Die Wiedertäufer in Münster und Umgebung - Blutige religiöse Konflikte vor 500 Jahren

Wer heute in den Nachrichten Bilder aus Bürgerkriegsgebieten und dort marodierende religiöse Terrorbanden sieht, der mag denken, »Gott sei Dank gibt es hier so etwas nicht!« Für das Heute mag das stimmen, aber auch scheinbar so friedliche Gebiete wie unser Münsterland wurden vor knapp 500 Jahren von blutigen religiösen Konflikten erschüttert. Münster und das Münsterland war vor knapp 500 Jahren der Schauplatz des Aufruhrs der Wiedertäufer und natürlich blieben auch die umliegenden Nachbargemeinden davon nicht verschont.

Die Körbe mit den Leichen werden ander Lambertikirche aufgehängt. Der heutige Turm ist erst im 19. Jahrhundert errichetet worden, die Körbe aber "Original!

Ursprung der Wiedertäufer s. Wikipedia
Das Täufertum entwickelte sich in den 1520er Jahren als radikaler Zweig der Reformation in der Schweiz, Österreich, Süd- und Mitteldeutschland und etwas später auch im niederdeutschen Raum [= heutiges Nord-Deutschland]. U. a. ist Melchior Hofmann zu nennen, der täuferische Lehren nach Nord-Deutschland brachte, und es bildeten sich Glaubensgemeinschaften im niederdeutschen Raum aus (Melchioriten).


Wiedertäufer in Münster
Warum wurde ausgerechnet Münster zum Schauplatz des Täuferreiches? Das hing unter anderem mit den innerstädtischen Auseinandersetzungen zwischen den diese Stadt regierenden Erbmännerfamilien, Handwerkern und römischkatholischem Klerus zusammen.  … Ab 1531 verbinden sich die Handwerkergilden mit der noch jungen evangelischen Bewegung, die in Münster vor allem von Bernd Rothmann vertreten wurde. Rothmann wird vom münsterschen Domkapitel mehrmals mit Predigtverbot belegt und schließlich des Landes verwiesen. Rothmanns inzwischen umfangreich gewordene Anhängerschaft, darunter auch wohlhabende Bürger, verhindert dies aber. Franz von Waldeck setzt sich im Frühsommer 1532 [als neuer Fürstbischof und somit Landesherr] durch und kann ab diesem Zeitpunkt an gegen Münster vorgehen. Zunächst verhängt Waldeck ein Handelsverbot gegen die Stadt und lässt Vieh von münsterschen Bürgern beschlagnahmen. Im Gegenzug überfallen Münsteraner am 25. Dezember 1532 bischöfliche Berater in Telgte und bringen sie als Geiseln nach Münster. Ein Kompromiss kann jedoch eine weitere Eskalation verhindern: Der Bischof akzeptiert die evangelischen Prediger in der Stadt, doch die Kirchen und Klöster müssen katholisch bleiben. Bei den Wahlen im März 1533 wird der Stadtrat komplett evangelisch.

 

Zuzug von Protestanten und niederländischen Täufern
Nun kommen immer mehr Protestanten aus der näheren und weiteren Umgebung in die Stadt, darunter auch viele Täufer aus den Niederlanden. Im Sommer 1533 befindet sich der 23-jährige Jan van Leiden, der spätere »König« von Münster, erstmals in der Stadt. Er kehrt zunächst in die Niederlande zurück und lässt sich dort von Jan Mathys, dem wichtigsten »Propheten« der niederländischen Täuferbewegung, als Erwachsener erneut taufen. Im Januar 1534 schickt er Jan van Leiden als seinen Gesandten in die Stadt, gleichzeitig beginnen die Erwachsenentaufen in der Stadt. Die Erwachsenentaufe widerspricht dem Reichsrecht, was Fürstbischof Franz von Waldeck die Möglichkeit zum erneuten Vorgehen gegen die Stadt gibt. Seine Aufforderung an den Stadtrat, die Täufer auszuliefern, wird von diesem jedoch abgelehnt.


Aufbau des Täuferreichs - Jan Mathys
Im Februar 1534 erscheint Jan Mathys in der Stadt und setzt sich an die Spitze der Täuferbewegung. Am 23. Februar 1534 setzten sich bei der Ratswahl die Täufer durch, die damit Münster beherrschen. Bereits einige Wochen zuvor hatten die meisten verbliebenen Katholiken sowie viele nichttäuferische Protestanten die Stadt verlassen. Gebäude der Vertriebenenwerden besetzt oder verwüstet. Nun beginnt ein radikaler Umbau der Strukturen. Die Täufer führen unter anderem die Gütergemeinschaft ein und lassen das Stadtarchiv verbrennen. Diese Radikalität führt zu erneuten Auseinandersetzungen. Vor allem die zunehmende Endzeiterwartung der Propheten stößt auf Ablehnung. Für Ostern 1534 verkündet Jan Mathys das Erscheinen Jesu Christi in der Stadt. Fürstbischof Franz von Waldeck hat mittlerweile den Belagerungsring um die Stadt geschlossen. Als das Erscheinen Christi ausbleibt, zieht Jan Mathys mit einigen Getreuen am Ostertag vor die Stadt, wo er getötet wird.


Weitere Radikalisierung - Jan van Leiden
Nun wird Jan van Leiden Kopf der münsterschen Täufer. Unter ihm radikalisiert sich die Bewegung weiter. Zwar schafft er die zu der Zeit allgemein gebräuchliche Folter vor Vollstreckung eines Todesurteils ab, aber die Todesurteile vollstreckt er nicht selten persönlich. Im Sommer 1534 wird aufgrund des erheblichen Frauenüberschusses – Verhältnis Frauen – Männer 3:1 – die Polygamie eingeführt - und das, obwohl die Täufer sich für eine strenge Sittenwacht ausgesprochen hatten. Jan van Leiden nimmt im Verlauf des Täuferreiches 16 Ehefrauen. Im September wehrt die Stadt einen Sturmversuch der Belagerer ab. Es werden »Missionare« in benachbarte Städte geschickt. Diese werden jedoch entweder von bischöflichen Truppen abgefangen oder in ihren Zielstädten aufgegriffen. Lediglich in Warendorf übernehmen die Täufer für eine Woche die Kontrolle, werden aber schnell von bischöflichen Soldaten geschlagen. Im Oktober 1534 scheitert auch ein Hilfegesuch an die niederländische Täuferbewegung.

Belagerung und Rückeroberung Münsters
Die Belagerung der Stadt führt bald zu einer Hungersnot. Es soll sogar die weiße Kalkfarbe der Kirchen abgekratzt worden, in Wasser aufgelöst und als Milch verteilt worden sein. Nach eineinhalb Jahren wird Münster am 24. Juni 1535 in einem Blutbad eingenommen. Rund 650 Verteidiger werden getötet, die Frauen aus der Stadt vertrieben. Hauptprediger Bernd Rothmann und »Reichskanzler« Heinrich Krechting können entkommen. Es werden alle Täufer (Männer & Frauen), mit Ausnahme von Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling, hingerichtet.


Verurteilung und Hinrichtung der Anführer
Die drei Oberhäupter werden zunächst im Stift (= Münsterland & westliches Niedersachsen) herumgezeigt. Am 6. Januar 1536 werden sie in Wolbeck zum Tode verurteilt und am 22. Januar zu Füßen der Lambertikirche, auf dem Prinzipalmarkt, zu Tode gefoltert. Ihnen werden mit glühenden Zangen die Zungen ausgerissen, ihre Körper zerfetzt und nach vier Stunden erdolcht. Ihre Leichen werden in eisernen Körben am Turm der Lambertikirche aufgehängt zur Schau gestellt, »daß sie allen unruhigen Geistern zur Warnung und zum Schrecken dienten, dass sie nicht etwas Ähnliches in Zukunft versuchten«. Die Täuferkörbe hängen noch heute an der Kirche. Die Folterinstrumente befinden sich im Stadtmuseum Münster.


Auswirkungen auf Sendenhorst
Neben den zahlreichen katholischen und nichttäuferwilligen protestantischen Flüchtlingen aus Münster, die es in die Nachbarstädte zog, so natürlich auch nach Sendenhorst, waren das größte Problem vor allem marodierende Banden und desertierte Truppenteile, die Angst und Schrecken in der Gegend verbreiteten. Im Sendenhorster Stadtarchiv findet sich folgender Text aus dem 20. Jahrhundert über die Folgen der Belagerung Münsters auf Sendenhorst (vermutlicher Autor Bernhard Fascies):
…Zudem verließen große Haufen der Soldaten des Fürstbischofs ihre Fahnen. Die Flüchtigen, die nicht gegen die Wiedertäufer kämpfen wollten, wendeten sich nach Sendenhorst und steckten hier einen Hof des Gerd von Plettenberg, die Tockenburg, in Brand. Der erzürnte Bischof gab dem Rittmeister Bernhard von Westerholt den Befehl, die Meineidigen zu verfolgen, den Rädelsführern die Köpfe abzuschlagen und den übrigen zwei Finger der rechten Hand abhauen zu lassen.

Diese hatten sich auf dem im Süden der Stadt gelegenen Jungmannschen Hof verschanzt, der mit einem Graben umgeben war. Hier setzten sie sich tatkräftig zur Wehr. Der bischöfliche Ritter Theodor von der Recke und sein Vetter, ein Domherr, warfen den Schlagbaum aus und sprengten mit den Reitern den Hof. Doch wurden sie mit einem Kugelregen empfangen.

Der Ritter fiel tot vom Pferde. Der Domherr blutete aus mehr als zehn Wunden. Die übrigen zogen sich zurück und schickten einen Reiter ins fürstbischöfliche Lager, um große Geschütze kommen zu lassen. Als damit die Belagerung von neuem begann, verloren die Ausreißer den Mut und ergaben sich auf Gnade und Ungnade Sie wurden nach Wolbeck gebracht und in die dortige Kirche eingesperrt. Das Kriegsgericht verurteilte alle zum Tode. Doch wurden nur die Rädelsführer hingerichtet, die übrigen aber begnadigt.

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