Der Westturm ruht fest auf alten Grevener Schleusensteinen

Kirche um 1900 - Man beachte den Rand des Daches!

Sendenhorst. Am kommenden Samstag, ist es soweit: Die katholische Kirchengemeinde von Sendenhorst wird nach mehrmonatiger Schließung ihres Gotteshauses - wegen  dringender  Renovierungsarbeiten  im Innenraum - wieder feierlich in die vertraute Pfarrkirche ihren Einzug halten.Dieses Ereignis gibt Anlaß, über den vor gut 120 Jahren durchgeführten Neubau der Kirche zu berichten.

Am 15. November 1925 feierte die Kirchengemeinde von St. Martin das Fest ihres Kirchenpatrons und gleichzeitig die 60. Wiederkehr des Tages der Kircheneinweihung. Wegen  dieses  Jubiläums hat seinerzeit Wilhelm Kleinhans (t 1932} eine Abhandlung über den Kirchenbau geschrieben, aus der nunmehr auszugsweise eine Wiedergabe erfolgt:

„Das frühere Gotteshaus, ein schlichter Bau in romanischem Stil, war eine Kreuzkirche, deren Längsachse 93 Fuß ( = 29m) und Querachse 77 Fuß ( = 25% m) und deren Größe ca. 400 qm betrug. Der Kirchturm der alten Kirche soll nach mündlicher Überlieferung dem Turm der Kirche St. Ludgerus zu Albersloh ähnlich gewesen sein. Um die Besucher der Kirche aufnehmen zu können, befanden sich im Innern der alten Pfarrkirche an der Nord-, Süd-und  Westseite Bühnen. Mehrere Brände und der Zahn der Zeit hatten das Gotteshaus stark mitgenommen. Bei dem Großbrand am 29. April 1806,  als  ein großer Teil der Stadt eingeäschert wurde, brannte der Kirchturm aus, die Glocken schmolzen, und das Mauerwerk des Turmes zeigte weite Risse. Infolge der Kriegsjahre unterblieb die Ausbesserung. Unter der französischen Regierung sollte der Kirchengemeinde geholfen werden. Aus dem aufgegebenen Kloster Kentrup bei Hamm wurden ihr Paramente und kirchliche Geräte überwiesen. Das  war auch alles, was geschah. Denn eine vom Landesdirektor des Herzogtums Berg zugesagte Glocke vom Kloser  Cappenberg hat den Weg nach Sendenhorst nie gefunden.

Allerdings hatte der große Brand anno 1806 der Stadt zwei große Vorteile gebracht. Das waren einmal einheitliche Straßenzüge und zum anderen ein großer freier Kirchplatz. Somit war die Platzfrage für ein größeres Gotteshaus zwar gelöst, aber wegen fehlender Mittel ein völliger Neubau der Kirche in weite Ferne gerückt. Daher wendeten sich am 17. Juli 1825-Pfarrer Dr. Darup und Bürgermeister Röhr an den Bauinspektor Müser in Münster zwecks Anfertigung eines Entwurfs und Kostenanschlags zum Umbau der Kirche. Müser lehnte den Auftrag zwar nicht ab, dachte aber an die arme Gemeinde und bezweifelte die Aufbringung der Kosten. Im Frühjahr 1829 sollte mit dem Umbau  begonnen werden. In dem Jahr konnte nämlich Pfarrer Dr. Darup sein goldenes Priesterjubiläum begehen und da er gleichzeitig Landdechant und Domkapitular war, wurde der Besuch hoher Würdenträger in Sendenhorst erwartet. Das Fest wurde zwar  glanzvoll in Gegenwart des Bischofs Gaspar Max Freiherr von Droste-Vischering, mehrerer Domherren und des Oberpräsidenten von Vincke gefeiert, aber noch in der alten Kirche von Sendenhorst Man war lediglich dazu gekommen, vorsichtshalber den Turm zuverankern. Die nach dem Brande ersetzten Glocken waren bereits einmal infolge Berstens wieder umgegossen und nochmals gesprungen. So ließ Pfarrer Dr. Darup im Jahre 1834 durch den Franzosen Boitel hier am Orte vier Glocken gießen und auf den alten Turm hängen.

Am 9. September 1835 wohnte der 79jährige Priestergreis zum letzten Male einer Sitzung über den  Kirchenbau bei. In der Sitzung wurde hauptsächlich über die Beschaffung des Steinmaterials verhandelt. Man hoffte, genügend gute Steine im Steinkühler Feld und auf den Grundstücken von Johlmann (heute Halene) brechen zu können. Ein einheimischer Sachverständiger hielt die Steine für tauglich und berief sich auf die Aegidiikaserne in Münster, wo Steine aus diesen Brüchen zu den Fluren Verwendung gefunden hatten. Während bisher nur ein Erweiterungsbau geplant war, kam man in einer Konferenz am 11. Mai 1836 unter dem Vorsitz des Landrats und in Anwesenheit des Bauinspektors Ritter zu dem  Entschluß, die Kirche von Grund auf neu zu bauen. Pfarrer Dr. Darup hatte an dieser wichtigen Versammlung nicht mehr teilgenommen, er starb noch in demselben Jahre, am 30. November.

Sein Nachfolger wurde 1837 Pfarrer Bernhard Lorenbeck. Dieser hatte jedoch zum Kirchenbau größere Pläne. Nach den bisherigen Verhandlungen sollte eine einfache Kirche ähnlich der Kirche Glandorf nach den Plänen des Bauinspektors Ritter gebaut werden. Pfarrer Lorenbeck ließ zunächst einige Jahre ins Land ziehen. Durch die Verlegung des Friedhofs aus der Mitte der Stadt zum Osttor im Jahre 1843 wurde für den Kirchenbau freies Gelände geschaffen. Zu derselben Zeit stellte der Pfarrer Pastoratsgrundstücke auf dem Nienkamp am Nordtor zur Ausbeutung des Lehms zur Verfügung und schloß mit dem Ziegelmeister Hartmann aus Amelsbüren einen Vertrag auf Herstellung von Ziegelsteinen zum Preis von 2 Thlr. pro 1000 Stück. Da das Ergebnis des Probebrandes günstig ausfiel, wurde beschlossen, die ganze Kirche im Ziegelrohbau auszuführen. Die im Steinkühlerfeld gebrochenen Steine wurden als untauglich hingestellt und fanden hauptsächlich zu Wege- und Brückenbauten Verwendung. Nachdem die Materialfrage gelöst war, stellte sich der priesterliche Bauherr im Vertrauen auf die Mithilfe seiner Pfarre ganz auf eigene Füße. Am 14. Dezember 1843 wurde dem Herrn Landrat berichtet  daß die Pläne des Bauinspektors Ritter als gänzlich unbrauchbar  verworfen seien und ganz neue Pläne bei Gelgenheit eingereicht würden. Ein weiteres Jahrzehnt verging aber, ehe das Vorhaben des Pfarrers zur Reife kam.

Seit 1840 war die Schiffahrt auf dem Max-Clemens-Kanal, der hauptsächlich von dem Fürstbischof Clemens August von Bayern (1719 bis 1761) von Münster bis Maxhafen bei Neuenkirchen bei Rheine gebaut war, eingestellt. Das Material der Schleusen kam zum Verkauf. Im  Kirchspiel Greven befand sich die Steinschleuse, die Pfarrer Lorenbeck von Greven aus, wo er vorher als Kaplan tätig war, kannte. Er kaufte diese Schleuse für den Kirchenbau an. Die gewaltigen Quader wurden dann durch Fuhren auf schlechten Wegen jahrelang herbei geschafft. Oft brachten vier Pferde nur einen einzigen Stein über die etwa acht Stunden lange Wegestrecke. Die Steine der Schleuse fanden zu dem Sockelmauerwerk und dem großen Westturm der Kirche Verwendung. 

Als Pfarrer Lorenbeck durch eine endlich bewilligte Haus- und Kirchenkollekte einen Nettobetrag von 8023 Rthlr. dem bisherigen Kirchenneubaufonds zuführen konnte, ließ er vollständig neue Pläne für eine neue Kirche durch den Dombaumeister Satz aus Köln anfertigen. Der Kostenanschlag nach diesen Plänen betrug 33806Rthlr. Da der Baufonds inzwischen auf 21000 Rthlr. angewachsen war, konnte endlich ans Werk gegangen werden. Zunächst wurde 1853 im Pastoratsgarten eine große Notkirche gebaut. Dann wurde mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen. Am 6. Juli 1855 konnte der Pfarrer die fertigen Zeichnungen zur Genehmigung einreichen. Der Baumeister Statz hatte noch Veränderungen vornehmen müssen, „die in Vereinfachung des Baues wegen der Kosten und in der Konstruktion des Daches und des Turmes zur größeren Dauerhaftigkeit dienlich und zulässig sind".

Unter sechs Konkurrenten wurde dem Bauunternehmer Deitmer aus die Ausführung des Baues übertragen. Am Dienstag, dem 21. August.1855, wurde in Anwesenheit des Bischofs Johann Georg der Grundstein gelegt. Der Bau konnte nun beginnen. Der große Kirchplatz glich einem riesigen Steinlager. Hunderte von fleißigen Händen regten sich und Hunderte von Pferden schafften jahrelang Baumaterialien zur Baustelle. Anfangs plante man, für den Ausbau der beiden Chortürme bessere Zeiten abzuwarten, doch Pfarrer Lorenbeck kam zu der Überzeugung, daß diese Türme wohl nie vollendet würden, wenn sie nicht sofort mitgebaut würden. Das Dach war in Schieferdeckung vorgesehen, erhielt aber aus Sparsamkeitsgründen schwarze Tonziegel, die später bei Unwetter immer wieder stellenweise durch Sturm vom  Dach geweht  wurden. Beim Neubau  sah man Pfarrer Lorenbeck tagtäglich im Arbeitskleide auf der Baustelle bald hier, bald dort Hand anlegen, Rat und Anweisungen erteilen. Pfarrer Lorenbeck starb kurz vor der Vollendung des Kirchenneubaues am 6. Januar 1865, tiefbetrauert von der ganzen Gemeinde. Zwei Jahre nach seinem Tode wurde ihm ein Denkmal gesetzt mit der Inschrift: „Dem Erbauer der Kirche - Die dankbare Gemeinde".

Bei schönstem Herbstwetter, in der Martini-Oktav, am 14. November 1865, hielt der Bischof Dr. Johann Georg Müller seinen Einzug in das festlich geschmückte Städtchen, um am folgenden Tage das neue Gotteshaus dem heiligen Martinus zu weihen. Unter dem Nachfolger von Pfarrer Lorenbeck, Pfarrer Reinermann, wurde im Jahre 1868 der große Westturm fertiggestellt und eingeweiht.  Seitdem ragt der stolze Bau mit seinen drei Türmen inmitten der Stadt Sendenhorst zum Himmel empor und ruft allen Gläubigen zu: „Sursum corda! Empor die Herzen!"

 

 

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