Häuser baufällig und fast unbewohnbar

Sendenhorst - Die Stadt beabsichtigt in diesem Jahr, die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer anzuheben. Sie orientiert sich dabei an den fiktiven Hebesätzen im Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2011.

Natürlich ärgert das Hau- und Grundbesitzer sowie Gewerbetreibende. Aber womöglich kann manch einer die Steuerlast ein bisschen drücken, wie es auch in der Geschichte der Stadt mach einer versucht hat. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass das auf diesem Weg gelingen heute dürfte.


Die Preußen hatten im Jahr 1832 das neue Steuersystem eingeführt. Grund-und Gewerbesteuer wurden wichtige Einnahmequellen des Staates. Zwar Jahre zuvor waren die Arbeiten am Urkataster abgeschlossen worden, womit die Größe der einzelnen Fluren und Parzellen festgelegt waren.

Dann ging es an die Häuser, deren Wert - heute „Einheitswert“ genannt - richtig taxiert werden sollte. Die Steuerkommission orientierte sich dabei an so genannten Musterhäusern.

Natürlich ging die Steuereinschätzung auch in Sendenhorst nicht geräuschlos über die Bühne. „Sie wurde von zahlreichen Protesten begleitet“, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Sendenhorster Stadtgeschichte.

Mal laut, mal eher leise versuchten die Bürger, die Bewertung ihrer Domizile zu beeinflussen. „Das Haus ist ganz baufällig und enthält außer einigen dürftigen Notstuben nur so viel Raum, um Ackerbau zu treiben“, schrieben die Bewohner eines Gebäudes an der Weststraße an die Obrigkeit. „Nur kleine Stube und Schlafkammer“, erklärten sich die Bewohner eines Hauses an der Neustraße. Dem wollte eine Familie an der Nordstraße nicht nachstehen. „Wenn auch das Mauerwerk noch etwas scheinbar sein mag, so ist es inwendig fast unbewohnbar. Das Holzwerk ist fast völlig zerstört.“

Zum Teil stimmte das sogar, hat Petzmeyer in alten Dokumenten recherchiert. Denn nach dem letzten großen Stadtbrand waren viele Häuser notdürftig wieder errichtet worden, und das mit sehr übersichtlichen finanziellen Mitteln. Und so habe es viele Gebäudeschäden gegeben, die erst viel später - nach 1850 - durch Neubauten beseitigt worden seien.

Ganz anders die Steuerargumentation der etwas Wohlhabenderen, die Häuser vermieteten. Sendenhorst sei auf die Stufe eines Dorfes zurückgefallen, was zur Folge habe, dass der Reinertrag durch die Miete bei der Steuerschätzung viel zu hoch angesetzt sei. So erklärte ein Gastwirt: „Es gibt weder eine öffentliche Landstraße noch ein Gericht oder eine andere Behörde.“ „Mit dem Bau der Chaussee von Münster nach Drensteinfurt“ sei Sendenhorst vom Verkehr abgeschnitten.

Vergleichbar wäre, wenn sich ein heutiger Sendenhorster Unternehmer bei der Steuerbehörde über das Fehlen der Umgehungsstraße beschweren würde.

Ein seinerzeit angesehener Kaufmann an der Kirchstraße bemängelte ebenfalls, dass er keinen Vorteil aus der möglichen Vermietung des Hauses ziehen könne. „Durch die Verlegung der neuen Chaussee kommen hier wenige Passagiere, durch deren Beherbergung man Nutzen ziehen könnte.“ Da es kein Gericht und keine Behörde mehr gebe, gebe es auch keine potenziellen Mieter mehr.

Ob die eine oder andere Beschwerde geholfen hat, ist nicht überliefert. Aber die Stadt war 1832 steuermäßig erfasst. Festgelegt wurde, dass es 272 bewohnte und besteuerte Häuser gab. Neben sechs Ackerwirten und 19 Amtsträgern wie Schule, Kirche und Verwaltung wurden 26 Kaufleute, Wirte und Fuhrleute besteuert.

Hinzu kamen 153 Handwerker. Diese waren als Pumpenmacher, Weißgerber, Hutmacher und Drechsler tätig, was seinerzeit in der Stadt als Spezialistentum galt.

Denn die meisten Selbstständigen übten ein traditionelles Gewerbe aus, das sich in Sendenhorst großer Konkurrenz erfreute, weshalb es kaum etwas zu verdienen gab. In der Steuerstatistik von 1832 sind 63 hauptberufliche Weber aufgeführt.

VON JOSEF THESING, SENDENHORST


Nach oben

Ahnenforschung
Blätterwald
21. Jhdt
1980/90er
1970er
1965_650J
1960 und davor
Fakten
Geschichte(n)
Grundwissen
H. Petzmeyer
Kornbrenner
Quellen