Aus der Geschichte von Sendenhorst - 4/5

 

Das neue Sendenhorst wuchs u. a. um den neuen Markt am Lambertiplatz. Der alte Grüngürtel mit Promenadenring, Friedhof, Nordenbleiche, einer halben Hundertschaft Dauerkleingärten und der allein dreißig Morgen große Park am Josefsstift wurden aufgefrischt, der Kirchplatz in der Stadtmitte wird neu gestaltet. Zu dem evangelischen Gotteshaus wird Sendenhorst zu späterer Zeit laut festgelegter Planung seine dritte Kirche bekommen. Die weitere Planung sieht auch eine Badeanstalt und den zweiten Kindergarten vor. Zu den beiden neuen Sporthallen am Westtor und an den Teigelkamp-Schulen gesellten sich Sportplatz und Tennisplatz. Die jungen Leute erwartet das neue Jugendheim mit der Pfarrbücherei an der Kirchstraße. Sport und Spiel, Besinnung und Tun füllen dem Berufstätigen die sich längenden Freizeitstunden. Die Sendenhorster Altbürger und ihr Bevölkerungszuwachs fanden nach 1948 ihren Arbeitsplatz in einem Dutzend neuangesiedelter Betriebe, die ihrerseits wieder den Namen Sendenhorst auf die Märkte und zu den Verbrauchern tragen. Noch 500 Auspendler fahren alltäglich zur Arbeit in die Nachbarschaft. Der Handel und Wandel in der Sendenhorster Bürgerschaft nahm seinen ersten Aufschwung aber erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als von der Stadt zum benachbarten Drensteinfurt eine Anschlußstraße zu der am

26. Mai 1848 eröffneten Eisenbahnlinie Münster-Hamm gebaut worden war. Erst 55 Jahre später, Anno 1903, erhielt mit der Eröffnung der Linie Münster-Neubeckum der Westfälischen Landeseisenbahn auch Sendenhorst mit seinem Bahnhof die nötige unmittelbare Verkehrsverbindung. Aber auch in früheren Zeiten war die Verkehrslage relativ gut. Über den Sendenhorster Markt und seine Straßen lief seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine der ersten Postlinien des Münsterlandes, die alte kaiserliche Post der nachmaligen Reichsfürsten von Thurn und Taxis zu Regensburg. Mehr als zweihundert Jahre" .in sieben Generationen, war die Sendenhorster Postmeisterei im Besitz der gleichen Sendenhorster ureingesessenen Familie Zurbonsen verblieben, die um 1670 Heinrich Bonseübernommen hatte. Der Handel behielt dennoch die enggezogenen Verhältnisse der wallumfriedeten Stadt. Die Grundlagen der Existenzsicherung gaben Ackerbürgertum, Hausweberei, Kleinhandel und Handwerksbetriebe. Lediglich die Leineweber, fünfundfünfzig an der Zahl, Anno 1805, bildeten eine eigene Gilde. Ihr verlieh der Landesherr, Fürstbischof Friedrich-Christian von Plettenberg, im Jahre 1695 die Privilegien. Anno 1730 wurde das unter der Leitung von jeweils zwei Gildemeistern stehende Sendenhorster Linnentuchmacheramt vor dem Sendenhorster Richter, Gograf Johann Christian Bisping neu geregelt. Damals erhielten,die Lehrlinge dieser Branche nicht nur keinen Lehrlingslohn, sondern sie mußten überdies auch Immatrikulationsgebühren für die Amtsrolle, Lehrgeld an den Meister fünf schwer zu verdienende Taler und ein Paar Pantoffel an die Frau Meisterin zahlen. Die Hausmannskost war dabei karg und wurde nicht einmal immer gewährt. Im Jahre 1769 taten die Sendenhorster Leinweber einen sozialen Aufstieg. Fortan konnten auch die Weber Konsuln von Sendenhorst werden. -Noch vor der lokalen Wirtschaftsmisere, nach dem Großbrand von 1806, notierte die wohlmeinende junge preußische Verwaltung:


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"Sendenhorst ist ganz unbedeutend" obwohl der Verfassung nach eine Stadt dieses Sendenhorst sei, möge man den Ort dennoch aus humanen Gründen steuerlich wie das platte Land behandeln. Ein Jahr später, nach dem Brande, bekundete der selber randvoll in Sorgen steckende preußische König Friedrich-Wilhelm vom Schloß Charlottenburg aus dem »Städtchen Sendenhorst« zwar Wohlwollen und landesväterliches Mitleiden, nicht aber die zugesagten Gelder. Aber auch in früheren Jahrhunderten, als selbst heutige Großstädte in Kleinstadtluft lebten, stolz sich jedoch "Capital- und Prinzipalstadt" titulierten, war Sendenhorst lediglich ein "Staedeken". So wird es genannt in der Urkunde des Jahres 1490, als der Fürstbischof Heinrich Graf von Schwarzenberg die Sendenhorster Privilegien bestätigt. In der Reihe der landtagsfähigen Städte wurde Sendenhorst nie erwähnt, in der Aufzählung der Städte aus dem Oberstift Münster platzierte man es daher meist an die letzte Stelle. In dem auch noch so kleinen Städtchen jedoch sprengte das Wirtschaftsleben den Rahmen der Selbstversorgung. Dreizehn Bäcker, zwölf Brauer und drei Brenner versorgten Stadt und Kirchspiel mit "Weißbrot, Bier und Brandewein", als das Städtchen Anno 1805 nicht ganz 1300 Einwohner zählte. Den Pumpernikel buck man noch im eigenen Backs. Das Sendenhorster Bier gehört der Vergangenheit an. Der Sendenhorster Korn aber hat seine vielhundertjährige Berühmtheit bewahrt. Auch der Chronist Kumann schrieb vor nun 150 Jahren das oft zitierte Wort: „Sendenhorst treibt starke Branntweinbrennery“. Auch die Viehzucht auf den Sendenhorster Fettweiden und der um 1800 besonders von den Sendenhorster Juden betriebene Viehhandel machten damals von sich reden. Dem Sendenhorster Viehmarkt hatte der umsichtige BürgermeisterLangen jedoch keine weitreichende Anziehungskraft verschaffen können. Für Sendenhorst selbst sollte der Markt- und Tanztag von Anno 1818 »gleichsam ein Tag der Erholung von der Ernte« werden. Was der Viehmarkt in dem Hungerjahr 1818 nicht vermochte, tat der Wirtschaftsschwung der Gründerjahre nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Als auch im Sendenhorster Kreidemergel das Strontianit zutage trat, lockten die kohlensauren Salzkristalle des nach seinem Hauptvorkommen bei der schottischen Stadt Strontian benannten Strontium-Metalls die Sendenhorster Bauernknechte, die Kötter und die Heuerlinge von ihren Pflügen und die Sendenhorster Weber von ihren Webstühlen fort. Aber auch aus der weiteren Nachbarschaft kamen die Arbeitssuchenden nun nach Sendenhorst. Das Wirtschaftswunder des Sendenhorster Sülwersteens währte jedoch nicht lange. Schon bald verlor die Industrie an diesen weißglänzenden Salzkristallen, die ausgerechnet für die süße Sache der Zuckerfabrikation verwendet wurden, jegliches Interesse. Da gingen nicht nur die Fremden fort. Mit den Zugezogenen verließen jetzt auch viele Sendenhorster Bürger den Heimatort. Sie verdingten sich als Maurer in den länger anhaltenden Jahren des Bau-Booms. Die zupackenden Sendenhorster Maurergesellen haben mutmaßlich jenen Ruf aufkommen lass~n, dem als Redensart die Nachbarn den Sendenhorstern zwar spaßig, jedoch nicht ohne Respekt selbst heute noch nachhängen: 

„Sennhorster Bracken, 
Pull an de Siet, 
Pott up'n Nacke'n, 
Suupt alltiet."

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Bei regem Handel relativ reich war in jenen Jahren aber die Sendenhorster Judenschaft, die hier seit dem 18. Jahrhundert nachweisbar ist und am Schlabberpohl ihre Synagoge baute. Noch im Jahre 1838 wohnten zu Sendenhorst in elf Häusern zwölf israelitische Familien, eine von ihnen war die AlsbergSippe, die bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert zur mächtigen Kaufmannsdynastie sich emporgearbeitet hatte, deren Warenhäuser in mehreren westdeutschen Großstädten gebaut wurden. Senior Alsberg aber hatte zu Sendenhorst in "diesen Jahren noch mit Ziegenhäuten gehandelt.

Das Zusammenleben einer kleinen, jedoch geschäftstüchtigen, nichtchristlichen Minderheit mit einer Bürgerschaft bei begrenzten Ortsverhältnissen verlief naturgemäß nicht immer reibungslos. Es ehrt das tolerant werdende 18. Jahrhundert sowie die aufklärerisch tätigen geistlichen Behörden zu Münster, daß sie die Ursachen zu gelegentlichen Auswüchsen beseitigten. Leider wurde mit dem Spreu aber auch mancher Weizen weggeworfen. So verlor Sendenhorst, wie auch Beckum in jenen Jahren, die szenisch effektvoll gestaltete Karfreitagsprozession, bei der ein Dutzend dunkelgekleidete Jungmänner wie in einem Passionsspiel die des Heilands Marterwerkzeuge tragenden Juden darstellten. Im April 1721 hatte der Sendenhorster Magistrat diese barockfreudig gebotene Karfreitagstracht gestiftet. Im Reigen der Jahresfeste bot der alte Sendenhorster Festkalender die eindrucksvolle Osterucht, dasLambertussingen im September und das dreitägig gefeierte Fest der Johannes-Bruderschaft. Selbst das Beisammensein der "Jansbroer" hatte die übereifrige Behörde Anno 1770 verbieten lassen. 1906 jedoch feierte die Bruderschaft, deren Könige glaubensfrohe und lebensfreudige Sinnsprüche auf die Silberschilder schlagen ließen, ihr Dreihundertjahr-Jubiläum. »Wahrheit und Friede schaffen herrliche Triebe" hatte der Schützenkönig der "Johanniter" des Jahres 1862, Theodor Böcker, sich zum Losungswort gewählt. Fabrik, Eisenbahn und Pflug, symbolträchtige Embleme auch für die weitere Sendenhorster Zukunft, zieren das über hundert Jahre alte Königsschild.

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