Sieben Menschenalter im Postdienst

Zur Geschichte einer altmünsterländischen Familie von Friedr. zur Bonsen

Vor nicht langer Zeit lief eine Notiz durch die Presse, das irgendwo in Westfalen - der Name des Ortes ist dem Verfasser entfallen - seit hundert Jahren das Lehreramt an der Ortsschule in ein und derselben Familie sich erhalten habe. Noch weniger bekannt als ein solcher Fall dürfte es sein, daß in den Familien von Borris in Herford und Freueberg in Olpe die Verwaltung des Landratsamtes ihres Heimatkreises gleichsam traditionell geworden. Die Anerkennung dieser Tradition auf Seite der maßgebenden Stelle verdient alles Lob, ist auch sozial durchaus klug, denn die Amtsehre verknüpft und verwurzelt sich mit der Familienehre, und mit dem Eintritt ins Amt tritt der neue Träger auch in das ererbte Vertrauen der Bevölkerung.

Ganz einzig in ihrer Art ist nun sicherlich die Tatsache, daß es eine münsterländische Familie gibt, in der sieben Menschenalter (220 Jahre) nahezu ein Viertel Jahrtausend, hindurch die Verwaltung des Postamtes ihres alten Heimatortes sich fortgeerbt hat, bis in unsere Zeit, in der so vieles stürzte, das ehrwürdige Familienamt erlosch. Das ist worauf der Verfasser schon vor Jahren (in der Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalen, Band 54, 1896) verwiesen hat, die Familie Bonse in Sendenhorst, Kreis Beckum; ihre Postvergangenheit möge hier, soweit es möglich, zu einer zusammenhängenden Darstellung gelangen.

Die Bonsesche Familie ist übrigens zugleich eines der ältesten bürgerlichen Geschlechter, wenn nicht das älteste, das auf münsterländischem Boden uns entgegentritt; wird sie doch bereits im Jahre 1327, also in der Zeit, da die bürgerlichen Namen überhaupt erst in der Bildung begriffen erscheinen, urkundlich genannt. Daß der Verfasser einem Zweige dieser alten Familie angehört, darf hierbei zu erwähnen vielleicht gestattet sein.

Da hielt die Post ihren Einzug in Münster und das Münsterland. Nachdem die erste, temporäre Posteinrichtung im Fürstbistum - 1534 zog ein Postkurier von der bischöflichen Residenz Wolbeck mit Briefen gen Worms - sich schnell genug verwischt hatte, ist in der angsterfüllten Folgezeit nur selten und zusammenhanglos von einer Postsachenbeförderung im Münsterschen die Rede; vollends der Dreißigjährige Krieg fegte alle Anfänge hinweg. In den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts ist nun die Kaiserliche (Thurn- und Taxische) Post mit Sicherheit im Lande nachzuweisen, ohne daß wir freilich über Postgang usw. näheres wissen. Das war unter dem Reichspostmeister Eugen Alexander von Thurn und Taxis, der 1686 den deutschen Reichsfürstentitel erhielt.

Jetzt tritt auch der erste Thurn- und Taxische Postmeister in Sendenhorst, Heinrich Bonse auf. Geboren um 1640, hatte er sich 1673 mit Elisabeth Arnemann aus Sendenhorst verheiratet und wohnte 1691 bereits an der "Südporten" der Stadt, wonach das heutige Bonsesche Haus liegt; in folgenden Jahre war er Bürgermeister. Über den Zeitpunkt seines Eintritts in Thurn und Taxische Dienste, wie überhaupt über die Sendenhorster Post enthält das fürstliche Archiv in Regensburg leider keine Nachrichten mehr. Der ausgezeichnete Forscher und Kenner der heimatlichen Postgeschichte, Eugen Müller setzt den Beginn des Postamtes in der Familie Heinrich um das Jahr 1690 an ("Münsterland", 1920, Heft 3). Dem kommt eine Mitteilung des letzten Amtsinhabers an den Verfasser entgegen, daß seinem Vater durch einen Postinspektor in Münster eine Bonsesche Bestattungsurkunde entliehen, aber nicht zurückerstattet worden sei, die dem Ende des 17. Jahrhunderts angehört habe. Und in den bis zum Jahre 1803 zurückreichenden Akten über die Postanstalt in Sendenhorst, die bei der Münsterschen Oberpostdirektion beruhen, besagt ein Bericht des Preußischen Oberpostamtes in Münster vom 14. Dezember 1831, die Post zu Sendenhorst habe sich damals bereits "über hundert Jahre" in dem Bonseschen Hause befunden (ggfl. Mitteilung der Oberpostdirektion Münster, 1891).

Zunächst und für lange Zeit scheint es sich nur um eine regelmässige Botenpost (Otdineripost) für Briefe nach dem etwa vier Wegstunden entfernten Münster gehandelt zu haben, wo ein Thurn und Taxisches Postamt bestand; ein durchgehender Postkurs hat soviel wir wissen, Sendenhorst selbst auch im 18. Jahrhundert nicht berührt.

Heinrich Bonse, der erste "Posthalter" (Postverwalter) starb noch im rüstigen Alter um Neujahr 1700. Sein ältester Sohn Berndt, der im Elternhaus blieb, folgte ihm im Amt; im Jahre 1731 schied dieser aus dem Leben. Postmeister wurde dessen Ältester, Heinrich, geb. 1702, gest. in dem Jahre, da er auch Bürgermeister war, 1758. Nun folgte Gerhard Heinrich Eustachius im Alter von 26 Jahren. Es war die Zeit des Siebenjährigen Krieges; die Franzosen, welche 1759, und die Truppen des Erbprinzen von Braunschweig, welche im folgenden Jahre in Sendenhorst erschienen, werden dem kleinen Postamte das Leben sauer genug gemacht haben.

Nach dem Tode des Fürsten Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis (1739 1 177 3) belehnte nun dessen Sohn Earl Amselm (gest. 1805), der beim Antritt des Generalpostmeisteramtes seine Beamten wie üblich neu bestellte, unterm 31. Juli 1775 mit der "weiteren Bedienung deren Posthalterey" in Sendenhorst den Gerhard Heinrich Eustachius, der in der neuen Bestellung, "anbeynebens volkommene Macht, Gewalt und Befehl, in Unserem Nahmen das Posthorn zu führen ….. " die Briefe zu kolligieren und zu distribuiren, das Porto davor gehörig einzunehmen und Unserem Postamt in Münster von drey zu dreyen Monathen zu berechnen, und daß Er sich sowohl bey Tage als Nachts mit Überlieferung und Bestellung deren Briefen und Paqueten, dann mit Fortführung deren Odinarien (gewöhnliche Botenposten) und Estafetten, auch in Beförderung deren couriers und Passagiers wohl und fleißig verhalten, und insgemein alle Ordnungen, Befehle und Placarden (Plakate, öffentliche Postaushänge), welche von Uns und Unserem Ihm vorgelegten Postamt zu Münster allbereits gegeben worden seynd oder inskünftige annoch zu desto mehrerer Nachricht und besserer Versehung schon gemeldeter Posthalterey zu Sendenhorst gegeben werden möchten, observieren, vollziehen und alles dasjenige, was dem mehr anhängig, gebührend allemahlen verrichten solle." Die Originalurkunde befindet sich noch im Besitze der Sendenhorster Familie.

Wir ersehen daraus, daß bereits Postwagen zur Beförderung von Reisenden und Paketen eingestellt waren.

Gerhard Heinrich Eustachius führte nun als "Posthalter" das Thurn und Taxische Posthorn fast genau dreißig Jahre: bis zum Übergange des Postwesens in dem säkunisierten Stifte Münster an Preußen. Diener erfolgte "Posthalter oder Postwärter" in preußische Dienste.

Schon im folgenden Jahre sehen wir übrigens zweimal wöchentlich eine "reitende Post zwischen Münster und Hamm verkehren, die über Sendenhorst zog. Nach dem Münsterschen Kalender für 1804 ging die Post von Münster ab Mittwochs und Freitags 10 ½ Uhr vormittags und kehrte Sonntags und Donnerstag dahin zurück.

Ende März 1804 war Bonse tot, und sein Sohn Theodor übernahm die Post. Da kam 1806, mit dem Sturze des preußischen Regimes, die Zeit der großherzoglich bergischen, dann 1810 der französischen Herrschaft, und zweimal wechselte das Schild am Sendenhorster Posthaus, bis die Freiheitskriege endgültig den preußischen Adler zurückführten. Auf Theodor Bonse folgten in der Verwaltung der "Postexpedition" nacheinander - auch ein seltener Fall - drei Brüder Engelbert, Nikolaus und Gerhard. Als der letztere anfangs der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts starb, war sein Sohn Theodor Franz Gerhard noch minderjährig, und in Pietät gegen die Tradition der Familie ließ jetzt die Postbehörde den Oheim und Vormund des jungen Bonse, Everke die Sendenhorster Postanstalt verwalten, bis jener nach erlangter Ausbildung Ende 1867 das Amt selbständig zu übernehmen vermochte.

Noch einmal wechselte wieder das Schild über der Haustür im eben genannten Jahre wurde die Post Norddeutsche Bundespost und vier Jahre später Reichspost. In der links vom Eingange gelegenen Amtsstube aber, in die schon so mancher seinen Fuß gesetzt, waltete unter allem Wandel der Dinge der Geist schlichter, treuer Pflichterfüllung weiter, bis mit dem Übertritt Theodor Bonses, dem seine Mitbürger mit allerlei Ehrenämtern bedacht, in den wohlverdienten Ruhestand, Enden 1910, das Amt in dem Haus "An der Südporten" erlosch. Die Zeiten waren andere geworden und andere die Menschen; von den vier Söhnen zeigte keiner Neigung zu der Väter Beruf. Doch blieb die Post mit der Familie wenigstens unmittelbar verknüpft, indem ein Stiefsohn der Schwester des Verstorbenen, namens Borgmann, die Verwaltung übernahm.

So, wir sind "zu Ende", und nun mögen die familiengeschichtlichen Notizen, die uns die Kunde von den alten Postmeistern zu Sendenhorst vermittelt, zurückkehren in das Gefach, darinnen sie so lange geruht. Doch siehe! Vor unserem Geiste öffnet sich noch einmal das Stüblein des ersten fürstlich Thurn- und Taxischen Posthalters Heinrich Bonse an der "Südporten" der guten kleinen Stadt. Mit Amtsmiene mustert er das Häuflein Briefe, so der Ordinaribote eben von Münster herüberbrachte, und bedächtig setzt er ihre Anschriften zum Aushang auf einen säuberlichen "Zeddel":

"Seynd heute brieffe kommen
Zum ersten for die Erbare Sittib des Jandirk Wieler, Beckeramts,
an der Kerken thoe Sendenhorst.
Zum zweyten for die ehr, auvh tugendsambe Juffer Elsabein Fraye, so
uff dem Schlabberpoel wohnhaft in dem Stedel Sendenhorst.
Item for……."

Doch beeil dich, Heinrich Bonse! Merkst du nicht, daß da draußen vor dem Fenster die Leute auf den Aushang warten?

Und siehe! das Bild ist verschwunden, und ein anderes drängt sich vor unseren Geist. Es ist ein Dezembertag anno 1921, und ein eiskalter Wind heult durch die Gassen. Aus dem Haus an der Südporten aber geleitet man den alten, ehrenfesten Postezpedienten, des Ahnen letzten Nachfolger im uralten Amt, unter den klagenden Tönen der Kirchenglocken hinaus - zur Ruhestatt meiner Väter.



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