„Barbarische“ Taufen in eisiger Kirche?

Sendenhorst - Dass der Klerus und die Wissenschaft nicht immer gut miteinander konnten, ist für viele Teile der Geschichte dokumentiert.

In Sendenhorst war das nicht viel anders, auch wenn vielleicht auf einer etwas kleineren Flamme gekocht. Der erste Arzt in Sendenhorst, der wissenschaftlich vorgebildet war, hieß Brüning. Der Berufsanfänger kam im Jahr 1810 in die Stadt. Und er brachte jede Menge idealistischen Schwung mit, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Stadtgeschichte. Was dazu führte, dass er sich alsbald mit dem gutmütigen und der Aufklärung verpflichtetem Pfarrer Franz Darup anlegte. Der Grund: Arzt Brüning sah die Gesundheit der Sendenhorster dadurch gefährdet, dass sie bis dato in der Kirche mit zu kaltem Wasser getauft wurden.


Der Doktor war beseelt davon, in der „ungebildeten Landbevölkerung“, wie er fand, mit Aberglauben und von der Religion geförderten, gesundheitsgefährdenden „Unsitten“ aufzuräumen. Dazu gehörte nach seiner Meinung die Säuglingstaufe.

Doch statt zunächst mit dem Sendenhorster Geistlichen zu sprechen, wandte er sich gleich an die Obrigkeit in Person des zuständigen Präfekten in Hamm. Die wehrlosen Köpfe der Kinder würden, schildert der Arzt, in der Kirche drei Mal mit zu kaltem Wasser übergossen, und das bei jedem Wetter. Und im Winter komme dazu, dass die Kinder bis zu einer Stunde lang durch Wind und Kälte zur Kirche getragen würden. „Die Schädlichkeit dieses (ich will nicht sagen barbarischen), aber leichtsinnigen Verfahrens wird wohl von keinem etwas nachdenkenden bezweifelt“, schreibt der Arzt. Das Wasser müsse deshalb erwärmt werden, auch wenn das Kosten verursache. Weitere Wege sollten mit Säuglingen zudem nur in wärmeren Jahreszeiten zurückgelegt werden.

Präfekt Wiethaus schaltete den Sendenhorster Bürgermeister Langen ein, um „etwaigen Missbräuchen“ in Sendenhorst abzuhelfen.

Und so wird Pfarrer Darup zur schriftlichen Stellungnahme gebeten, die sich über viele Seiten eines langen Briefes erstreckt. „Beim Ausdruck ,barbarisches Verfahren´ scheint ein hämischer Seitenblick auf die Geistlichkeit hervorzublicken“, schreibt der rede- und schreibgewandte Pfarrer dem Bürgermeister. Etwa wenn der Arzt empfehle, bei unwirtlichen Wetterbedingungen vom Kirchgang abzusehen.

Und: Selbstverständlich werde bei Kälte mit warmen Wasser getauft. Und das nicht einmal in der Kirche am kalten Taufstein, sondern in der warmen Sakristei. Dem Arzt solle deshalb der „Befehl“ erteilt werden, sich künftig ehrenrühriger Begriffe zu enthalten.

Ob das geschehen ist, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass das Ansehen von Pfarrer Franz Darup im Bistum in den Folgejahren geradezu karrierenhaft anstieg.

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