Landesherren mußten für die Schulden ihrer Vorgänger aufkommen

Sendenhorst. Der zweite Teil der Serie über „Steuern und Abgaben in der Vergangenheit und Gegenwart“ beschäftigt sich mit der Einführung einer regelmäßigen Staatssteuer durch die Bischöfe von Münster.

Angriff auf Münster durch die Truppen von Fürstbischof Franz von Waldeck an Pfingsten 1534. aus: http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%A4uferreich_von_M%C3%BCnster

782 hatte Karl der Große auf einer Reichsversammlung an den Lippequellen, wahrscheinlich in Paderborn, den Sachsen den Kirchenzehnt verordnet. Zehn Prozent des landwirtschaftlichen Rohertrags waren künftig zum Unterhalt von Geistlichen und Kirchengebäuden abzuliefern. Widerstrebend stellten sich die Bauern in Westfalen und anderswo in Sachen auf die für sie bis dahin völlig unbekannte Leistung von Abgaben ein. 500 Jahre später war der Zehnte so selbstverständlich geworden wie heute die Gewerbe- oder Grundsteuer. Die Bischöfe von Münster hatten in einem hundertjährigen Ringen mit Nachbarn und aufsässigen Adeligen ihres Bistums ein geschlossenes Gebiet unter ihre Herrschaft gebracht, das sich im wesentlichen mit dem heutigen Regierungsbezirk Münster deckte. Drosten, Amtleute, Richter und andere Verwaltungsbeamte wurden von ihnen anfänglich mit den Einkünften von Höfen, Grundstücken oder Zöllen entschädigt. Als sich der Zahlungsverkehr immer mehr von den Natural- auf die Geldwirtschaft umstellte, brauchten die Bischöfe dringend bares Geld.

Bezeichnenderweise nannte man die ersten Versuche einer allgemeinen Steuer Bede (Bitte). Der Landesherr stellte bei den Mitwirkungsorganen des Bistums, bei Adel, Domgeistlichkeit und Städten, einen Antrag auf Steuererhebung. War man einverstanden, dann durften die bischöflichen Beamten von jedem Untertanen über 12 Jahre – mit zwölf war man gefirmt und galt als erwachsen – eine einmalige, außerordentliche Steuer, im damaligen Sprachgebrauch Schatzung genannt, erheben. Meist wurde dem Bischof das Versprechen abgenötigt, während seiner gesamten Regierungszeit keine Steuern mehr zu fordern. Die Landesherren machten Schulden, für die ihre Nachfolger aufkommen mußten. Adel, Geistlichkeit und Städte, die Landstände, sahen ein, daß einem neuen Bischof Gelegenheit gegeben werden mußte, die Schulden seines Vorgängers loszuwerden. Es wurde üblich, „Willkommensschatzungen“ für das gesamte Bistum auszuschreiben.

Als nach 30jähriger Regierungszeit Bischof Heinrich von Schwarzburg starb, wählte das Domkapitel 1497 den Bischof von Osnabrück, Konrad von Rietberg, zum gleichzeitigen Bischof von Münster. Bischof Konrad bekam eine Willkommensschatzung bewilligt, die er in den folgenden beiden Jahren erheben ließ. Die Regierung des Bischofs wußte nicht so recht, nach welchen Grundsätzen sie die Untertanen besteuern sollte. Deshalb ging sie den einfachsten, aber auch den ungerechtesten Weg, sie schrieb eine Kopfsteuer aus. Jeder Erwachsene in Stadt und Land, ob Großkaufmann oder Tagelöhner zahlte 2 Schilling und 6 Pfennig = 30 Pfennig. Die Schatzung von 1498/99 lieferte mit einem vollständigen Register aller Familien in Kirchspiel und Stadt eine wertvolle ortsgeschichtliche Quelle.

75 steuerfähige und –pflichtige Haushalte wohnten 1498 innerhalb der Umwallungen der Stadt Sendenhorst. Es gab viele alleinstehende Frauen und viele Ehepaare oder steuerpflichtige Kinder. Evert thon Santwege (Bewirtschafter eines Hofes in der Bauerschaft Sandfort), Schulte ter Geist und Lubbert Brüggeman von der Oststraße hatten sechs steuerpflichtige Personen in ihrem Haushalt, alle übrigen Familien in der Stadt waren kleiner. Elf Personen zählten zu den „pauperes“, den Armen, die zahlungsunfähig waren. Die Adelsfamilien von der Heghe und Kunschop waren steuerfrei, ebenso der Küster mit seiner Frau und die vier Torwächter. Unter den Hausnamen finden wir Zuwanderer aus dem Kirchspiel (Kolsinctorp = Kössendrup, Geiseldorn = Geilern, Lindemann = Linnemann, Nysert = Nietgert), aber auch Namen, die heute noch vorkommen (Bonse, Weysteyn = Terwesten). Nicht einmal 250 Menschen lebten um 1500 in der Stadt Sendenhorst. Die 70 bis 80 Häuser drängten sich um die Kirche und säumten West- und Oststraße. Im Süden der Stadt stand die landesherrliche Burg, das Haus Sendenhorst, der spätere Drostenhof.

Die Bauerschaften des Sendenhorster Kirchspiels erscheinen in dem Steuerregister von 1498 in ihrer endgültigen Namensform. Die Hofesnamen wurden festgeschrieben und blieben bis in unser Jahrhundert hinein kaum verändert. Das Verzeichnis der Bauerschaft Brock mag dies verdeutlichen: Nysert (Niestert), Schulte to Broke (Schulze Bernd) Vornholt, Wilken (Wilking), Schulte Hinrik, Kolsendorp, Kerstien (Kersting), Hinrik upm Rotger (Röttgermann). 548 Erwachsene registrierte der bischöfliche Amtmann Johann Ocke in Sendenhorst Stadt und Kirchspiel. 68 Mark und 18 Pfennig war der Sendenhorster Anteil an 11 500 Mark, die Bischof Konrad von seinen Ständen als willkommen überreicht bekam. Obwohl jeder Bischof versprach, seine Untertanen mit weiteren Steuerlasten zu verschonen, wurden die Bürger und Bauern immer häufiger zur Kasse gebeten. Die Anlässe waren zwingend und die Landstände mußten wohl oder übel zustimmen.

Anlaß 1: Die Türkenkriege. Im Südosten des Deutschen Reiches bedrohten türkische Heere die Hauptstadt Wien. Kaiser Ferdinand verlangte eine Türkenhilfe von seinen Reichsländern. 1526 hatte das Stift Münster 2028 Gulden aufzubringen. 1532 mußte Münster 68 Reiter und 338 Fußsoldaten gegen die Türken schicken. Ihr Unterhalt verschlang 35 000 Gulden. 1544 kämpften 85 Berittene und 422 Fußknechte auf Münstersche Rechnung gegen die Türken. Wiederum wurde eine Steuer ausgeschrieben. Und endlich rangen sich die Stände dazu durch, die ungerechte Kopfsteuer aufzuheben und die Steuer nach Größe des Hofes oder Höhe des Vermögens anzusetzen. Jedes Kirchspiel bekam ein bestimmtes Quantum angewiesen. Pastor, Kirchräte, zwei vermögende und zwei minderbemittelte Einwohner bildeten eine Steuerkommission, die sich um eine gerechte Umlage bemühte.

Für Sendenhorst-Stadt liefert die Türkensteuer von 1544 das zweite vollständige Haushaltsverzeichnis. Zum ersten Mal wird die Bevölkerung nach Stadtvierteln veranschlagt. 31 Haushalte gab es im „Suiderverdel“, je 23 im „Norder“- und „Oesterverdel“, nur 13 im „Westerverdel“. Die Zahl der Haushalte war in rund 50 Jahren von 75 auf 88 gewachsen. Nur 10 Familien galten als vermögend, vier waren völlig mittellos. Die übrigen gehörten den untersten Steuerklassen und zahlten geringe Beträge zwischen 7 und 21 Pfennig. Einige Bürger fühlten sich nicht zur Steuerzahlung verpflichtet. Möglicherweise bekleideten sie ein öffentliches Amt, Bürgermeister, Ratsherr oder Schöffe. Sie gaben ihren Steuerzettel zurück und der Amtmann notierte kommentarlos: „In de kasten geworpen“.

Steueranlaß Nr. 2: Die Belagerung Münsters, der Krieg gegen die Wiedertäufer. Wiederholt kamen die Landstände zusammen, um notwenige Steuern auszuschreiben. In den meisten Fällen blieb die Pfarrgeistlichkeit steuerfrei. 1589 wurden die Feuerstellen, d. h. die Wohnungen des „Clerus secundarius“ mit einer Steuer belegt und Pastor Henrich Hölscher bekennt die Zahlung von einem Taler „wegen twier Fürstedde, so in der Wedenhove (Pfarrhof) sind“.

Wesentlich höher als die Handwerker- und Tagelöhnerfamilien in der Stadt wurden die Höfe und Kotten der Bauerschaften mit Steuern belegt. Zwischen 2 und 7½ Gulden schwanken die Forderungen, die die Steuerkommission bei der Türkensteuer 1544 an die Bauern stellte. Nach einigen Änderungen und Anpassungen wurde um 1580 eine endgültige Steuerliste vorgelegt. Und von nun an bis zum Ende der fürstbischöflichen Herrschaft im Jahre 1802 blieb das Steuerquantum der Sendenhorster Höfe unverändert. Dafür veränderte sich die Häufigkeit der Zahlung. Bis zum Jahre 1600 wurde die Kirchenspielschatzung Jahr für Jahr erhoben. Bis zum Jahre 1630 zwei- bis dreimal jährlich. 1634 achtmal und ab 1695 monatlich. Aus einer gelegentlichen Besteuerung zum Regierungswechsel war eine feste, monatliche Steuer geworden.

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