Sendenhorst - Deserteure brandschatzten die Tockenburg

Wiedertäufeunruhen auch in Sendenhorst - Die Wiedertäufer sind für Münster das, was der Rattenfänger für Hameln ist, ein Stück Sage und Historie. Doch wie verhielt es sich tatsächlich damals, vor 450 Jahren?

Schon um 1525 konnten in Münster die neuen Glaubenslehren Fuß fassen. Bernd Rottmann, Kaplan aus St. Mauritz, und Lübbert Cansen, Kaplan an St. Martini, waren die ersten und eifrigsten Verfechter. Münster wurde bald Zufluchtsort der von Katholiken und Lutheranern gleicherweise verfolgten Wiedertäufer. Am 27. Februar 1534 trieb die aus Holland verstärkte Glaubensgemeinde der Wiedertäufer in religiösem Fanatismus unter lauten Rufen: "Wehe, wehe, tuet Buße, tuet Buße!" alle Altgläubigen aus der Stadt Münster hinaus. Mit der Taufe aller Anhänger erklärten ie die Zeit des "neuen Reiches Gottes auf Erden" für gekommen, das "neue Sion" sei da.

Nach dem Tod des Wiedertäuferpropheten, des Bäckers ]an Mathyzoon aus Haarlem, errichtete der Schneider Jan Bockelson aus Leyden innerhalb der Stadtmauern von Münster seine Diktatur. Er selbst ließ sich zum König von Sion salben. eben ihm führte der münsterische Tuchhändler Bernd Knipperdollinck das gefürchtete Richtschwert, eiferte der Gildehauser Pastor Bernd Krechting in
den religiösen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Ideen der neuen Kinder Gottes. Ein Aufstand idealistischer Wiedertäufer gegen die Einführung der Vielweiberei durch König )an, der selbst 16 Frauen nahm, wurde unterdrückt. Der Schneiderkönig ließ Münzen schlagen mit der Inschrift: "Ein König, aufrecht über alle, ein Gott, ein Glaube, eine Taufe" und zeigte die Kunst zu regieren auch in einer wahren königlichen Hofhaltung am münsterischen Domplatz. Und was bescherte er dem Wiedertäufervolk? Restlose, schärfste Zwangswirtschaft in Ernährung, Kleidung sowie im Gesellschaftsleben. Es gab Rationierung, Anbauzwang, Massenspeisung, vaterländische Hilfsdienste, Kleiderbeschlagnahme u.a.m .. Es folgte die Aufhebung des Privatbesitzes, die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung einer unentgeltlichen Arbeitspflicht Alles sollte der Entwicklung und Vollendung des Wiedertäuferreiches dienen.

»Das Reich des himmlischen Jerusalems«, wie die Wiedertäuferbewegung auch genannt wurde, hatte zahlreiche Sympathisanten sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden. Münster, das damals an die 15000 Einwohner zählte, hatte allein in acht Tagen einen Zulauf von 1400 Wiedertäufern zu verzeichnen. Während der Belagerung der Stadt zeigten auch die im östlichen Teil des Bistums Münstet gelegenen Städte Warendorf, Beckum und Ahlen nicht nur Antipathie für die Münsteraner. Wenn auch der Belagerer, Fürstbischof Franz von Waldeck, von Nachbarsfürsten und Landsknechten, Geld und Geschützen unterstützt wurde, sob lieb ihm die Einnahme der Stadt vorerst verwehrt. Zudem verließen die Soldaten des Fürstbischofs in großen Scharen ihre Fahnen.

Die Flüchtigen, die nicht gegen die Wiedertäufer kämpfen wollten, wandten sich nach Sendenhorst und steckten dort einen Hof des Gerd von Plattenberg, die sogennante Tockenburg, in Brand. Der erzürnte Bischof gab dem Rittmeister Bernhard von Westerholt den Befehl, die Meineidigen zu verfolgen, den Rädelsführern die Köpfe abzuschlagen, den übrigen zwei Finger der rechten Hand.

Die Deserteure hatten sich in Sendenhorst auf dem im Süden der Stadt gelegenen Jungmannsehen Hof verschanzt, der mit einem Graben umgeben war. Hier setzten sie sich takräftig zur Wehr. Der bischöfliche RitterTheodor von der Recke und sein Vetter, ein Domherr, warfen den Schlagbaum aus und sprengten mit den Reitern auf den Hof. Dort wurden sie von einem Kugelhagel empfangen. Der Ritter fiel tot vom Pferd, der Domherr blutete aus vielen Wunden . Die übrigen zogen sich zurück und schickten einen Reiter ins bischöfliche Heerlager, um große Geschütze kommen zu lassen.

Als damit die neue Belagerung begann, verloren die Ausreißer den Mut und ergaben sich auf Gnade und Ungnade. Sie wurden nach Wolbeck gebracht und in die dortige Kirche eingesperrt. Das Kriegsgericht verurteilte alle zum Tode. Es wurden jedoch nur die Rädelsführer hingerichtet, die anderen hingegen begnadigt. Nach 17monatiger Belagerung fiel Müns ter in der Nacht zum 24. Juni 1535. Der »König« und seine »Minister« Krechting und Knipperdollinck wurden gefangengenommen, die Täufergemeinde weitgehend  niedergemetzelt. An einem Januartag des Jahres 1536 erfüllte sich das Schicksal der Wiedertäuferführer. Auf einem Blutgerüst vor dem Rathaus zu Münster wurden sie mit glühenden Zangen zu Tode gequält. Ihre Leichen wurden als abschreckendes Beispiel für nachkommende Geschlechter in Eisenkäfigen hoch oben am münsterischen Lambertiturm aufgehängt.

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