Stadtgeschichte Ansel Salomon Alsberg

Die bemerkenswerten Geschäfte des Handelsmanns Ansel Salomon Alsberg Heinrich Petzmeyer erzählt die Geschichte der Juden in Sendenhorst

Stammhaus der Alsbergs an der Oststraße

Solange die Juden in Sendenhorst wohnten, blieben sie dem Handel treu. Neben dem aus Werl zugezogenen Sattler Mastbaum war, soweit nachprüfbar, nur noch der Schönfärber Abraham Rose aus Oestinghausen als Handwerker tätig. Beide verließen die Stadt nach wenigen Jahren wieder.

Die Berufsbezeichnung der amtlichen Register ist gewöhnlich Handelsmann. Hatte das Geschäft einen größeren Umfang, wurde der Titel Kaufmann gebraucht. Feinere Unterscheidungen kennt das erste westfälische Adreßbuch aus dem Jahre 1834. Levi Alsberg führte eine Frucht- und Ellenwarenhandlung. Witwe Alsberg hatte einen Vieh-, Ellen- und Spezereiwarenhandel, ebenso wie die Brüder David und Isaak Löwenstein und Pintus Rothschild. Elias Stern betrieb einen Kurzwarenhandel. Joseph Rothschild endlich, der seine Geschäftsniederlassung 1829 mit Hilfe der Regierung hatte durchsetzen müssen, betrieb gar einen Frucht-, Vieh-, Ellen- und Spezereiwarenhandlung und war außerdem als „Lotterie-Unter-Collecteur“ tätig.

Besagtem Adreßbuch ist übrigens zu entnehmen, daß im gesamten Regierungsbezirk Münster 2692 Juden (etwa 0,7 Prozent der Bevölkerung) lebten. In Sendenhorst stellten die 58 jüdischen Bürger etwa vier Prozent der 1470 städtischen Einwohner. Über Umfang und Art der geschäftlichen Tätigkeit sind wir leider nicht unterrichtet. Neben den Sendenhorstern aus Stadt und Kirchspiel zählten sicherlich auch die Bewohner der weiteren Umgebung zu den Kunden der jüdischen Handelsleute.

Besonders tüchtig und geschäftlich erfolgreich war die Familie Alsberg. Dem Stammvater der Alsbergs, Ansel Salomon, war zehn Jahre nach dem Siebenjährigen Krieg, 1773, das Schutzgeleit des münsterschen Bischofs ausgestellt worden. Nach königlichem Gesetz nahm seine Familie 1821 den Namen Alsberg an. Salomon Alsberg, der Sohn des ersten Sendenhorster Alsberg, betrieb bemerkenswerte gesamtdeutsche Geschäftsverbindungen. Bereits 1842, bevor die Eisenbahn das Reisen erträglich machte, ließ er sich einen Paß zum Besuch der Leipziger Messe ausstellen. 1851 kaufte er auf der Messe in Braunschweig ein. 1844 begab er sich, mit einem Reisepaß der Bürgermeisterei Sendenhorst versehen, in den Raum Mönchengladbach, um Geschäfte zu tätigen.

Die jüdische Gemeinde wählte Salomon Alsberg seit 1847 immer wieder in den Vorstand des Synagogenbezirks. Um 1890 verzogen Salomon und Wilhelm Alsberg, wie viele jüdische Mitbürger, aus der Stadt Sendenhorst. Die weitere Geschichte der Alsbergs liegt weitgehend im Dunkeln. Zwei Tatsachen sind vor allem im Bewußtsein der älteren Leute überliefert: Vor dem Ersten Weltkrieg praktizierten in Berlin die berühmten Rechtsanwälte Alsberg I und II. In Hamm gab es das Kaufhaus Alsberg an der Ecke Bahnhofstraße/Luisenstraße. Das sehr beliebte Geschäft wurde 1933 „arisiert“ und unter dem Namen Fahning weitergeführt. Heute befindet sich an derselben Stelle der Kaufhof.
Der Bildband „Hamm, so wie es war“ widmet dem Haus Alsberg folgende Sätze: „Viel Atmosphäre hatte das Textilkaufhaus Alsberg, heute Kaufhof. Seinen hohen Lichthof säumten drei Verkaufsetagen, die die Damenwelt auch ohne gezielte Kaufabsichten gern durchstreifte. Wer bestimmtes suchte, den wies eine Empfangsdame in die passende Abteilung.“

Die Bevölkerung hat der Familie Alsberg ein freundliches Angedenken bewahrt. Vermutlich aus der Zeit 1830/40 ist ein Spottgedicht in Bruchstücken mündlich überliefert, das eine Anzahl von Sendenhorster Familien mit ihren Eigenarten und Unarten auflistet. Das Gedicht beginnt, wie es sich gehört , mit dem Bürgermeister: „Borgermeister is de fine Mann“ und leitet dann zu dem jüdischen Viehhändler Humberg über: „Humberg schitt de Buern an.“ Über Alsberg heißt es: „Alsberg mit de vielen Blagen“, durchaus treffend, denn schon nach der ersten Registrierung der Juden 1808 leben im Haus Alsberg die Kinder Levi, Freigen, Mädel, Rachel, Aron, Judel, Hertz und Esther.

Mit elf Familien hatte die jüdische Gemeinde 1848 ihren größten Umfang erreicht. In den folgenden Jahrzehnten wohnten regelmäßig neun jüdische Familien in der Stadt. An den Repräsentantenwahlen zur Synagogengemeinde beteiligten sich 1882 wie immer die Vorstände von neun Familien, nämlich Levi und Louis Leffmann, Jakob und Jüdel Löwenstein, Aron, Levi und Isaak Stern sowie Salomon und Wilhelm Alsberg.

In der Zeit zwischen 1882 und 1889 müssen Ereignisse eingetreten sein, die den Juden den Aufenthalt in Sendenhorst verleideten. Die Volksüberlieferung macht den angeblichen Mord an einem christlichen Mädchen in Enniger für die Ausschreitungen gegenüber den Juden verantwortlich. Die Juden hätten daraufhin unseren Raum verlassen. Die Akten wissen von diesem Vorfall nichts. Bürgermeister Panning stellt 1889 lediglich fest: „…daß die hiesige Synagogengemeinde in letzter Zeit sehr zusammengeschmolzen ist. In hiesiger Stadt befinden sich drei jüdische Familien, in den Untergemeinden Hoetmar und Enniger je eine.“ An anderer Stelle bemerkt er: „Die Familie Spiegel zu Enniger wird nach Aussage des Isaak Leffmann von dort verziehen. Der Kaufmann Isaak Stern und Levi Stern sind alte, stets kranke Personen.“

Am längsten blieb offensichtlich die Familie Löwenstein mit Sendenhorst verbunden. 1912 verkauften die Löwensteins ihr Haus auf der Weststraße, das sie seit 1787 nachweislich bewohnt hatten, an den Nachbarn Roetering.
Der 1872 geborenen Tochter des Kaufmanns Salomon Alsberg, Adele, und der 1873 geborenen Johanna Löwenstein bescheinigte 1938/39 der Standesbeamte im Sendenhorster Rathaus in Übereinstimmung mit den Nürnberger Gesetzen: „Die Nebenbezeichnete hat zusätzlich den Vornamen Sara angenommen.“ Ob die durch diese entwürdigende Maßnahme diskriminierten alten Damen zu diesem Zeitpunkt noch in Sendenhorst wohnten, konnte nicht sicher in Erfahrung gebracht werden. Eine „Reichskristallnacht“ und eine Deportation von Juden soll es in Sendenhorst nicht gegeben haben.

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