Unruhen am Karfreitag

Sendenhorst - Der heutige Karfreitag wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein ruhiger Tag für die meisten Menschen in der Stadt. Dass er unter dem Titel „Karfreitagsunruhen in Sendenhorst“ in überregionalen Zeitungen Einzug halten wird, ist kaum zu erwarten.

Das war im Jahr 1839 anders. Denn genau mit dieser Überschrift titelte die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ das Geschehen im beschaulichen „Sendenhorst in Westfalen“. Und das zog einige behördliche Untersuchungen nach sich, weil der Oberpräsident von Westfalen eben jenes über einen Ort in seinem Verwaltungsbezirk lesen musste und Handlungsbedarf ausmachte.


Was war geschehen? Eigentlich nicht viel. Seit ewigen Zeiten pflegten die Sendenhorster Christen Karfreitagsbräuche, die vom gutmütigen Pfarrer Franz-Wilhelm Darup geduldet wurden, der fast 50 Jahre lang vieles durchgehen ließ und sich lieber zum Schreiben zahlreicher Bücher in sein Arbeitszimmer verzog, als die Gemeinde mit strenger Hand zu leiten, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Stadtgeschichte.

Sein Nachfolger Bernhard Lorenbeck sah das anders. Er wurde 1837 ins Amt eingeführt und wollte vieles ändern oder abschaffen. Wegen des von ihm betrieben Neubaus der Kirche stand er sowieso im Konflikt mit einer ganzen Reihe von Gemeindemitgliedern, die das Vorhaben für zu teuer hielten. 

Und dann kamen die religiösen Karfreitagsbräuche hinzu, die ihm ein Dorn im Auge waren, die der neue Pfarrer für „unziemlich“ hielt. Weshalb, so Petzmeyer, der Geistliche nahezu die ganzen Stadt gegen sich aufbrachte. 

Vermutlich gab es tatsächlich einige Auswüchse bei der Karfreitagsprozession, die 1721 zum ersten Mal in dieser Form durchgeführt worden war - gegen den Widerstand des damaligen Pfarrers. Als „erbaulich-anschaulich“ aber auch „derb-drastisch“ bot die Darstellung der Passionsgeschichte wohl immer auch wieder Gelegenheit zu Übertreibungen und Entgleisungen, ist im Stadtarchiv überliefert. 

So sorgte ein maskierter Kreuzträger bei der Prozession für Aufsehen. Selbst fliegende Händler aus Münster waren zur Stelle, weil sie beim „Sendenhorster Passionsspiel“, wie es volksmündig genannt wurde, ein Geschäft witterten.

Auch im Jahr 1839 trafen sich nach der Prozession über die Wälle und den abendlichen Betstunden junge Leute „aus der untersten Volksklasse“, so Bürgermeister Brüning, zu schrillem Geschrei beim Absingen von Fastenliedern. Pfarrer Lorenbeck verwies sie der Kirche. Zudem sei er beim Verlassen der Kirche wohl auch beleidigt worden, beklagte der Geistliche.

Das wäre wohl alles gewesen, wenn nicht ein Zeitungsreporter aus Münster anwesend gewesen wäre. Und dieser titelte sicherlich übertrieben „Unruhen in Sendenhorst“, was dann andere Zeitungen übernahmen. Und der Oberpräsident forderte Aufklärung.

Der Bürgermeister spielte die Geschichte in einem Brief an den Landrat herunter und schilderte sachlich das Geschehen an diesem speziellen Karfreitag. 

Pfarrer Lorenbeck hingegen machte seinem Ärger in einem Schreiben an den Bürgermeister Luft. Er könne es nicht dulden, dass sich „schlecht erzogene Leute mit dem Absingen von Liedern befassen“.

Die Bräuche haben allerdings bis heute überlebt.

VONJOSEF THESING, SENDENHORST


Nach oben

Ahnenforschung
Blätterwald
21. Jhdt
1980/90er
1970er
1965_650J
1960 und davor
Fakten
Geschichte(n)
Grundwissen
H. Petzmeyer
Kornbrenner
Quellen