Bilder der Heimat - SENDENHORST

1950er - über Sendenhorst - Es ist immer ratsam und lehrreich, ein altes Siedlungsgebilde vor der Besichtigung zunächst einmal zu umlaufen, zumal, wenn dieses dem Besucher auf den Spuren alter Mauern, Wälle und Gräben einen bequemen und in sich geschlossenen Rundgang gestattet, wie dies auch in Westfalen u. a. bei Münster, Coesfeld, Warendorf, Wiedenbrück, Rietberg, Soest, Paderborn und Rüthen der Fall ist.

Der also umgangene alte Stadtkern bietet sich so in Gesamtbildern dar, deren malerischer und kompositorischer Wert durch die stets wechselnde Art der Gruppierung, des Aufbaues und der Beleuchtung durch die Sonne ungemein gesteigert wird. Oft genug vermag dann der historisch und städtebaulich geschulte Besucher schon aus der Eigenart der Silhouette, die bei alten Stadtkernen fast stets durch turmreiche Kirchenbauten, Steildächer und Burgen ihre markante Note erhält, auf das "innere Gesicht" der zu besichtigenden Stadt zu schließen bzw. ihren Organismus und Charakter annähernd zu erraten. So ersetzt der "wissenschaftlich angehauchte" Rundgang um die Stadt den Blick aus der Vogelschau, der wohl Herz und Nieren einer Ortschaft restlos offenlegen würde. den zu tun aber nur wenigen Menschen beschieden ist.

Auf Sendenhorst angewendet, vermittelt ein solcher Rundgang über die nach den Himmelsrichtungen benannten "Gräben" und "Wälle" dem ahnungslosen Besucher zunächst die Tatsache, daß die Stadt ehedem stark befestigt war. Es war Bischof Ludwig von Münster (1310-1357), der das damalige, rund 20 Kilometer von der westfälischen Hauptstadt entfernte Dorf Sendinhurst oder auch Seondonhurst mit einem Wall und zwei Gräben umgab, noch während das "Dorf" im Jahre 1323 zur Würde einer Stadt aufrückte, welche Anlagen aber von 1780 an geschleift bzw. eingeebnet wurden. 1848 folgte der Abbruch der Stadttorhäuser.
[C. Hölscher, siehe H. Petzmeyer: Datum ist obsolet, Gründung der Stadt vor 11-8-1315, = erste urkundliche Erwähnung "oppidum Sendenhorst" = offizieller Geburtstag der Stadt]

Kurze Vorstöße vom Rundgang aus in die Kleinwelt der "Gräben" lassen bereits den Charakter Sendenhorsts als ursprüngliche Ackerbürgerstadt klar erkennen. Eine beglückende Lärmlosigkeit säumt noch heute in Straßen und Gassen, eine Folge der jahrhundertelangen Abgeschiedenheit der Stadt von den Hauptschlagadern des Verkehrs. Nur bukolische Geräusche und die lang gezogenen melodischen Ausrufe des Ausschellers füllen die wohltuende Stille. Man schmunzelt über die volksnahe Bezeichnung der Örtlichkeiten wie Placken, Schlabberpohl und Liebesgasse. Ein Kranz blühender Gartenherrlichkeit, in die hie und da anheimelnde Gartenhäuschen getaucht sind, umgibt die Stadt. Winterastern verglühen hier in allen Farbtönen. Nach außen hin geht der Blick in die flache Unendlichkeit der münsterischen Tiefebene. Am Südtor. wo die Straße nach dem industriereichen Ahlen sich aus dem Häusergewirr herausquetscht, erblickt man auf einem weiten, noch baumlosen Platz das neue Schulgebäude, das vorbildliche Bauformen aufweist und dem Lichte des Tages reichlichen Zutritt gewährt, das man sich aber noch straffer gegliedert denken könnte. Weiter westlich bildet die Gruppe des St.-Joseph-Stiftes, eine Schenkung des Sendenhorster Landsmannes und römischen Buchhändlers Joseph Spithöver aus dem Jahre 1889, einbesonderes Blickfeld. 

Ein Gang um die Stadt offenbart auch deren Grundriß: Ein Quadrat mit im Westenabgerundeten Ecken. dessen kompositorischer und architektonischer Mittelpunkt die hochgereckte, 3-türmige. unter dem verdienstvollen Pfarrer Lorenbeck · (+ 1865) von 1854 bis 1865 in landesüblichem Backstein erbaute gotische St.-Martins-Pfarrkirche ist, die man als das strahlende Wahrzeichen Sendenhorsts ansprechen kann.

Was die Münsterländer Bucht dem Siedlungsgebilde Sendenhorst von Anfang an mitgab. waren außer der Weiträumigkeit der Ebene die Schätze der diluvialen Bodenablagerung: Kiese. Sande, Lehm. Ton und zahlreiche granitene Findlinge nordarktischer Herkunft. Die ersteren bestimmten bei dem völligen Fehlen von Bausandstein als Baumaterial von jeher die Herstellung des verschiedenfarbig getönten Ziegelsteins und der Dachpfanne, während die gerundeten Findlinge als Prellböcke an den Häuser- und Straßenecken ein beschauliches Dasein fristen. So bewahrheitet sich bei Sendenhorst wieder einmal die Richtigkeit des Grundsatzes, beim Aufbau der Städte und Dörfer in erster Linie das regional vorherrschende Material, also hier Sande, Ton und Lehm, zu benutzen. Verwenden die Orte an der Weser den bekannten Wesersandstein für ihre sakralen und profanen Monumentalbauten.

(Hameln: Hochzeits-, Rattenfängerhaus, HämeIschenburg), die der Paderborner Gegend den Pläner-Kalkstein (Paderborn: Rathaus, Dom, Gau- und Busdorfkirche), die Orte der Soester Börde und den nahen Rüthener und Anröchter Sandstein (Soest: Patrokli-Dom und die übrigen Kirchen), die Münsteranerden Baumberge-Sandstein (Münster: Prinzipalmarkt), die Orte an der Ems und am Wesereck die Eiche (Wiedenbrück, Hannoversch Münden), deckten die Sauerländer bei dem reichen Schiefervorkommen (Nuttlar, Antfeld, Fredeburg) ihre Häuser mit Schiefer, so bauten die Sendenhorster folgerichtig ihre Siedlung aus Ziegelsteinen und weniger aus Fachwerk auf und bewahrten so den Charakter unmittelbarer Bodenständigkeit. Es wäre für manchen Architekten, so beispielsweise für die "Erbauer" der stil fremden Häusergebilde am Ostertor, heilsam, sich diesen Grundsätze zu eigen zu machen. 

Wie sich die Sendenhorster beim Bau ihrer Behausungen von den Gegebenheiten von Landschaft und Boden leiten ließen, so gingen und gehen sie in der Hauptsache auch Berufen und Tätigkeiten nach, die sich eng an die Fingerzeige der Mutter Natur halten. Ackerbau und Viehzucht, bodenständiges Handwerk. Gewerbe und Handelsetzen Jahrhunderte alte Traditionen froh und freudig fort. Aus der alt gepflegten Kunst der zünftigen Leineweber gingen Webereien hervor; Mühlen und Brennereien. verarbeiten der Felder reife Frucht. Die neuere Zeit brachte Maschinenfabriken, Steinindustrie und ein Sauerstoffwerk, bei dessen Anlage die guten Sendenhorster durchaus nicht so ängstlich waren wie die Benninghauser an der Lippe, die einst befürchteten, dass das dort im Jahre 1924 angelegte Sauerstoffwerk die Luft sauerstoffarm mache. Den Bedürfnissen von Handel und Verkehr kommt die im Jahre 1903 eröffnete Strecke der Westfälischen Landeseisenbahn entgegen, die Sendenhorst sowohl mit der Provinzialhauptstadt Münster als auch mit der Kalksteinindustrie von Beckum-Neubeckum verbindet.

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