenturn der Kirche. Dem Pastor gehörte die gesamte Fläche zwischen heutiger Schulund Weststraße. Südlich und östlich der romanischen Kreuzkirche aus dem 12. Jahrhundert schoben sich die Häuser bis an die Kirche heran. Schließlich hatten auch die drei Vikarien Johann Baptist, Katharina und Fabian & Sebastian eigene Grundstücke und Häuser.

Bevölkerungsgliederung um 1500

Die große Mehrheit der Sendenborster lebte dürftig, hart an der Grenze des Existenzminimums. 17 Familien werden 1542 so hoch besteuert, daß man bei ihnen einen gewissen Wohlstand voraussetzen kann. Diese »Oberschicht« stellte die Bürgermeister, zeitweilig auch die Stadtrichter und führte die Verhandlungen mit Nachbarstädten und Landesherrn. Sie betrieben meist Landwirtschaft auf Zeitpachtgütern rnünsterischer Klöster und Stifte vor den Toren der Stadt Sendenhorst.

Am Beispiel der Sippe Sandweg-Rodde-Mensing soll im folgenden das Umfeld einer typischen Ackerbürgerfamilie des 15./16. Jahrhunderts veranschaulicht werden. An der Schulstraße hatten die Sandwegs seit altersher Haus, Hof, Garten und Speicher. Ihre Grundstücke grenzten an den Freckenhorster Hof Schöckinghof (heute Hotel Siekmann). Zum Familienbesitz gehörten umfangreiche Ländereien zwischen Weststraße und Nordgranen. in der Bauerschaft Sandfort bewirtschafteten sie die namengebende »Sandwegeshove«. Es bestanden verwandtschaftliche Verbindungen nach Münster, Ahlen und Beckum. Evert Santweghe und seine Frau Else besaßen 1517 nicht nur zwei Häuser in Sendenhorst, sondern auch ein Haus in Münster auf der Bredenstraße. Ein Jahr später kam1 Evert jedem seiner vier Kinder ein Haus in Sendenhorst oder Münster vermachen. 
Katharina, Evert Santweghes Tochter, heiratete Bernt ton Broke vom Hof Schulten Hinrichs in der Bauerschaft Brock. Bernd war eigenhörig. Seine Gutsherrin Lyze Vagedz ließ ihn frei, und der Rentmeister zu Wolbeck nahm ihn in die Dienstmannschaft des Stifts Münster auf. Offensichtlich war ursprüngliche Leibeigenschaft kein gesellschaftliches Makel. 
In den folgenden Jahren wurden in der Familie Sandweg mehrere Erbansprüche vertraglich geschlichtet. Wir erfahren von Häusern auf der Weststraße, Oststraße und am Kirchhof. Die Kämpe zwischen Stadtgraben und Pennynckstrate bis zum Vorenkamp waren Familienbesitz. Durch gezielte Käufe wurde der Besitz in der Stadt (Häuser) und vor den Toren (Grundstücke) vermehrt. Wer eine Sandweg heiratete, durfte mit einem stattlichen Brautschatz rechnen: Gärten und Ländereien; Pferde, Kühe, Schweine, Speck und Roggen; Betten, Zinnkannen und Hausgerät. 
Nachfahren und Erben der Familie Sandweg waren die Roddes aus Münster. Im 16. Jahrhundert gehörte ihnen neben dem Sandwegsehen Besitz in der Stadt die Berlinghove (Keweloh) und die Duckenhorch (Quas-Möllmann) in der Bauerschaft Sandfurt Johann Rodde war 1590 Abt zu Liesborn . Uber Elisabeth Rick, Tochter der Elisabeth Rodde, kam der Besitz an die Familie Mensing. Die Mensings waren nicht mehr an den Gütern ihrer Vorfahren in Sendenhorst interessiert. Sie wurden verpachtet, brannten ab, wurden abgerissen. Um 1800 zahlten sie vier Taler an die Stadtkasse für die Grundstücke an der Schulstraße, auf denen um 1500 das Haus der erfolgreichen, für Sendenhorst bedeutenden Familie Sandweg gestanden hatte.

»Seondonhurst« (in den Werdener Heberegistern aus dem Anfa ng des 9. Jahrhunderts),
»Sendinhurst« (in denen von Freckenhorst),
seit 1139 schon in der heutigen Form Sendenhorst,
bedeutet »Gericht (Synode, Send) am Walde«. Es ist der Name des Hauptstuhls der Freigrafschaft »in platea regia prope oppidum Sendenhorst ante curtiam dietarn thor Ghest«. (jetzt Tergeist) . Zu dem großen Freistuhlbezirk gehörten noch die Freistühle in den Bauerschafte n Halene, Oestrich und Hohe Wart bei Albersloh.

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