Schockemühle an der Angel Die "Schockemühle" an der Angel: Wo das Wasser auf Trapp gebracht wurde

Sendenhorst. Dass im Nordosten und Norden der Stadt die Angel still und eher unscheinbar vor sich hinfließt, ist vielen bekannt. Dass es an diesem Flüsslein früher Wassermühlen gegeben haben könnte, wird heute allenfalls noch an den Namen der Höfe deutlich, die sich an der Angel befinden. Diese hat in der Nähe von Ennigerloh ihre Quelle und mündet in Angelmodde in die Werse. Hofnamen erzählen, wenn man sie richtig deuten und „übersetzen“ kann, eine Geschichte.

Und solchen Geschichten alter Höfe geht Dr. Heinrich Book, passionierter Heimatforscher, auf den Grund.Der Name „Schockemöhle“ ist mindestens in Reiterkreisen sehr geläufig. Der Name ist mundartlich – und heißt eigentlich „Schockemühle“. Und dieser bezeichnet eine besondere Art des Wassermühlenbaus. „Die Wasserläufe, die eine solche Mühle antreiben, liegen nach meiner Feststellung im Flachland“, erklärt Dr. Heinrich Book. Da der Druck des Wassers – wie auch der der Angel – besonders gering sei, wurde es in einem enger werdenden Keilbett der Mühle zugeleitet. In der Physik werde das als „Shock“ bezeichnet, was auch im Jagdwaffenbau Anwendung findet. Um den Druck im Lauf zu erhöhen, wird er keilförmig verengt.


Dr. Heinrich Book vermutet, dass es eine solche Mühle auch in Norden der Stadt in der Nähe der Angel gegeben habe, weil der Name des Müllers und seines Anwesens dort bis heute verewigt sind. Das werde am alten landwirtschaftlichen Betrieb „Schockemöhle“ im Rinkerfeld deutlich. Dieser Name sei in einem dicken Eichenbalken eingraviert, der sich am Restgebäude des Hofes befindet, der heute von der Familie Putze bewohnt wird. Man trifft auf diesen Hof, wenn man an der Straße nach Hoetmar vor der Angel in Höhe des Hofes Strohbücker links einbiegt.Unklar sei, so Book, ob es sich bei der Mühle, deren Wasserrad wegen des eher geringeren Drucks wohl unterschlägig angetrieben worden sei, um eine Korn- oder Ölmühle gehandelt habe. „Der niederdeutsche Name Schockemöhle“ deutet lediglich darauf hin, dass es sich bei diesen Mühlen um eine besondere Art gehandelt hat, deren Herkunft, so weit ich feststellen konnte, bisher noch unklar ist“, meint Dr. Heinrich Book. Im flachen Teil des Allgäus gebe es die vergleichbare hochdeutsche Bezeichnung „Schachenmühle“.Konsultiert hat er auch die so genannte Wortstelle in Münster, um Näheres über den Begriff „Schockemöhle“ zu erfahren.

Im sei aber lediglich bestätigt worden, dass das mundartliche Verb „schocken“ unter anderem im Emsland und in Ostfriesland anzutreffen sei und „an die Seite rücken“, bewegen, verengen“, bedeute und auch für ein verengtes Flussbett im Sinne des englischen Wortes „Shock“ verwendet werde. Und das sei vermutlich auf der sächsische „schockeren“ zurückzuführen.Ob es die insgesamt seinerzeit wenig verbreitete „Schockemühle“ tatsächlich an der Angele gegeben hat, ist bislang nicht erwiesen „Für Sendenhorst wäre es sicher bedeutungsvoll, wenn die Stadt zu einer der wenigen Orte gehören würde, die sich rühmen können, eine solche Mühle besessen zu haben“, meint Dr. Heinrich Book.


Was die Kuh mit der „Kogge“ zu tun hat


Sendenhorst. Einiges ist für den etymologisch etwas Bewanderten noch relativ leicht zu ergründen. „Bracht“ zum Beispiel bezeichnet in Sendenhorst nicht nur die gleichnamige Bauerschaft. Sondern „Bracht“ ist auch gleichzusetzen mit dem Brachland, das dort früher wohl vorgeherrscht haben muss. Der „Schlabberpohl“ ist auch so eine Bezeichnung, die sich relativ einfach ergründen lässt.

Vornehm ausgedrückt war dieser Ort in der Innenstadt vormals die Badestelle für herumlaufendes Vieh. Heute ist das natürlich ganz anders.Die Etymologie, also die wissenschaftliche Lehre von der Wortherkunft, ist eine spannende Angelegenheit. Einerseits dann natürlich, wenn es darum geht, die eigenen Wurzeln zur ergründen. Und besonders auch dann, wenn die Bedeutung alter Flurnamen, von denen es in jeder Stadt und Gemeinde viele gibt, erklärt werden soll.Dr. Heinrich Book, ehemaliger Chefarzt des St.-Josef-Stifts, ist ein Liebhaber altdeutscher Sprache.

Er beschäftigt sich eigentlich schon immer mit dem Ergründen alter Nabnn und Begriffe. „Warum heiß tdie Gegend, durch die ich gerade gehe, so, wie sie heißt?“ ist eine Frage, die er sich stets so lange stellt, bis er sie beantwortet hat – wenn sie denn überhaupt zu beantworten ist. Und deshalb hofft er, dass es alsbald gelingt, dass auch Sendenhorst wie viele andere Orte seinen Flurnamen-Atlas bekommt. Mit seinem privaten „Sprachlabor“ will er dazu betragen.Da traf es sich gut, dass ihm in diesen Tagen ein Altbauer aus seinen Unterlagen die „Freckenhorster Heberolle“ aus dem elften Jahrhundert zwecks Sichtung übergab.

„Es ist eine ganze enorme Fundgrube“, sagt Heinrich Book. Und die lässt ihn seitdem kaum noch los. Denn sie ist, wenn man sie lesen kann, unentbehrlich für die Enträtselung der Sendenhorster Flur- und Hofnamen.Doch dass mit dem Lesen ist gar nicht so einfach. Bei „Sendin Horst“ ist der „sandige Wald“ noch leicht erklärbar. Aber wer sich der Heberolle, gewissermaßen ein Abgabenbescheid des Freckenhorster Stifts für die Bauern in der Region, zu denen auch die Sendenhorster gehörten, nähern will, muss sowohl im Lateinischen als auch im Altsächsichen bewandert sein. Und sich zuvor, mehr nebenbei, eingestanden haben, dass Sendenhorst früher auch mal „Sachsenland“ war.

„Die damalige Schreibweise der Dörfer ist so verschieden, dass ein Laie es nicht erkennen kann“, erklärt Heinrich Book. So ist die Heberolle im Prinzip in altsächsischer Mundart verfasst. Aber eben nicht nur: Die zahlreichen Anmerkungen und Korrekturen haben die Mönche des Freckenhorster Stifts in lateinischer Sprache hinzugefügt, weil sie die heimische Mundart in der Schrift wohl nicht beherrschten, vermutet Book.Und so ist er derzeit intensiv damit beschäftigt, das Sprachengewirr zu entschlüsseln. Lange hat er etwa an den irgendwann aufgekommenen Hofbezeichnungen „Große Kogge“ oder „Lüttke Kogge“ herumgeknackt. Dass die „Kogge“ in Westfalen nichts mit der Schifffahrt zu tun haben konnte, war ihm natürlich klar.

Jetzt glaubt er zu wissen, dass auf den ehemaligen Ramshöfen mit Schafzucht irgendwann die Kühe Einzug gehalten haben. „,Kogge‘ kommt wohl von Kuh“, vermutet Book.Der ehemalige Chefarzt und leidenschaftliche Wortforscher weiß, dass er sich derzeit mit einem der bedeutendsten Dokumente aus dem Mittelalter beschäftigt. Neben dem „Heliand“, einer altsächsischen Evangelienharmonie aus dem Jahr 830, und dem „Sachsenspiegel“, einem hochmittelalterlichen Rechtsbuch, das innerhalb Deutschlands und darüber hinaus eine große Verbreitung fand und einen erheblichen Einfluss auf die mittelalterliche und neuzeitliche Rechtsprechung ausübte, gilt die „Freckenhorster Heberolle“ als wichtigstes Instrument der Sprachforschung. „Die Heberolle und deren Zusammenhänge sind seit langem bekannt. Das Problem ist, dass sie nahezu niemand lesen und damit deuten konnte“, meint Book, der – Ehrenbürger des niedersächsischen Dörfchens Lorup – auch im Altfriesischen sehr gut bewandert ist.

„Man muss allerdings auch Freude an der Namensforschung haben, umvoranzukommen“, fügt er an.In der Heberolle, zu der Book von der Stadt eine Karte von 1872 erhalten hat, werden alle Bauerschaften genannt, auch die in Albersloh. Denn schließlich hatten sie als Hörige Steuern an das Kloster zu zahlen. „Natürlich habe ich noch nicht alle Namen im Griff“, sagt Heinrich Book. Aber: „Das Plattdeutsche kann vieles besser erklären“, ist sich der Hobby-Sprachforscher sicher. Der „Mellinghoff“ an der Angel war sicher wie die Nachbaranwesen früher ein Mühlenhof. Dass der „Schemm“ als Namensbestandteil der Steg (über einen Bach) meint, ist heute wohl auch geklärt. Doch vieles wartet noch darauf, enträtselt zu werden. „Es gibt viele schöne Themen“, freut sich Heinrich Book auf die weitere Forschungsarbeit.

Vom Weideland zum „Himmelreich“


Sendenhorst. Alte Flurnamen haben es Dr. Heinrich Book schon lange angetan. In vielen Orten seien diese bereits katalogisiert und veröffentlicht, damit sich die Menschen daran erinnerten, warum der „Landstrich“, auf dem sie wohnen, so und nicht anders heißt. Für Sendenhorst soll in Zusammenarbeit von Stadt und Heimatverein ebenfalls ein Flurnamen-Atlas erstellt werden, erklärt Book.

Das sei eine gute Sache, die es bereits in vielen Städten und Gemeinden im Münsterland gebe und die sicher von vielen Bürgern unterstützt werde. Er selbst unterstütze das Vorhaben gerne mit seinem „kleinen Wortlabor“. Heinrich Book beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit altdeutscher Sprache. Wie solche Erklärungen aussehen könnten und wie sich Interessierte alten Flurnamen nähern könnten, macht Heinrich Book anhand des Sendenhorster „Himmelreiches“ deutlich, auf dem die Pfadfinder ihr gleichnamiges Jugendgästehaus errichten werden.

„Als Vater von vier begeisterten Pfadfindern freue ich mich sehr darüber, dass diese Organisation bis heute in Sendenhorst aktiv und kreativ geblieben ist“, erklärt Book.Und dass die Pfadfinder ihr Gelände „Himmelreich“ nennen, mache zudem deutlich, dass sie wüssten, dass es sich bei dem Begriff um einen alten Flurnamen handele. Allerdings frage er sich, ob die Pfadfinder denn auch wüssten, wie ihr Gelände zu seinem Namen gekommen ist.

Nach Ansicht von Wortexperten sei zu Beginn der Besiedlung dieses Teils von Westfalen durch die Sachsen die Umgebung der Dörfer und Städte „Mark“ genannt worden. Die „Mark“ oder auch „Feldmark“ sei Allgemeinbesitz gewesen. Erst später habe die Aufteilung der Mark an einzelne Siedler und Bürger begonnen. Bereiche, die dabei übrig blieben, seien eingehegt worden und als allgemeine Weideplätze für die Tiere ausgewiesen worden. „Man nannte sie ,Hammark‘. Das bedeutet allgemeiner Weideplatz aus ,ham‘ und ,mark‘“, erklärt Book.Der Begriff sei ein altgermanisches Wort und bedeutete „heimische Mark“ vergleichbar mit dem Begriff „Allmende“ der im Hochdeutschen erhalten geblieben ist.

Später habe sich der Begriff in „Hammrik“ gewandelt, wobei die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen sei. Nur die Endung „rik“ habe an „reich“ – „Reich“ denken lassen. „Da wurde das Wort zum „Himmelreich“, meint Book. Denn „darunter konnte man sich etwas vorstellen“.Diesen Vorgang nenne der Fachmann Volksetymologie. Das bedeute: „Wörter, die das Volk nicht versteht, macht es sich durch Drehen und Wenden mundgerecht und irgendwie sinnvoll und verständlich.

Dafür gibt es viele schöne Beispiele unter anderem mit einer neuen Kartoffelsorte in Norddeutschland. Die Sorte war ,Magna bona‘ getauft worden. Das heißt ,Große Gute‘. Nach wenigen Jahren hieß sie bei den Bauern ,Manken de Bohnen‘, was ,zwischen den Bohnen‘ bedeutet. Die neue Bezeichnung war auch nicht ganz richtig, aber darunter konnte man sich wenigstens etwas vorstellen“, erklärt Book.Als das Urkataster 1830 von den preußischen Beamten erstellt worden sei, sei der Name „Himmelreich“ auch offiziell eingetragen worden.

So wie Sendenhorst sei es vielen niederdeutschen Dörfern und Städten ergangen. Münster, Telgte, Warendorf, Osnabrück, Rheine und Cloppenburg hätten ihr „Himmelreich“. In Münster gibt es auch eine „Himmelreichallee“. „Weideplätze wurden für die Allgemeinheit überall benötigt“, erläutert Heinrich Book.

Flurbereinigung bringt Mühlenreste ans Licht

Bei Feldarbeiten an der Brennerei Horstmann sind in den 70-er Jahren diese alten Mühlsteine aufgetaucht. Jochen Horstmann hat feststellen lassen, das sie einen seltenen Schliff aufweisen. (Foto: Thesing)


 

Sendenhorst. Dass im Nordosten und Norden der Stadt die Angel still und eher unscheinbar vor sich hinfließt, ist vielen bekannt. Dass es an diesem Flüsslein früher Wassermühlen gegeben haben könnte, wird heute allenfalls noch an den Namen der Höfe deutlich, die sich an der Angel befinden. Diese hat in der Nähe von Ennigerloh ihre Quelle und mündet in Angelmodde in die Werse. Hofnamen erzählen, wenn man sie richtig deuten und „übersetzen“ kann, eine Geschichte. Und solchen Geschichten alter Höfe geht Dr. Heinrich Book, passionierter Heimatforscher, auf den Grund.

An der Angel hat es im Bereich von Sendenhorst wohl mal vier Wassermühlen gegeben, meint Heinrich Book. Wann sich allerdings das erste Mühlenrad dort gedreht hat, lasse sich heute nicht mehr bestimmen. Alten Dokumenten zur Folge sei es aber wahrscheinlich, dass es bereits eine Mühle gab, bevor es um 1300 einen Berufsmüller auf dem „Mellighoff“ gab.

Manchmal hilf neben beharrlicher Recherche in Büchern und Dokumenten auch der Zufall, um Geschichte Lebendig werden zu lassen. So auch bei der „Mühlenforschung“ von Dr. Heinrich Book. Auf dem Hof Suermann unweit der Angel in der Bauerschaft Rinkhöven hat der Namensforscher von Theodor Suermann erfahren, dass es im Bereich der Pappeln an der Angel früher ein so genanntes „Kolkschem“ gegeben habe. Dieser Begriff setzt sich laut Heinrich Book aus den niederdeutschen Worten Kolk und Schem zusammen. Während sich ein Kolk als mit wasser gefüllte Vertiefung noch einiger Bekanntheit erfreut, wird der Schem mit Steg übersetzt. Antor Suermann habe seinem Sohn Theodor früher erzählt, dass es im Bereich des „Kolkschems“ früher eine Mühle gegeben habe, die zum Gutshof derer von Schorlemer im Bereich des Schörmels gehört habe. „Ich selbst habe gesehen, dass man bei der Umleitung der Angel beziehungsweise deren Begradigung mit dem Bagger in der Nähe des Schems alte Eichenbalken aus der Erde gebuddelt hat. Dabei wurde immer wieder davon gesprochen, dass diese Balken von einer alten Mühle stammen“, habe Theodor Suermann berichtet. Die Arbeiten an der Angel seien in den Jahren 1959 bis 1960 im Rahmen der Flurbereinigung durchgeführt worden.

Die Zugehörigkeit der Mühle zum Gutshof Schorlemer sei allgemein bekannt gewesen. Der Gutshof habe übrigens etwa dort gestanden, wo sich heute die Brennerei Horstmann befindet. Womit sich der Kreis schließt. Denn auf dem Anwesen der Brennerei sind alte Mühlsteine zu finden. Apropos Schorlemer: Von diesem Namen dürfte sich die heutige Bezeichnung „Schörmel“ ableiten.

Die Existenz der vierten Mühle an der Angel ist wiederum der Recherche von Heinrich Petzmeyer zu verdanken. Er hat sie in der Nähe des heutigen Hofes Dernebockholt, der früher einer Familie Horstmann gehört habe, ausgemacht. Dass es diese Wassermühle tatsächlich gegeben hat, hat sich Heinrich Book in einem Gespräch mit einem Zeitzeugen bestätigen lassen. Paul Pohlmeier, Jahrgang 1924, wohnt heute in der Bauerschaft Elmster Berg. Er habe berichtet, dass er früher wegen der geringeren Entfernung zur Volksschule nach Alverskirchen gegangen sei. Mit den Nachbarskindern habe er den Weg vorbei am Hof Dernebockholt – heute auf Alverskirchener Gebiet gelegen – abgekürzt. „In den ersten Jahren meiner Schulzeit – ich wurde 1939 eingeschult – gab es in der Nähe des Hofes an der Angel ein Mühlenrad, das durch das Wasser in Bewegung gesetzt wurde“, erinnert sich Pohlmeier. Später sei dann die Wasserkraft durch Dampf ersetz worden. Wann genau, daran könne er sich nicht mehr erinnern.

Dr. Heinrich Book berichtet, dass es bei der Mühle ein sehr großes, altes Kreuz aus dem Jahr 1720 gegeben habe. Dies sei bei der Beseitigung der Stauung an den Weg versetzt worden, der heute von der Landesstraße zum Hof Dernebockholt führt. Paul Pohlmeier habe schließlich auch berichtet, dass in der Mühle in ihrer aktiven Zeit vorwiegend Korn gemahlen wurde.

VON JOSEF THESING, SENDENHORST 

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