Sand- und Kiesgruben zwischen Enniger und Sendenhorst

Durch das Münsterland zieht sich ein schmaler, flacher Kiessandrücken mit einer Länge von über 70 km und einer Breite von kaum 1 km. Der Rücken nimmt seinen Anfang bei Ennigerloh und verläuft im großen Bogen über Enniger, Sendenhorst, Albersloh, Hiltrup,Münster weiter in nordwestlicher Richtung nach Neuenkirchen bei Rheine und Haddorf.

Wegen seines bogenförmigen Verlaufs sprach Professor Dr. Th. Wegner den Kiessandrücken als Endmoräne an, die das nordische Eis während der Eiszeit an seinem Rand aufschüttete. Doch ergaben neuere Untersuchungen, dass es sich bei dem eigentümlichen Gebilde um einen Bachlauf handelt, der sich wohl schon in der Voreiszeit tief in den Kreidemergel eingeschnitten hat. Denn die Sand- und Kiesmassen lagern, wie zahlreiche Bohrungen ergaben, in einer Rinne.
Nordische Gerölle durchsetzeten die stellenweise vom Eisen leuchtend bran gefärbten Sand- und Kiesmassen. Diese großen rundlichen Steine, Granite und Porphyre, trug das Eis während der Eiszeit aus dem hohen Norden bis in unsere Gegend. Als das Eis schmolz, blieben sie liegen. Zwischen Tönnishäuschen und Sendenhorst stieß man bei Baggerarbeiten in ziemlicher Tiefe auf einen solchen besonders großen und schönen Stein, einen etwa 2m langen und 1,50 m hohen Findling. Dieser grobkörnige Granitgneis stammt wahrscheinlich aus Südschweden .Wir können ihn im Garten der Gastwirtschaft "Zur Waldmutter" bewundern. Mit Zustimmung des Besitzers trug die Naturschutzbehörde den Findling in das Naturdenkmalbuch des Kreises Beckum ein.
Der Kiessandrücken stellt einen der wichtigsten Wasserträger des Münsterlandes dar. Aus ihm entnehmen mehrere Städte ihr Trinkwasser. Das durch den Sand gefilterte Wasser zeichnet sich durch besondere Güte aus.

An zahlreichen Stellen des Kiessandrückens baggert man die Sande und Kiese ab. Auf diese Weise entstehen größere, stellenweise recht tiefe Gruben. Da aber der Wasserspiegel im Kiessandrücken verhältnismäßig hoch liegt, füllen sich die tieferen Baggergruben bald mit sauberem Wasser. An manchen Orten holen sogar Schwimmbagger das wertvolle Material aus der Tiefe.
Nach der Ausbaggerung bleiben die meisten wassergefüllten Gruben sich selbst überlassen. Im sauberen Wasser und am Ufer finden sich nach wenigen Jahren, ohne daß der Mensch auch nur im geringsten dazu beiträgt, selbständig Wasser- und Sumpfpflanzen ein. Wasservögel und der Wind tragen die Samen herbei. Und in kaum einem Jahrzehnt verwandelt sich die einstmals öde, verlassene Baggergrube in einen reizvollen See. Die schöne Landschaft und das klare, tiefe Wasser führten zur Anlage einiger Freibäder im Münsterländischen Kiessandrücken (,,Steiner See" bei Hiltrup, "Natursee" bei Neuenkirchen, "Hadruper See" bei Haddorf).
Ein landschaftlich besonders hübscher See befindet sich zwischen Tönnishäuschen und Sendenhorst schräg gegenüber der Gaststätte "ZurWaldmutter". Auf seiner Wasseroberfläche schwimmen Teppiche aus kleinen Wasserlinsen oder Entengrütze. An anderen Stellen schaukeln die braunen, ovalen Blätter des Schwimmenden Laichkrauts Abb. 3)oder die gelappten Blätter des Wasserhahnenfußes, dessen kleine weiße Blüten im Frühling über die Wasseroberfläche ragen. Die weitaus größte Fläche aber nehmen dichte, von Luftblasen an der Wasseroberfläche gehaltene Massen aus mikroskopisch kleinen Grünalgen, sogenannte Algenwatten, ein, so daß man glauben möchte, das•Wasser sei verschmutzt. In Wirklichlkeit können diese Algen aber nur im sauberen Wasser gedeihen.

Ein dichtes Röhricht aus unserem höchsten Gras, dem Schilf, und aus Breitblättrigen Rohrkolben, bei uns „Lampenputzer“ genannt, rahmt den See größtenteils ein. Im Röhricht wachsen der Froschlöffel, der mit kleinen blaßlilafarbenen Blüten blüht, der Gifthahnenfuß, eine saftige, hellgrüne Sumpfpflanze mit kleinen gelben Blüten, aber dicken, grünen Fruchtständen, sowie seltene Binsenarten. Während sich auf feuchtem Boden an das Röhricht Gebüsche aus Grauweiden anschließen, trägt der trockene Boden am Rande des Sees bunte Sandtrockenroden. In ihnen blühen in hellroter Farbe der Kleine Vogelfuß und der Hasenklee, himmelblau die Schafskabiose oder Jasione gelb das Silberfingerkraut, die Nacht- und die Königskerze.
Abb.: Die gelben Blüten der Schwarzen Königskerze sind zu einer langen Ahre vereint.
File:Blässhuhn Fulica atra Richard B II.jpgIm Gefolge der Pflanzenwelt finden sich im und am See zahlreiche Tiere ein. Tausende von Schlamm- und Ohrschnecken kriechen auf den Wasserpflanzen umher. Ihre leeren Schneckenhäuser liegen in Massen am Ufersaum. Wie die Schnecken in den See gelangt sind, bleibt ein Rätsel. Die Fische, darunter Hechte, dagegen hat man eingesetzt. Nähern wir uns dem See, so plumpsen Teichfrösche, die sich gern am Ufer sonnen, vor uns ins Wasser und stecken ihre Köpfe in einiger Entfernung vom Ufer über die Wasseroberfläche, um uns zu beobachten. An vielen Tagen schallt ihr Konzert bis zur Straße. Im Röhricht brüten grünfüßige Teichhühnchen und auffallend viele Bläßhühner. Erstere erkennen wir leicht am roten Stirnschild und roten Schnabel, letztere am auffallend weißen Stirnschild (Blesse) und weißen Schnabel. Ueber dem Wasser tanzen bunte Libellen. Auf dem trockeneren Sand schleicht die braungrüne Kreuzkröte, die wir an ihrer längs über dem Rücken laufenden gelben Linie von der sonst ähnlichen Erdkröte unterscheiden.

Aus der einstigen öden Baggergrube entstand eine interessante, natürliche Lebensgemeinschaft aus Pflanzen und Tieren, die sich noch heute von Jahr zu Jahr vermehren. Die Lebensgemeinschaft wird also reicher. Um sie zu erhalten, wurde der Antrag gestellt, diese und andere verlassene, wassergefüllte Sand- und Kiesgruben als Naturschutzgebiete auszuweisen. Dem Antrag zufolge sollen durch die Unterschutzstellung weder der "Baggerbetrieb noch die Trinkwassergewinnung in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Auch sollen Jagd und Fischerei gestattet bleiben. Hoffen wir, daß die Eigentümer gern ihr Einverständnis zur Unterschutzstellung geben, so daß uns damit nicht nur ein kleines, reizvolles Fleckchen Erde, sondern auch eine natürliche Lebensgemeinschaft und zugleich ein Denkmal aus der Eiszeit für immer erhalten bleibt.
Ranunculus aquatilis (plants).jpg
Abb.: Die Blätter und die weißen Blüten des Wasserhahnenfußes schwimmen auf der Wasseroberfläche

Nach oben

Ahnenforschung
Blätterwald
Fakten
Geschichte(n)
Grundwissen
H. Petzmeyer
Kornbrenner
Quellen