Amt Vorhelm und Kirchspiel Sendenhorst - Erinnerungen aus alter Zeit

Der Artikel in der Nr. 53 der „Glocke“, der sich mit der Zweckmäßigkeit einer Wiedervereinigung von Stadt und Kirchspiel Sendenhorst beschäftigt, veranlaßte mich, mir den Zustand zu vergegenwärtigen, ...

"Mule" - Wappen des Kirchspiels - in Anhlehnung an das Wappen der Familie Schorlemer, die ihren Ursprung in Sendenhorst hat.

... wie er in meiner Jugendzeit war, die ich auf dem Gut meiner Eltern, dem Hof Richter zu Enniger verlebte, der direkt an der Grenze des Kirchspiels Sendenhorst liegt. Die Grenze bildet ein Bach, an dem der sog. Kirchspielshagen entlang führte, ein schätzungsweise 4 – 5 m breiter Wall, auf dem an beiden Seiten eine alte verwilderte Hecke stand.

Doch nun zu der Sache selbst: In der Jugend fragt man nicht nach dem „Woher“, man nimmt hin, was man vorfindet, und das war, daß das Kirchspiel Sendenhorst zum Amte Vorhelm gehörte, das von Brünings Hof aus durch den Amtmann (späteren Ehrenamtmann) Franz Brüning regiert wurde und in dem mein Vater der unbesoldete Beigeordnete war, der oft einspringen mußte. Doch erinnere ich mich, daß meine Tante Brüning in Sendenhorst, die Großmutter des Herrn Roetering, mir mal gesagt hat, daß Franz Brüning früher Bürgermeister der Stadt Sendenhorst gewesen sei und dann (unter Uebernahme der Verwaltung des neugebildeten Amtes Vorhelm) seinen Wohnsitz nach seinem Hofe in Enniger verlegt habe.  Ich nehme an, daß damals sein Vater (geb. Richter, der sich bei Brünings einheiratete und seitdem den Namen Brüning führte) gestorben ist, der schon unter französischer Herrschaft als maire (Bürgermeister) und später unter preußischer Herrschaft als Bürgermeister die Stadt Sendenhorst verwaltete. Franz Brüning siedelte deshalb nach Enniger über, um nebenher die Bewirtschaftung des väterlichen Gutes zu übernehmen.

Tönnishäuschen, der Sitz des Amtes Vorhelm, ist niemals eine Gemeinde gewesen, sondern ein „Platz“ (wie Möhler, Kaunitz und Schloß Holte). Der Hof Brüning gehört nach Enniger, der Nachbarhof Ketteler-Rieping nach Vorhelm.  An der Wegekreuzung stehen die kleine Kapelle zum hl. Antonius (daher der Name Tönnishäuschen) und das Wirtshaus Samson-Köching, zugleich Postagentur. Die Molkerei in Tönnishäuschen wurde um 1880 errichtet, und zu der Zeit baute sich auch der Schmied Beckmann dort an. Die „Barriere“ (ein schwarz-weißer Schlagbaum), von der jedes Fuhrwerk respektvoll  halten und Chausseegeld zahlen mußte, wurde von dem Wirtshause aus bedient, und wenn man zur Nachtzeit die Barriere herabgelassen antraf, war man gezwungen, den Wirt aus dem Bett zu klingeln, um ihm für jedes Pferd, das vor dem Wagen ging, einen Silbergroschen für den Gemeindesäckel einzuhändigen.

Man nahm die Unbequemlichkeiten, die durch die Zusammenlegung der Gemeinden entstanden waren, ruhig hin, und mein Vater, den sie am meisten trafen, gewöhnte sich mit den Jahrzehnten daran. Wohl schüttelte eine Familie den Kopf darüber, daß er als Amtsbeigeordneter keinerlei Diäten oder Auslagenersatz bekam, wenn er den Amtmann vertrat, der seinerseits doch ein Gehalt und später als Ehrenamtmann eine Aufwandsentschädigung von jährlich 1.000 Talern bezog. Arg wurde dieses Mißverhältnis in einem Fall fühlbar, in welchem der Polizeidiener meldete, daß im Kirchspiel Sendenhorst an der Grenze von Drensteinfurt eine Leiche gefunden sei. Da der Amtmann verreist sei, müsse Vater (als Polizeiverwalter) den Befund aufnehmen. Da mußten Pferde und Kutscher eilends vom Felde geholt, der geschlossene Wagen angespannt, schnell ein Imbiß bereitet werden und mein Bruder mitfahren, um beim Aufsuchen des richtigen Weges dem unkundigen Fahrer behilflich zu sein. Nacht war es, als die Karawane ermüdet heimkehrte, und das Chausseegeld am Sendenhorster Osttore hatte Vater auch noch aus seiner Tasche zulegen müssen. Ersetzt wurde garnichts. (Die ehrenamtlichen Amtsbeigeordneten ebenso wie die stellvertr. Gemeindevorsteher bekamen nirgendwo eine Aufwandsentschädigung, auch keinen Ersatz für bare Auslagen. Die Red.)

Das Kirchspiel Sendenhorst hatte einen eigenen ehrenamtlichen Vorsteher, die Stadt Sendenhorst einen hauptamtlich tätigen Bürgermeister; als dieser nach Coesfeld kam, wurde es Albring (der einige Jahre Sekretär beim Amtmann Brüning und Hauslehrer für dessen jüngere Töchter gewesen war). Man sagte, Bürgermeister Albring beziehe nur ein Jahresgehalt von 400 Talern und kleide sich besonders schlecht, um seine Bedürftigkeit zu demonstrieren, wenn der Landrat von Beckum dienstlich nach Sendenhorst käme. Albring soll sich bei solchem Anlaß sogar die beiden Knöpfe von seinem Schoßrock („Schniepel“ oder „Schwalbenschwanz“) geschnitten haben. Er starb früh, doch glaube ich, daß er die reiche Zuwendung Spithövers: Stiftung des großartigen Krankenhauses, noch erlebt hat.

Das freundliche Städtchen Sendenhorst, wo wir wie zu Hause waren, hat wohl von jeher gute Beziehungen zum Kirchspiel und den Nachbargemeinden unterhalten. Mein im Jahre 1800 geborener Vater und sein älterer Bruder sind nach Sendenhorst zur Schule gegangen, und diese muß damals schon auf der Höhe gewesen sein, denn Vater war ausgezeichnet unterrichtet, was sich in seinem hohen Alter noch erkennen ließ. Dagegen hatte sein Vorfahr Schulze Bering von dem Hofe Bering (jetzt Gößlinghoff) im Kirchspiel Sendenhorst, die Schule in Vorhelm besucht, was sich ergibt aus einem Dokument, das er dort schwungvoll geschrieben hat, auf Pergament mit großen farbigen Initialen. Die „Glocke am Sonntag“ hat dieses Dokument schon vor Jahrzehnten der Veröffentlichung für wert befunden.

Meines Erachtens würde die Wiedervereinigung von Stadt und Kirchspiel Sendenhorst, wie sie in der „Glocke“ (Nr. 53) angeregt wurde, beiden Gemeinden zum Nutzen gereichen und alle, die daran interessiert sind, nachhaltig befriedigen.

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