Mustergültig für eine Kleinstadt" - Sendenhorst vor 175 Jahren

SENDENHORST - "Mustergültig für eine Kleinstadt" - Sendenhorst vor 175 Jahren- Ein Lebensbild aus früherer Zeit. Wilhelm Kleinhans, der Begründer des Heimatvereins von Sendenhorst 1925, lebte von 1883 bis 1932. Er hat um die Mitte seines Lebens anschaulich ein Lebensbild von Sendenhorst vor 100 Jahren aufgezeichnet,das nunmehr nach ca. 75 Jahren wiedergegeben werden soll. Wilhelm Kleinhans schrieb u.a.:

Sendenhorst Mitte, vom Kirchturm aus, Blick auf Schulstraße links - vor der Sanierung 1970

"Als unsere Vorfahren sich hier ansiedelten, wählten sie den schönsten und höchstgelegenen Punkt für die Wohnung ihres Herrgottes aus. Rund um die Kirche bauten sie ihre Wohnhäuser und tauften die auf die Kirche mündenden Straßen nach den vier Wunden. Das gleichmäßige Straßenbild verdankt Sendenhorst einsichtigen Männern nach dem Brande vom 29. April 1806. Damals war es möglich, durch Regulierung und Austausch ein gutes und gefälliges Stadtinnere zu schaffen. Auf der Ausstellung in Düsseldorf wurde der ausgestellte Stadtplan als mustergültig, für eine Kleinstadt hingestellt.

Nach diesem Brande wurde auch die jetzt noch bestehende Umnummerierung der Häuser vorgenommen. Die Zahl der Häuser ist in den Stadtvierteln nicht wesentlich verschieden. So zählten anfangs das Ostviertel 78, das Südviertel 79, das Westviertel 60 und das Nordviertel 64 Wohnhäuser.

Das kirchliche Leben leitete um die Jahrhundertwende Pfarrer, Landdechant und Domkapitular Darup. Er sah im Jahre 1806 die Flammen aus dem Kirchturm und aus dem Pfarrhaus zum Himmel steigen. Dazu wurden innerhalb drei Stunden 129 Wohnhäuser in Asche gelegt. Das Feuer nahm auf dem Schleiten seinen Anfang und verbreitete sich, begünstigt durch Strohdächer und Sturmwind, über die ganze Stadt. In seiner Fürsorge ließ der Pfarrer auf seinen Grundstücken vor dem Nordtor mehrere Feldziegeleien anlegen und erwirkte im Bistum die Abhaltung von Kollekten. Das landesherrliche Geschenk zur Linderung der Not in Höhe von 10.000 Talern konnte infolge der Unglücksjahre Preußens nur zur Hälfte ausgezahlt werden. Im Jahre 1833 wurde vom Preußenkönig noch ein Rest von 2.000 Talern gegeben. Ein großer Teil der Häuser wurde damals auswärts gezimmert und hier aufgestellt, so daß heute noch ein ziemliches Ebenmaß bei vielen Häusern zu bemerken ist. Für sich baute der Pfarrer das einfache und wirkungsvolle Pfarrhaus mit der schönen Eingangstür. Im Jahre 1834 ließ Pfarrer Darup die Glocken hier am Orte durch den Franzosen Boitel umgießen.

Die Gründung der Jünglingssodalität ist ihm ebenfalls zu verdanken. Als einen ihrer guten Zwecke berichtet der Pfarrer, daß sie sich in Not und Tod beistehen, einem Mitbruder das letzte Geleit geben mußten. Bei feierlichen Leichenbegräbnissen wurden auch vielfach die Sodalen eingeladen und nachher mit Zwieback und Schnaps bewirtet. Der Ertrag der vielen Kollekten stellt der Nächstenliebe ein gutes Zeugnis aus. So brachte eine Kollekte für das große Brandunglück in Appelhülsen, wobei 76 Familien ihr Obdach verloren, 105 Taler und 10 Groschen. Eifrig wurde in den zwanziger Jahren auch schon gesammelt für den ursprünglich geplanten Erweiterungsbau der Kirche. Seinem Nachfolger Lorenbeck konnte Pfarrer Darup dafür bereits an 9.000 Taler hinterlassen. Während früh er der Pfarrer sein Auskommen hatte, mußten sich die Hilfsgeistlichen redlich durchschlagen.

Die Beerdigungen fanden bis anfangs der vierziger Jahre auf dem Kirchplatz im Schatten der Kirche und der Linden statt. Über die Kirchenbedürfnisse vor 100 Jahren sind genaue Aufzeichnungen vorhanden. So gebrauchte man 35 Quart Wein, 50 Quart Oel, 29 Lot große und 26 Lot kleine Hostien und 66 Pfund gelben und 2 Pfund weißen Wachs. Der Küster war gleichzeitig der Ausrufer, der mit der Schelle durch die Stadt ging. An den Sonntagen verlas er nach dem Hochamt das Publikandum. Z u seinen Geschäften gehörte ferner das Läuten. In der Läuteordnung sind bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg, als das elektrische Geläute eingeführt wurde, im Laufe der Zeit wenig Veränderungen eingetreten.

Am Schleiten in Sendenhorst brach 1806 der große Stadtbrand aus

Ein eigentümlicher Gebrauch war es, daß des Nachmittags um zwei Uhr das Ende des Mittagschläfchens angekündigt wurde. Es wurde eine Pause von der kleinsten der drei großen Glocken geläutet. Diese Glocke führte im Volksmund den Namen "Tweeuhrklock". Sie wurde 1918 abgeliefert. Zu Beginn und nach Schluß des Frühjahrs- und Herbstmarktes wurde von den Torpförtnern geläutet. Politisch gehörte Sendenhorst nach der Säkularisation bis zum Jahre 1815 zum Kreise Warendorf und kam dann nach Beckum. Die Zugehörigkeit zu Warendorf machte sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder geltend, und die Beziehungen zu Warendorf sind stets lebhafter gewesen als zur Kreisstadt Beckum. Erst mit dem Bahnverkehr hat der Verkehr mit Warendorf nachgelassen. Mit dem 1. Juli 1824 wurde eine Botenpost von Warendorf über Sendenhorst nach Hamm geschaffen, die dienstags- und freitagsmorgens um 5 Uhr von Warendorf ausging. Damals hatte Sendenhorst zwei Postverbindungen. Die andere, eine Reiterpost, ging von Münster über Sendenhorst in der Richtung nach Soest.

Auch der Handelsverkehr nahm bis vor 100 Jahren seinen Weg vom Paderborner Lande über die alte Hansestadt Soest, über Sendenhorst, Münster nach Holland. Hier übernachteten die Gespanne und brachten der Stadt Verkehr und Verdienst. Aber mit der Schiffbarmachung der Lippe und mit dem Chausseebau von Paderborn nach Lippstadt, Soest, Ramm und Münster wurde Sendenhorst brachgelegt. Die breit angelegte Landstraße nach Ahlen erinnert noch an diesen Verkehr. Nun ersann man eine andere Möglichkeit, den Verkehr aus dem Süden über Sendenhorst, Warendorf nach Osnabrück zu leiten, und plante einen Chausseebau nach Hoetmar. Während sich die Sendenherster darum stritten, welcher Weg der billigere sei, bei Niemanns oder Quantens Kreuz vorbei, wollten die anderen Gemeinden nicht mehr mittun. Der in Enniger wohnende Bürgermeister verstand es sogar, den Chausseebaufonds für seine Heimatgemeinde zu entleihen. Der um 1900 geplante Bahnbau von Hamm über Sendenhorst, Warendorf nach Bünde war der letzte vergebliche Ansturm nach dieser Richtung. Auch das jetzt in Ahlen befindliche Amtsgericht war bis 1818 in Sendenhorst.

So blieb Sendenhorst abseits der großen Straße liegen und nahm eine stille, ruhige Entwicklung. Die 294 Wohnhäuser, die es 1828 hatte, lagen sämtlich innerhalb des alten Festungsgürtels. Erst dann baute man sich in der Feldmark an. Die Einwohnerzahl vermehrte sich nur langsam. 1828 zählte das Kirchspiel856 Seelen, und die Stadt 1.493. In der Stadt betrug der Viehbestand 42 Pferde, 507 Kühe, 230 Schweine und 30 Ziegen. Die Gemeindeweide, die Ostheide, war damals noch nicht aufgeteilt. Jeder Viehbesitzer konnte seine Kühe zur Weide führen. Doch begann man schon mit der Markenteilung des Elmenhorster Berges. Zu dieser Gemeinheit gehörte ein Kirchengrundstück in Größe von 13 Morgen 80 Ruten. Höchstbietender blieb ein Weber Wilhelm Schmitz mit 277 1/ 2 Talern. Neben der Landwirtschaft war die Leinenweberei ein wichtiger Erwerbszweig für die Bewohner. Es wohnten 80 Weber in der Stadt. Im Verhältnis zu seiner Größe hatte Sendenhorst viele kleine Gewerbetreibende und Handwerker. Auch zählte der Ort 71 Juden. Reich waren damals die Stiftungen des Armenfonds sowohl an Grund- wie an Kapitalvermögen.

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