Was schert mich das, was die Regierung will

Die Sendenhorster pflegten selbstbewusste Ansichten über ihre Lernstätten / Große Klassen, wenig Lehrer und ein geiziger Schulvorstand

Die Schulstraße im Jahr 1901. Der "Klotz" im Hintergrund ist die neue Schule, die eingeweiht wurde.

 

Das gab es in der offiziell 700-jährigen Geschichte der Stadt nicht nur in den vergangenen Jahrzehnten: eine Schule, die zu klein ist. Im Gegenteil. Wobei sich der Satz „Ich geh zur Schule“ im 19. Jahrhundert grundlegend anders darstellte, als es heute ist. „Die Schule“ – das waren in späteren Jahren nach der Gründung der sogenannten „Vorschule“ einige bescheidene Unterkünfte, die im Zentrum der kleinen Stadt verteilt waren.

Die Bevölkerung der Stadt wuchs stetig, was insbesondere auch die Pädagogen zu spüren bekamen. Besuchten im Jahr 1777 noch 100 Kinder die damals einzige Knabenschule, wie der damalige Pastor Kuipers stolz berichtete, so waren es 50 Jahre später schon weit mehr – das Bevölkerungswachstum zeigte Wirkung. Doch der Raum für den Unterricht wurde zunächst nicht ausgeweitet.

Das betraf erst einmal die Knabenschule, die dann 1837 vergrößert wurde. Allerdings anders als heute: Im „großen Schulzimmer“ wurden 130 Kinder unterrichtet – zeitgleich.

Wenn heute über zu große Klassen und möglicherweise beengte Verhältnisse diskutiert und lamentiert wird, müsste das den damaligen Schulverantwortlichen vermutlich als Witz vorgekommen sein. Im Jahr 1855 begann die damals 22-jährige Maria Perger den Unterricht für 54 Jungen und 43 Mädchen in der „Vorschule“, die im alten Rathaus untergebracht war. Es gab drei Lehrer, die jeweils 120 bis 140 Kinder unterrichteten, berichtet Heinrich Petzmeyer in seiner „Stadtgeschichte“.

Knapp 15 Jahre später kam eine vierte Klasse hinzu – die ebenfalls im Rathaus untergebracht werden musste. Dazu wurde das Dachgeschoss mit Fenstern versehen und umgebaut. Aber den zuweilen etwas starrköpfigen Stadtverordneten wurde langsam klar, dass das keine Dauerlösung sein könnte. Nach der baldigen Fertigstellung der neuen Pfarrkirche wollten sie einen Schulneubau in Angriff nehmen. Und das natürlich auf die spezielle Sendenhorster Art.

In Sendenhorst gab es damals die Armenstraße, die später zur Schulstraße wurde, an der das baufällige Armenhaus stand. Dieses war zuletzt nur noch von einer Witwe bewohnt worden, die sich bis zu ihrem Tod gegen den Auszug gesträubt hatte, berichtet Heinrich Petzmeyer. 1873 kaufte die Stadt das Grundstück und die Gebäude der neben dem Armenhaus wohnenden Witwe Bäumer, um eine Schule bauen zu können.

Politisch war das alles nicht ganz so einfach, denn Sendenhorst bestand über lange Zeit aus zwei verschiedenen Gemeinden: Stadt und Kirchspiel. Doch beide einigten sich 1876 auf den Bau der neuen Schule, in der fünf Klassen und ebenso viele Lehrerwohnungen untergebracht werden sollten. Damals war es üblich, dass Lehrer in den Schulen wohnten – und dort auch einen Garten unterhielten, was im Bezug auf diese Schule später noch eine besondere Rolle spielen sollte.

Die Schule wurde gebaut, aber sie passte irgendwie wohl so gar nicht ins Stadtbild. Ein „grundsolider Klotz“ soll sie gewesen sein, und im Oktober 1878 zogen 450 Schüler, drei Lehrerinnen und zwei Lehrer ein. Bislang lernten und arbeiteten sie in Gebäuden an Nordstraße, Kirchstraße und Marktplatz.

Für die Gemeinde war der Fall damit erstmal erledigt, für die Schüler und Lehrer offenbar nicht. Ein Streitfall waren Toilettenanlagen, für die die Gemeinde laut Petzmeyer zunächst kein weiteres Geld ausgeben wollte. Die Lehrer übernahmen die Vorfinanzierung der Pumpenanlage im Gebäude, die erst 1889 vom Schulverband beglichen wurde.

Der Schulrat bemängelte fünf Jahre später fehlende Spiel- und Turnflächen für die Schüler. Doch die Schulverantwortlichen hielten beides „den ländlichen Verhältnissen“ entsprechend für ausreichend. Letztere bedeuteten übrigens, dass auf dem Schulgelände unter anderem der Feuerwehrturm stand und eben jene Gärten für die Lehrer angelegt waren. Erst 1905 soll der Schulhof vergrößert worden sein.

Verantwortlich für alle Entscheidungen vor Ort war übrigens der Schulvorstand. Dem gehörten der Pfarrer und der Bürgermeister an. Und bis zum Ersten Weltkrieg zudem eine ganze Reihe von Schnapsbrennern und Bauern. Zu den Aufgaben gehörte unter anderem die Festlegung der Lehrergehälter, die über die kommunalen Steuern finanziert werden mussten. Den pädagogischen Rahmen gab die Regierung vor.

Offenbar war die Stadt auch in diesen Jahren schon ziemlich klamm, denn um die Bezahlung der Lehrer gab es immer wieder Streit. Während die Regierung vor dem Ersten Weltkrieg beschlossen hatte, das Salär der Pädagogen anzuheben, hielt der Sendenhorster Schulvorstand das für wenig hilfreich und zögerte die Erhöhung hinaus. Für einen Schulleiter – damals Hauptlehrer – sollte schon gar kein Geld ausgegeben werden. Der Schulvorstand war sich sicher, alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen zu können.

Geizig waren die Sendenhorster offenbar auch bei der Einrichtung neuer Klassen und der damit notwendigen Einstellung weiterer Lehrer. Obwohl die Regierung beides längst angeordnet hatte, weigerte sich der Schulvorstand fünf Jahre lang. Die Argumentation: Die Zahl der Schüler in einer Klasse betrage doch „nur“ 76 bis 83. Und die Schülerzahlen würden in den kommenden Jahren zurückgehen. Und bis dahin könnten die Lehrer ja Überstunden machen.

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