Sendenhorst – Stadt lebendiger Brauchtumspflege (1960)

Die freundliche Landstadt Sendenhorst liegt im alten münsterländischen Dreingau, im nordwestlichen Teil des Kreises Beckum. Sie hat mit ihren sieben Bauerschaften rund 5000 Einwohner. Ihrer Abgeschiedenheit von den Hauptverkehrsstraßen und dem beharrenden Sinn ihrer Ackerbürger verdankt die über tausend Jahre alte Siedlung ihren Kleinstadtzauber. Neben Ackerbau und Viehzucht haben sich Handwerk, Handel und Gewerbe entwickelt und mit ihnen ein starkes Gemeinwesen.

Lambertusfeier des Heimatvereins am 17.09.1964, im Vordergrund: Bernhard Fascies, sen.

Wenn auch in den Jahrhunderten Kriegswirren, Feuersbrünste und Pest allzu oft Not und Elend in die Mauern unserer Stadt gebracht haben, so waren doch immer wieder Fleiß, Strebsamkeit und frommer Sinn Quellen neuer Kraft. Das Gefühl innerer Verbundenheit und der Wille, dem einzelnen zu helfen, sind tief im Volksempfinden verwurzelt. Das Gemeinschaftsleben hatte in einem reich entwickelten Brauchtum Stütze und Glanz. In einer Zeit wie der unseren mit den tiefgreifenden Veränderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ist das Erbe vieler Generationen bedroht wie die Gemeinschaft selbst. Wir sollten aber eine Aufgabe darin sehen, mit treuem Sinn das Ueberkommene zu pflegen.

Wie es in einem tief in die Tradition der Geschichte und Landschaft eingebetteten Gemeinwesen des Münsterlandes nicht anders sein kann, ist das Brauchtum vom Rhythmus des Kirchenjahres wesentlich bestimmt. Vom Frühjahr bis Herbstbeginn erlebt Sendenhorst bedeutungsvolle Höhepunkte seines religiösen und bürgerschaftlichen Gemeinschaftslebens. Am Palmsonntag begleitet man den Einzug des Herrn in die große stille Woche. In Prozession werden die Kinder mit den buchsbaumgeschmückten, weiß geschabten Weidenzweigen des jungen Frühlings vom Schulhof nach der Kirche geholt. Eine alte Wetterregel sagt: „Wird der Palmstock trocken von der Weihe heimgebracht, dann auch die Ernte“.

Vom Gründonnerstag, wenn die Glocken verstummen, und die Jugend in der Zeit des Angelusläutens mit dem Radebraken durch die Straßen der Stadt zieht, bis zum frohen Auferstehungssingen am frühen Ostermorgen lebt die Stadt im Banne der stillen Tage. In der Stadtprozession am Karfreitag, einer 1721 beurkundeten Stiftung, hat sich die alte, 1839 aufgehobene Kreuztracht erhalten. Die feierlich entzündete Osterkerze des Gotteshauses hat in den Lichtern der Hausfenster rund um den Kirchplatz ihren vielhundertfachen Widerschein. Vor dem Ehrenmal der Gefallenen an der Chorseite setzen sich um die Mitternachtsstunde zwei Gruppen, mit Laternen ausgestattet, in Bewegung zu dem Umgang um die Wälle und künden, altem Brauch gemäß, das Lob des Auferstandenen.

Wie die Struwen zum Karfreitag, so gehören die bunten Eier zu Ostern, sie suchen und finden, ist die große Festfreude der Kinder.

Der schöne alte Brauch des Osterfeuers, zu dem jung und alt, groß und klein abends hinauswanderten, bedarf, wenn er in unseren Tagen nicht erlöschen soll, zupackender Hände und einsatzfroher Herzen, vor allem der Jugend. Sie sollte helfen, die alten und sinnvollen Osterfeuer der Heimat zu bewahren. An diesem Brauchtum zu Beginn der österlichen Zeit nehmen sie alle teil, die Sendenhorster im engeren und im weiteren Sinne.

Wenn aber der Sommer ins Land zieht und die Johannisfeuer der Sommersonnenwende brennen, heben die „Jansbrüörs“ zu ihrem Schützenfest an, eine Bruderschaft mit alten bürgereigenen Aufgaben. Am Vorabend des Johannistages wählen sie durch die Ballotage ihre neuen „Brüder“, die aber vor ihrer endgültigen Aufnahme noch eine Trinkfestigkeit unter Beweis zu stellen und einen  Liter Bier aus dem Bruderschaftspokal zu trinken haben. Das geschieht nun schon seit über 350 Jahren. Im Jahre 1806 ging eine große Feuersbrunst über Sendenhorst nieder und legte 154 Wohnhäuser in Asche. Als auch die wertvolle Königskette, die gesprächige Zeugin alter Vergangenheit, dem wütenden Element zum Opfer fiel, wurde aus den Ueberresten des geschmolzenen Silbers in Barock und Oval vor gerade 150 Jahren ein Brustbild mit Johannes dem Täufer und dem Lamm Gottes angefertigt, das die Umschrift trägt: „Ich bin eine Stimme des Rufenden in der Wüste, St. Johannes Baptista Patronus noster 1810.“ Seit dieser Zeit berichten die silbergetriebenen Schilder der Kette und die Sinnsprüche vom Leben und Gemeinschaftssinn der Bruderschaft.

Noch einmal begehrt die ganze Stadt an der Schwelle zum Herbst, und wieder unmittelbar vor der Sonnenwende, ein Fest im Freien, das jung und alt vereint: die Lambertusfeier. Die Pyramide auf dem Marktplatz, aus langen, grün umflochtenen Stäben mit lichtflackernden, ausgehöhlten Rüben und bunten Lampions behängt, ist der Mittelpunkt eines abendlichen volkstümlichen Singens und Spielens. Wenn längst die Lichter ausgebrannt sind und groß und klein sich verlaufen haben, summt es durch die Straßen der Stadt: „O Buer, wat kost dien Hei?“

So schließt sich die gliederreiche Kette kirchlichen und weltlichen Brauchtums in unserer kleinen Stadt.

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