Was die Kuh mit der „Kogge“ zu tun hat

Sendenhorst. Einiges ist für den etymologisch etwas Bewanderten noch relativ leicht zu ergründen. „Bracht“ zum Beispiel bezeichnet in Sendenhorst nicht nur die gleichnamige Bauerschaft. Sondern „Bracht“ ist auch gleichzusetzen mit dem Brachland, das dort früher wohl vorgeherrscht haben muss. Der „Schlabberpohl“ ist auch so eine Bezeichnung, die sich relativ einfach ergründen lässt.

Vornehm ausgedrückt war dieser Ort in der Innenstadt vormals die Badestelle für herumlaufendes Vieh. Heute ist das natürlich ganz anders.Die Etymologie, also die wissenschaftliche Lehre von der Wortherkunft, ist eine spannende Angelegenheit. Einerseits dann natürlich, wenn es darum geht, die eigenen Wurzeln zur ergründen. Und besonders auch dann, wenn die Bedeutung alter Flurnamen, von denen es in jeder Stadt und Gemeinde viele gibt, erklärt werden soll.Dr. Heinrich Book, ehemaliger Chefarzt des St.-Josef-Stifts, ist ein Liebhaber altdeutscher Sprache.

Er beschäftigt sich eigentlich schon immer mit dem Ergründen alter Nabnn und Begriffe. „Warum heiß tdie Gegend, durch die ich gerade gehe, so, wie sie heißt?“ ist eine Frage, die er sich stets so lange stellt, bis er sie beantwortet hat – wenn sie denn überhaupt zu beantworten ist. Und deshalb hofft er, dass es alsbald gelingt, dass auch Sendenhorst wie viele andere Orte seinen Flurnamen-Atlas bekommt. Mit seinem privaten „Sprachlabor“ will er dazu betragen.Da traf es sich gut, dass ihm in diesen Tagen ein Altbauer aus seinen Unterlagen die „Freckenhorster Heberolle“ aus dem elften Jahrhundert zwecks Sichtung übergab.

„Es ist eine ganze enorme Fundgrube“, sagt Heinrich Book. Und die lässt ihn seitdem kaum noch los. Denn sie ist, wenn man sie lesen kann, unentbehrlich für die Enträtselung der Sendenhorster Flur- und Hofnamen.Doch dass mit dem Lesen ist gar nicht so einfach. Bei „Sendin Horst“ ist der „sandige Wald“ noch leicht erklärbar. Aber wer sich der Heberolle, gewissermaßen ein Abgabenbescheid des Freckenhorster Stifts für die Bauern in der Region, zu denen auch die Sendenhorster gehörten, nähern will, muss sowohl im Lateinischen als auch im Altsächsichen bewandert sein. Und sich zuvor, mehr nebenbei, eingestanden haben, dass Sendenhorst früher auch mal „Sachsenland“ war.

„Die damalige Schreibweise der Dörfer ist so verschieden, dass ein Laie es nicht erkennen kann“, erklärt Heinrich Book. So ist die Heberolle im Prinzip in altsächsischer Mundart verfasst. Aber eben nicht nur: Die zahlreichen Anmerkungen und Korrekturen haben die Mönche des Freckenhorster Stifts in lateinischer Sprache hinzugefügt, weil sie die heimische Mundart in der Schrift wohl nicht beherrschten, vermutet Book.Und so ist er derzeit intensiv damit beschäftigt, das Sprachengewirr zu entschlüsseln. Lange hat er etwa an den irgendwann aufgekommenen Hofbezeichnungen „Große Kogge“ oder „Lüttke Kogge“ herumgeknackt. Dass die „Kogge“ in Westfalen nichts mit der Schifffahrt zu tun haben konnte, war ihm natürlich klar.

Jetzt glaubt er zu wissen, dass auf den ehemaligen Ramshöfen mit Schafzucht irgendwann die Kühe Einzug gehalten haben. „,Kogge‘ kommt wohl von Kuh“, vermutet Book.Der ehemalige Chefarzt und leidenschaftliche Wortforscher weiß, dass er sich derzeit mit einem der bedeutendsten Dokumente aus dem Mittelalter beschäftigt. Neben dem „Heliand“, einer altsächsischen Evangelienharmonie aus dem Jahr 830, und dem „Sachsenspiegel“, einem hochmittelalterlichen Rechtsbuch, das innerhalb Deutschlands und darüber hinaus eine große Verbreitung fand und einen erheblichen Einfluss auf die mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsprechung ausübte, gilt die „Freckenhorster Heberolle“ als wichtigstes Instrument der Sprachforschung. „Die Heberolle und deren Zusammenhänge sind seit langem bekannt. Das Problem ist, dass sie nahezu niemand lesen und damit deuten konnte“, meint Book, der – Ehrenbürger des niedersächsischen Dörfchens Lorup – auch im Altfriesischen sehr gut bewandert ist.

„Man muss allerdings auch Freude an der Namensforschung haben, umvoranzukommen“, fügt er an.In der Heberolle, zu der Book von der Stadt eine Karte von 1872 erhalten hat, werden alle Bauerschaften genannt, auch die in Albersloh. Denn schließlich hatten sie als Hörige Steuern an das Kloster zu zahlen. „Natürlich habe ich noch nicht alle Namen im Griff“, sagt Heinrich Book. Aber: „Das Plattdeutsche kann vieles besser erklären“, ist sich der Hobby-Sprachforscher sicher. Der „Mellinghoff“ an der Angel war sicher wie die Nachbaranwesen früher ein Mühlenhof. Dass der „Schemm“ als Namensbestandteil der Steg (über einen Bach) meint, ist heute wohl auch geklärt. Doch vieles wartet noch darauf, enträtselt zu werden. „Es gibt viele schöne Themen“, freut sich Heinrich Book auf die weitere Forschungsarbeit.

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