Randale und ein aufsässiges Volk

Sendenhorst - Der Bürgermeister wurde nicht gewählt, sondern von der Regierung eingesetzt. Und so hielt sich das Vertrauen zwischen dem Sendenhorster Volk und der Obrigkeit in Grenzen in den Jahren von 1820 bis zum Beginn der Revolution anno 1848.

Es war die Zeit, in der die Beamtenhierarchie moderner Prägung ihren Anfang nahm. „Biedermeierzeit“ oder „Vormärz“ nennen diese Epoche heute die Geschichtsschreiber. „Das Verwaltungshandeln der Stadt lief nach strikten Anweisungen über Berlin, Münster oder Beckum“, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Sendenhorster Stadtgeschichte.

Doch das Sendenhorster „Volk“ wollte nicht so einfach kuschen, wie auch in früheren Jahren nicht. Ein bisschen renitent waren viele Bürger der Stadt immer, zumindest die, die in dem seinerzeit kleinen Zentrum wohnten. Das musste auch Johann Heinrich Brüning ab dem Jahr 1832 erfahren. Der Inhaber des Schulzenhofes Brüning in der Bauerschaft Sommersell war von der Regierung mit der Verwaltung der Bürgermeisterei betraut worden. Vorher hatte er die gleiche Funktion im Bezirk Vorhelm inne.

Für Brüning - und auch für die übergeordneten Dienststellen - waren die Sendenhorster „ein unruhiges, aufsässiges Volk, unberechenbar und mit einem Hang zu Anarchie und Aufruhr“, schreibt Petzmeyer.

Ähnlich sah das auch Landrat von Merveldt. der sich ausgiebig über die „unbotmäßigen Sendenhorster“ beklagte - unterstützt eben von deren Bürgermeister.

Der erklärte „seine“ Stadt zu einem „Ort, wo bekanntlich viele zügellose Burschen sich umhertreiben“. Wobei auch klar war, dass der Bürgermeister nicht alle meinte, denn die Handwerker und Ackerbürger, seinerzeit etwa ein Drittel der Bevölkerung, ließen es in bescheidenen aber gesicherten Verhältnissen ruhig angehen. Das galt auch für die Brenner, die bereits damals eine wichtige Rolle in der Stadt spielten.

Doch mehr als die Hälfte der Stadtbewohner lebte in ärmlichen bis erbärmlichen Verhältnissen, ein guter Nährboden für Revoluzzer. Sie hatten nicht viel zu verlieren, was dazu führte, dass sie bei Protestaktionen, bei Radau und bei Handgreiflichkeiten stets zur Stelle waren.

Sie weigerten sich, die seinerzeit obligatorischen „freiwillige“ Mitarbeit beim Wegebau zu leisten und erklärten die Wahlen im ersten Revolutionsjahr 1849 zum „Tag der Anarchie“. Vom Bürgermeister und auch vom Pfarrer - seinerzeit als „Amtsperson“ wohl wichtiger als der Bürgermeister - ließen sie sich nichts vorschreiben.

Vor allem wohl auch, weil es in der Stadt wirtschaftlich mehr und mehr bergab ging. Die beherrschende Leinenweberei durchlebte eine tiefe Krise. Wohnungs- und Arbeitsplatzprobleme trieben zahlreiche Familien in die nackte Not. Neue Fernstraßen wurden abseits von Sendenhorst gebaut. Und die Stadt hatte immer noch unter den Folgen des großen Stadtbrandes von 1806 zu leiden. „Sendenhorst hatte im Kreis Beckum einen miserablen Ruf“, schreibt Petzmeyer.

Aber der Kreis stand dem wenig nach: Im Regierungsbezirk stand er in der politischen und moralischen Bewertung an letzter Stelle. Trunksucht, Lust an weltlichen Vergnügungen - bei gleichzeitiger „Vernachlässigung der sonntäglichen kirchlichen Pflichten“: So wurden die Stadt und das Umland in den 1830-er Jahren tituliert.

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