Aus der Geschichte von Sendenhorst - 3/5

 

Pest, Brand und Krieg werden zusammen genannt, wenn die Unglückschronik aufgeschlagen wird. Die großen Pestjahre von 1350 und 1382 blieben für Sendenhorst ohne Beleg. Es war aber Pestzeit im Land, als der Sendenhorster Pfarrer Johann von Plönies eine Vikarie-Stiftung u. a. des Pestpatrons Sebastian tat. Jedoch die erste für Sendenhorst belegte Pestwelle ist das Pestjahr 1606. Die Ausmaße jedoch sind nicht bekannt. Aber sowohl im Dreißigjährigen wie auch im Siebenjährigen Krieg brachten die Soldaten Kriegsseuchen in die Quartiere. An ihnen starb die nicht minder ausgemergelte Zivilbevölkerung "wie die Fliegen". Auch solche Seuchen wurden als Pest bezeichnet. Als 1760/61 die Soldaten zu Dutzenden in engsten Quartieren lagen, hinterließen sie der Sendenhorster Bürgerschaft den Typhus. Binnen kurzer Zeit starben 167 Sendenhorster. Aus der aufgeschreckten Hauptstadt und dem Münsterland wurden anderthalb Dutzend Arzte nach Sendenhorst kommandiert. Aber auch die Viehseuchen zogen die Menschen in Mitleidenschaft. Jahre der' "Kuhpest" (Maul- und Klauenseuche) waren u. a. 1750 und 1769. Die grausigste aller damaligen Krankheiten, die Lepra, wurde auch im Raume Sendenhorst registriert. Die Zahl der Leprakranken blieb 111er jedoch stets begrenzt. Zeitweilig gab es nur einen Aussätzigen, der allein im Leprosorium saß, ausgesetzt in des Wortes wahrem Sinn.

Die Daten der Unglücksjahre wurden aber auch zu Merkzeiten der Caritas und des Gemeinsinns. Wie nach der Zerstörung von 1323 Sendenhorst seine Umwallung und nach dem Brande von 1885 seine Freiwillige Feuerwehr erhielt, so baute es das Leprosorium für die Aussätzigen und das Armenhaus für die Invaliden. Das Armenhaus wurde 1876 abgebrochen; an das bereits zuvor beseitigte Leprahaus erinnert die nun noch als Segensaltar verwandte Lazaruskapelle vor der Stadt. Im Jahre 1817 hat die Stadt nicht einmal mehr einen Arzt, bald aber doch eine Apotheke. Anno 1889 wird das neue Krankenhaus eingeweiht, das als »St.-Josef-Stift« über Sendenhorst hinaus bekannt ist, seit 1923 als Tuberkulosen-Heilstätte und orthopädische Fachklinik zu steigendem Ansehen gekommen und heute mit dreihundert Betten und angegliederter Sonderschule zu einer der größten karitativen Institutionen im Lande geworden ist. Von weit und breit kommen Patienten nun nach Sendenhorst. Seit nun 75 Jahren ist dieses Haus der Caritas ein nicht minder beeindruckendes Denkmal für den Nachruhm eines Sohnes seiner Vaterstadt als das Nikolaus-Cusarius-Hospital des großen Kardinals Nikolaus von Cues, das selbst noch nach einem halben Jahrtausend in seiner Mosel-Heimatstadt Cues floriert. Nicht weit von der römischen Titelkirche des Kardinals Cusanus und nah der Gruft des ihm , befreundeten münsterischen Bildhauers Wilhelm Achtermann ruht auch Joseph, Spithöver, der als Zimmermannssohn 1813 in Sendenhorst aufwuchs, als Coesfelder Buchbindergesell mit zwölf Silbergroschen Anno 1841 auf die Walz gen Süden ging und von München aus nach Rom wanderte, um immer dort zu bleiben. Der durch Buch und Baugrund in Rom reichgewordene Junggeselle half den Rom-Pilgern aus der Heimat und den Patienten zu Sendenhorst. Als er drei Jahre vor seinem am 12. Januar 1892 zu Rom erfolgten Tode -zur Übergabefeier seiner

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Stiftung am 16. September 1889 erstmalig wieder in die Heimat kam, bot ihm Sendenhorst einen Empfang, der zu den großen Festtagen der Stadt gezählt wird. Ein anderer Sendenhorster Sohn, der 1863 geborene Priesterdichter Franz Engelbert Happe, rühmt den wuchtig aufsteilenden Hospitalsturm als neues Wahrzeichen der alten Stadt. Der Münsteraner Wilhelm Rincklake, der nachmalige Benediktiner zu Maria-Laach, der fünf Jahre später den Baumberg-Dom zu Billerbeck baute, schuf auch diesen Bau. Mit ihm ist der Glockenturm von St. Martin Blickfang von Stadt und Land. Vor nun hundert Jahren wurde die neue Martinskirche eingeweiht. Münsters Bischof Dr. Georg Müller konsekrierte sie. Dieser 14. November 1865 wurde zu einem weiteren denkwürdigen Tag Sendenhorster Historie. Der Bischof ist auch dabei gewesen, als zehn Jahre zuvor der Grundstein zum Neubau gelegt worden war. Pfarrer Bernhard Lorenbeck hatte den Tag der Vollendung nicht mehr erlebt. Adolf Kolpings Nachfolger im Amte des Gesellenvaters wurde auch sein Nachfolger: Pfarrer Reinermann. Denkwürdig ist auch der Tag der goldenen Primiz des Sendenhorster Pfarrers Dr. Franz Wilhelm Darup aus Darup. Fast fünfzig Jahre wirkte er bis zu seinem Tode im Jahre 1836. Das Kirchenbuch nennt ihn schlicht einen "berühmten Mann". Seine Andachtsund Erbauungsbücher fanden sich in vielen Händen. Sie trugen den Namen des Sendenhorster Pfarrers, Domherren und Landdechanten in die Weite des Bistumsgebietes. Zu seinem Fest kamen Münsters Bischof Caspar-Max, Freiherr Droste zu Vischering und der Oberpräsident von Vincke.

Pfarrer Darup schrieb nicht nur viele Bücher in seiner Klause des nach dem Großbrande von 1806 von ihm erbauten Sendenhorster Pastorats, das noch heute als das schönste Haus des Städtchens gilt, er weihte auch viele Glocken für den Turm von St. Martin, insgesamt gar fünfzehn an der Zahl. Die ersten, die er segnete, zerschmolzen, als Anno 1806 auch die Glockenstube in Flammen stand. Das zerflossene Blei wurde zum Rohstoff für den neuen Glockenguß, den wenige Jahre später der Gelbgießer Merkel aus Warendorf in die vier neuen Formen leitete. Dem Gelbgießer fehlte die Erfahrung. Die neuen Glocken sprangen bald, sie verstummten nun für viele Jahre, gleichsam als Mahnzeichen wirtschaftlich karger Tage jener Jahre des noch jungen neunzehnten Jahrhunderts. Erst nach vielen Jahren, Anno 1834, gab der Landdechant Dr. Darup weiteren vier neuen Glocken von St. Martin den Segen der Kirche. Sie riefen bis in unsere Tage mit ihrem alltäglichen Ton der kleinen Rufglocke zur Messe, mit kräftigerem Klang im Namen der Nothelferin Catharina, der Patronin der Schüler und der Weber, mit der stärkeren Stimme der Ludgerusglocke und mit vollem Munde im Namen des Kirchenpatrons Sankt Martin. Mit dieser letzten Glockenweihe verbindet sich das Ereignis des Sendenhorster Glockengusses. Ihn vollzog in den August-, September- und Oktobertagen des gleichen Jahres 1834 in zwei Arbeitsgängen der in Düren seßhaft gewordene Franzose Pierre Boitel mit drei seiner ebenfalls aus Frankreich gekommenen Gesellen. Das Werk ihres Meisters loben auch die lateinisch gehaltenen "Legenden" der Glocken zu Senden, Venne und Westkirchen und von St. Servati zu Münster. Ganz Sendenhorst sei 1834 auf den Beinen gewesen, als Sendenh6rster Mühlenbaumeister die zerborstenen Glocken vom Turme lösten, 

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Schmiedemeister sie zu neue m Rohmaterial zerschlugen, Zimmermeister den Werkplatz an der Westenkapelle umzäunten, Sendenhorster Fuhrleute mit dem zusätzlich benötigten Erz aus Buldern gefahren kamen und Polizeiverstärkung aus Beckum das Publikumsgedränge bändigte. Aber Peter Boitel hatte Pech. Die zwei größten Glocken mißrieten in Mißgeschick, mit dem Erz zerfloß buchstäblich auch sein ganzer Gewinn im Sande. Der Meister, der den schon für Sendenhorst gewonnenen Konkurrenten Petit in Gescher um fast die Hälfte unterboten hatte, goß "Ludgerus" und "Martinus" nach. Erstmalig erklangen sie alle vier in der Martinus-Oktav 1834 für ein in Jahren und zuletzt in Wochen und Tagen ungeduldig geworden es Sendenhorst "zur Eintracht, (und) zu herzinnigem Vereine".

Dr. Darup war einst auch Schulinspektor gewesen. Das Schulwesen der Stadt Sendenhorst ist aus dem Leben der Kirche erwachsen. Über die Schulverhältnisse berichten Notizen seit der Visitation vom Jahre 1571. Den Schulneubauten des 19. Jahrhunderts, zuletzt dem Jahre 1878 an der Schulstraße, folgten die Neubauten Anno 1951 der katholischen "Kardinal-von-Galen-Schule", die mit ihrer Namenswahl an den münsterischen Bekennerbischof erinnert, der in den schwersten Monaten des Kriegsendes und der Nachkriegszeit als Evakuierter aus der bombenzertrümmerten Bischofsstadt nun von Sendenhorst und seinem Domizil im St. Josef-Stift aus das Bistum leitete, zehn Jahre später der zweiten katholischen Volksschule sowie der seit 1948 zunächst in Notunterkünften und älteren Schullokalen bestehenden evangelischen Volksschule, die den Namen des Humanisten und ReformatorsMelanchthon führt, beide gelegen am Teigelkamp, sowie 1964 der kath. Realschule Sendenhorst in Nähe des neuen Wasserturms. Sie hat ihre Vorgängerin in der "Rektoratschule Sendenhorst", die von 1859 bis 1907 eine Filiale des Warendorfer "Laurentianums", von 1920 bis 1940 aber eine von Stadt und Kirchspiel Sendenhorst unterhaltene Privatschule war. In den Zwischenjahren war sie aufgelöst. Drei Jahre der ersten Nachkriegszeit, von 1946 bis 1949, weilte das münsterische »Hittorf-Gymnasium« im alten Sendenhorster Rathaus am Westtor sowie in den früheren "HJ"-Baracken zu Gast. Für die Dauer einer Generation, von 1838 bis 1870, unterhielt die jüdische Kolonie Sendenhorst in gemieteten Kammern eines Schneidermeisters die aus finanziellen Gründen später eingegangene"Judenschule". Fünfzig Kinder besuchten die Sendenhorster Volksschule, als erstmalig ihre Zahl im Jahre 1613 ermittelt wurde. Mehr als hundert waren es 1777, nachdem letzten mittlerweile der Schulzwang eingeführt worden war. Die 745 Kinder der letzten Nachkriegszeit mußten im Schichtunterricht unterwiesen werden. Viele Neubürger aus Evakuierung und Heimatvertreibung hatten Stadt und Kirchspiel Sendenhorst vor und nach 1945 aufgenommen. In den Bauerschaften verdoppelten die Hinzugekommenen die Zahl der eingesessenen Einwohnerschaft. Sie und weitere Neubürger drängten nach der Währungsreform von 1948 in die Stadt, als das erste Viertelhundert neuer Eigenheime am Martiniring gebaut wurde. Seitdem sind weit über zweihundert neue Häuser mit mehreren hundert Wohnungseinheiten gefolgt, im Nordviertel westlich und östlich der Telgter Straße und im Südosten der Stadt Sendenhorst, wo allein dreihundert Grundstücke ausgewiesen wurden.


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