Schulschwänzer kamen in den Knast

Sendenhorst - Heute gibt es einen Eintrag ins Klassenbuch, wenn ein Schüler unentschuldigt fehlt. Davon dürften jene Schüler, die nach 1903 die Sendenhorster Berufsschule besuchten, wohl nur geträumt haben - wenn sie es gewusst hätten. Und auch die Lehrherren. Letztere hatten ein Bußgeld zu bezahlen, wenn ihre Lehrlinge dem Deutsch- oder Rechenunterricht unentschuldigt fernblieben. Und die fehlenden Schüler wanderten für ein Wochenende in den „Karzer“, wie das Polizeigefängnis seinerzeit genannte wurde, schreibt Heinrich Petzmeyer in seiner Sendenhorster Stadtgeschichte.

Dabei war das Schülerleben seinerzeit wohl mindestens genauso anstrengend wie das heutige. Ein Zehn-Stunden-Arbeitstag war für die Lehrlinge und Gesellen die Regel. Und mancher Schüler der damaligen „gewerblichen Fortbildungsschule“ hatte aus den Bauerschaften einen langen Weg zu Fuß in die Stadt zurückzulegen. Und zum Zeichenunterricht, der um 1920 im Spielsaal des Krankenhauses erteilt wurde, mussten die Schüler sonntags um 7.30 Uhr antreten - die Sendenhorster Geistlichkeit duldete „keine Veranstaltung während der Zeit des Hauptgottesdienstes“.

Dass in Sendenhorst überhaupt eine Berufsschule gegründet worden war, war im Wesentlichen wohl den örtlichen Handwerkern zu verdanken. Zwar hatte es bereits im Jahr 1891 eine städtische Initiative gegeben, eine solche Einrichtung aufzubauen. Aber auch schon damals war die Stadt ziemlich „blank“, und so verschwand das Projekt bis 1902 im Schreibtisch von Bürgermeister Hetkamp. Doch dann gelang es ihm, Interesse für die Schule zu wecken. Die Handwerkerschaft sah ein, dass „tüchtige Meister“ über ein gehöriges Maß an theoretischem Wissen verfügen sollten. Handwerksmeister fanden sich bereit, im Schulkuratorium mitzuwirken. Und es gab Lehrer, die bereit waren, nebenberuflich zu unterrichten.

Und so fasste die gut besuchte Gründungsversammlung des Kuratoriums den Beschluss, den Küfermeister (Fassbauer) Bücker, Schreinermeister Mössing und Zimmermeister Kötter mit den weiteren Arbeiten bis zum Schulbeginn zu beauftragen. Wöchentlich wurden am Abend zwei Stunden Deutsch und zwei Stunden Rechnen unterrichtet. Hinzu kam das Zeichnen am Wochenende.

Um den Besuch der Schule für die jungen Handwerker nach harten Arbeitstagen attraktiv zu machen, wurden für die Prüfungen zum Ende des Wintersemesters Prämien ausgelobt. 1909 waren das Sparkassenbücher mit Einlagen von drei bis sechs Mark.

Schwierig war der Schulbetrieb im Ersten Weltkrieg, weil die jungen Handwerker häufig Überstunden machen mussten. Zum Beispiel im Sendenhorster Stanz- und Emaillierwerk. Und bei der Firma Ramesohl, die Granaten für die Wehrmacht produzierte, berichtet Petzmeyer.

Die Lehrer der Berufsschule hatten keine spezielle Ausbildung. Aber sie bildeten sich nach 1922 in einer AG fort. Im Jahr 1926 wurde ein dritte Zeichenklasse eingerichtet, die Schreinermeister Kruse unterrichtete. Ein Jahr später übernahm Anstreichermeister Nachtigäller die beiden anderen Klassen. Jedes Jahr zu Ostern stellten Schüler ihre Arbeiten in der Gastwirtschaft Seelige aus.

Sendenhorst war mit dieser Berufsschule ein Vorbild in der Region. Denn im Jahr 1926 - fast 25 Jahre nach der Gründung der „gewerblichen Fortbildungsschule - beschloss der Kreisberufsschulausschuss Beckum die allgemeine Berufsschulpflicht für alle schulentlassenden berufstätigen Jugendlichen des Kreises.

VON JOSEF THESING, SENDENHORST

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