Der Schrecken des Landrats

Sendenhorst - Wenn die Nächte lang und dunkel waren, machten sie sich auf den Weg. Zeit genug hatten sie, denn Arbeit gab es in den langen Wintermonaten nicht besonders viel. Und Grund genug für ihr Tun gab es wohl auch, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse waren für die meisten Sendenhorster recht dürftig, wie Heinrich Petzmeyer für seine Sendenhorster Stadtgeschichte recherchiert hat. Also machten sie sich auf ins Königreich Hannover, um das zu tun, was Geld brachte: schmuggeln.

Zu Fuß oder mit dem Karren nach Hannover? Nun ja, die Grenzen waren seinerzeit anders gezogen. Bis zum Jahr 1866 grenzte die Preußische Provinz Westfalen, zu der Sendenhorst gehörte, im Norden und in Nordosten an das Königreich Hannover. Und der Weg war über Ostbevern und Milte nach Glandorf nicht allzu weit. Dort waren viele Konsumgüter billiger als in Sendenhorst, weil sie weniger besteuert wurden.

Und so entwickelte sich ein reger Schmuggelhandel. Den gab es woanders auch, aber die Sendenhorster galten als besonders gut organisiert. Besonders prominent war diesbezüglich die seinerzeit berüchtigte „Sendenhorster Schleichträgerbande“, deren Treiben lange Zeit unentdeckt blieb oder von den Menschen nicht an die große Glocke gehängt wurde.

Die geschmuggelten Waren, die nicht für die Selbstversorgung benötigt wurde, wurden an Hausierer oder fahrende Händler verhökert, die so in den Nachbarkirchspielen einen florierenden Handel mit preisgünstigem Salz, Kaffee oder Tabak aufzogen. Und so hatten alle Beteiligten ihren Profit - mit Ausnahme der Preußischen Provinz.

Das ärgerte den Zoll und machte den Landrat wütend. „Die berüchtigte Sendenhorster Schleichträgerbande bildet den Schrecken der auswärtigen und die Schande der heimatlichen Gegend“, beklagte Landrat von Merveldt. 
Bei Dunkelheit machte sich die Schmuggelbande auf den Weg und kehrte noch in der gleichen Nacht schwer bepackt aus dem nahen Königreich zurück. Dass das auf Dauer nicht gutgehen würde, war vermutlich auch den Schmugglern bekannt. 

Und so war ein Zwischenfall in der Nacht vom 28. auf den 29. Februar 1840 der Anfang vom Ende des lebhaften illegalen Handels. Die Aufseher vom Hauptzollamt in Telgte erwischten Mitglieder der Bande auf frischer Tat. 

Beim dabei üblichen Schusswechsel wurde der Weber Bernhard Hermann Krey lebensgefährlich angeschossen, während der Rest der Bande flüchten konnte. Krey verkroch sich in einem Kötterhaus in Einen, wo er verstarb, wie seine Frau nachher dem Sendenhorster Bürgermeister Johann-Heinrich Brüning berichtete. Sie war nach Einen gereist und fand ihren Mann in Gegenwart von Gerichtsvertretern aus Warendorf tot im Bett liegend. 153 Pfund Salz wurden bei Krey gefunden.

Die Zollbeamten hatten einen weiteren Sendenhorster angeschossen. Doch der wurde nicht gefunden. Die Fahndung in Sendenhorster Schmugglerkreisen brachte allerdings allerlei Schmugglergut zu Tage. 
Beim Maurergesellen Friedrich Bischob wurden 44 Pfund Salz und drei Pakete Tabak gefunden. Der Weberjunge Theodor Rieping gestand laut Gerichtsakten, 16 Pfund Salz und zwei Pakete Tabak aus Glandorf eingeschmuggelt zu haben. „Gründliche Verhöre“ - die tatsächlich wohl „gründlich“ waren - waren dem vorausgegangen. Andere Verdächtige konnten nicht überführt werden.

Die wirtschaftliche Lage besserte sich, und der Schmuggel wurde weniger einträglich. Ganz vorbei war er, nachdem sich die deutschen Staaten zu einer Zollunion zusammengeschlossen hatten.

VON JOSEF THESING, SENDENHORST

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